Da kam Halbom Chester schon zurück. Er hatte wieder ein Kind in seine Decke gewickelt, drückte es dem Arizonamann in die Arme und lauschte in den Hausgang.
»Komm, rasch.«
Sie verließen den oberen Korridor und gingen so lautlos wie möglich die Treppe hinunter.
Ja, hatten die Menschen denn überall einen so tiefen Schlaf, daß man ungestört durch ihre Behausungen laufen konnte? fragte Macirian.
Da geschah es auch schon!
Vor dem Texaner stand plötzlich ein Mann. Groß und drohend. Ein Revolverhahn knackte.
Aber schon zuckte ein Hieb mit dem Revolverlauf, Halbom Chesters Spezialschlag, auf den Schädel des Mannes nieder.
Der Mann sank schwer betäubt zurück und rutschte an der Flurwand nieder.
Macirian wollte in wilder Hast flüchten.
Aber der hartnäckige Tex packte ihn rauh am Arm.
»Was ist denn los, Amigo? Nur keine Nervosität! Wir werden den Hof in Ruhe und so langsam, wie wir gekommen sind, wieder verlassen. Klar?«
Sie gingen hinaus und kamen unangefochten auf die Straße.
Als sie wieder auf ihren Pferden saßen, jeder ein Kind im rechten Arm, da hatten sie Eile.
In hartem Galopp sprengten sie aus der Stadt.
Anderthalb Meilen vor der Ranch hielten sie bei einer kleinen Camphütte an, die Glosters Vater vor urdenklichen Zeiten errichtet hatte und die immer noch stand.
»Du bleibst also hier, Ed«, sagte der ältere Chester.
»Ja«, kam es halblaut zurück.
Die Kinder wurden in die Hütte getragen.
»Vorwärts, Frank!«
Die beiden ritten weiter.
Halbom hatte das Pferd des Bruders an der Leine.
Unbemerkt gelangten sie auf die Ranch, brachten die Tiere in den Corral und schleppten die drei Sättel in einen der Sattelgänge im hintersten Stall.
Unbemerkt gelangten sie auf die Ranch, brachten die Tiere in den Corral und schleppten die drei Sättel in einen der Sattelgänge im hintersten Stall.
Dann begaben sie sich in den Schlafraum.
Lautes Schnarchen drang ihnen entgegen.
Geräuschlos begaben sie sich zu ihren Pritschen.
Sie schliefen beide nicht ein.
Frank Macirian nicht, weil das, was er in den letzten Stunden erlebt hatte, ihn einfach nicht zur Ruhe kommen ließ, und Halbom Chester, weil er den anderen bewachte.
Aber diese Mühe war unnötig. Frank Macirian hatte nicht mehr die Kraft, etwas gegen den Texaner zu unternehmen.
Es zeigte sich jetzt, daß er ein Schwächling war, und daß der kaltschnäuzige Halbom ihn von vornherein richtig eingeschätzt hatte.
Niemand an seiner Stelle hätte ausgerechnet den Bestman der Peons für ein solches Unternehmen ausgewählt, einen geradlinigen, etwas stutzerhaften Strebertyp, der doch nur zu leicht zum Verräter eines solchen Vorhabens werden konnte. Aber Chester hatte sich in dem Arizonamann nicht getäuscht! Frank war schwach – und deshalb nützlich für ihn.
Kurz vor halb vier richtete sich Halbom Chester auf.
Er besaß keine Uhr, aber er hatte ein enorm sicheres Zeitgefühl. Er ging hinüber, um Macirian wachzurütteln, fand ihn aber auf seiner Pritsche sitzend.
»Es geht los.«
Stumm stand der Arizonamann auf und kleidete sich voll an.
Dann verließen sie den muffigen, großen Raum und traten in den Hof.
Nachtkühle und Stalldunst schlugen ihnen entgegen.
Frank Macirian fröstelte. Er schlug sich den Kragen seiner Jacke hoch und zog den Hut tief in die Stirn.
Frank holte die drei Gespanne aus einem Seitenflügel der Ställe in den Hof.
Es ging alles ziemlich leise vor sich.
Schnaubend standen die sechs Pferde in den Geschirren.
Halbom hatte die Wagen schon in Abfahrtsrichtung gestellt, schickte den Arizonamann zum ersten Wagen, ging am zweiten vorbei und wollte gerade auf die Radnabe des letzten Schooners steigen, als er plötzlich eine Gestalt vor sich sah.
Ginger, der Vormann.
Chester erschrak bis ins Mark. Seine Rechte näherte sich dem Revolvergriff.
Der Vormann bemerkte es.
»Du bist wach, Hal. Richtig, ein angehender Cowboy muß wachsam sein! – Alles in Ordnung?«
»Alles, Vormann.«
Halbom hatte es heiser hervorgestoßen und sich dabei mühen müssen, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
»Dann gute Fahrt, Boys!«
»Thanks«, kam es reichlich leise und knurrig vom vordersten Wagen.
Der Vormann blickte zum zweiten Gespann.
»Der Driver da schläft wohl noch, he?«
»Keineswegs, Mr. Ginger!« beeilte sich Chester zu erklären. »Mein Bruder war sogar als erster von uns auf den Beinen.«
»Gut. Dann Hals- und Knochenbruch!«
Der Vormann tippte an den Rand seines verbeulten Hutes und machte kehrt. Mit hartem, sporenklirrendem Schritt ging er auf den Hof zu.
Hal lauschte ihm nach. Erst als er die Bunkhaustür ins Schloß fallen hörte, zog er sich auf den Kutschbock.
»Vorwärts, Frank!«
Macirian gab die Bremse frei. Das Gespann zog an.
Halbom Chesters Rechnung ging auf: das zweite Gespann folgte dem ersten auch ohne Driver.
Hal hatte die Zügelleinen locker gelassen und oben um die eiserne Armstütze gebunden. Er flankte auf das letzte Gefährt.
Die drei Wagen rollten knarrend und mit ihren stählernen Reifen im Sand knirschend von der Ranch.
Als sie einige hundert Yard hinter sich hatten, sprang Hal vom Wagen und rannte nach vorn zu Frank.
»Los, auf den letzten Wagen!«
Frank stieg ab.
Und Chester zog sich auf seinen Platz.
Mit wilden Zügelschlägen trieb er die beiden schweren Füchse zu schnellerer Gangart an.
Frank Macirian stand am Wegrand und starrte dem ersten Wagen nach, dann zog das zweite Gespann an ihm vorbei.
Das dritte nahte.
Schnaubend stieß eines der Pferde die Luft aus.
Der Arizonamann ließ die Tiere vorbei.
Da kam das Vorderrad. Die geölte Nabe blinkte schwach.
Jetzt muß ich aufsteigen!
Er stieg nicht auf.
Auch dieses Gespann zog an ihm vorüber. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der lange Wagen ihn passiert hatte.
Was dann geschah, im nächsten Augenblick, hat der Arizonamann nie begriffen.
Als der letzte Wagen an ihm vorüber war, sah er drüben auf der anderen Seite des Weges die Gestalt eines Mannes stehen. Halbom Chester –!
Jäher Schreck durchzuckte Macirian.
Halbom hatte seinen Revolver in der Hand. Frank sah es trotz der Dunkelheit.
Da wandte sich der Arizonamann um und lief dem letzten