Neuroanatomie. Markus Kipp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Markus Kipp
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783868675207
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genannt, bei denen Rezeptor und Effektor i. d. R. nicht im gleichen Organ liegen. Ihre Verschaltung verläuft über mehrere Synapsen und wird daher auch als polysynaptisch bezeichnet. Die Untersuchung der Fremdreflexe gehört in erster Linie nicht zur Standarduntersuchung bezüglich der Erhebung des neurologischen Status, sondern kann bei weiterführender Untersuchung erwogen werden. Wichtige Fremdreflexe sind in Tabelle 3.2 zusammengefasst.

      Fremdreflexe

Nerven-wurzelnFremdreflexeDurchführung
Th6–Th12Bauchhautreflexe (BHR)Die Bauchhautreflexe werden beim entspannt liegenden Patienten getestet. Der Untersucher streicht mit einem spitzen Gegenstand o. ä. von lateral nach medial auf beiden Seiten auf drei Etagen– unterhalb des Rippenbogens– auf Nabelhöhe– oberhalb des Leistenbandes.Physiologisch kommt es zu einer Kontraktion der Bauchmuskulatur, bei Störungen bleibt die Kontraktion aus.
L1–L2KremasterreflexZur Untersuchung des Kremasterreflexes bestreicht man den medialen Oberschenkel. Es kommt zu einer Hebung des gleichseitigen Hodens durch die Kontraktion des M. cremaster.

      Fremdreflexe

Nerven-wurzelnFremdreflexeDurchführung
S3–S5AnalreflexDer Analreflex wird durch Bestreichen der Perianalregion mittels Spatel ausgelöst. In der Folge kommt es zu einer Kontraktion des Schließmuskels.
BulbokavernosusreflexDer Bulbokavernosusreflex wird durch Kneifen der Glans penis oder der Klitoris provoziert und führt zur Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur.

      Zu guter Letzt gibt es noch die pathologischen Reflexe. Ein pathologischer Reflex ist eine automatische, unwillkürliche Körperreaktion (Reflex), die bei Gesunden nicht vorkommt. Bei Säuglingen sind solche Reflexe oft noch physiologisch und unbedenklich. Beim Erwachsenen kommen sie bei Erkrankungen des ZNS vor, z. B. bei zentralen Schädigungen. Beispiele von pathologischen Reflexen, die bei einer Schädigung der Pyramidenbahn auftreten, nennt man Pyramidenbahnzeichen.

      Tabelle 3.3

      Pathologische Reflexe

PyramidenbahnzeichenAuslösung durchKlinische Beobachtung
Babinski-ReflexKräftiges Bestreichen des Fußaußenrandes mit z. B. der Spitze des Griffs des ReflexhammersDorsalextension der Großzehe mit Beugung und Spreizen der Kleinzehen. Streckt sich lediglich die Großzehe, gilt der Test als fraglich positiv.
Gordon-ZeichenKompression der WadenmuskulaturDorsalextension der Großzehe (gilt als unsicheres Pyramidenbahnzeichen).
Oppenheim-ZeichenKräftiges Bestreichen entlang der TibiavorderkanteDorsalextension der Großzehe und Spreizen der Kleinzehen.
Strümpell-ZeichenBeugung im Kniegelenk gegen WiderstandTonische Dorsalextension der Großzehe ggf. begleitet von Plantarflexion und Supination des Fußes.

      Auf funktioneller Ebene kann man das Nervensystem in ein somatisches und vegetatives Nervensystem unterteilen. Dem somatischen (auch „animalischen“) Nervensystem, das wir bewusst ansteuern können und das motorisch hauptsächlich die quer gestreifte Muskulatur innerviert, stellt man das vegetative (auch autonome oder viszerale) Nervensystem gegenüber. Diese Autonomie bezieht sich auf den Umstand, dass über das vegetative Nervensystem biologisch definierte, automatisch ablaufende innerkörperliche Vorgänge angepasst und reguliert werden, die deswegen vom Menschen willentlich nicht direkt, also allenfalls indirekt, beeinflusst werden können. Folglich innerviert das vegetative Nervensystem motorisch überwiegend die glatte Muskulatur der Eingeweide und Gefäße sowie exokrine und endokrine Drüsen. Es steuert dabei wichtige vegetative Parameter, wie z. B. Atmung, Kreislauf, Wasserhaushalt, Körpertemperatur, Stoffwechsel, Verdauung und Fortpflanzung.

      Wie bei vielen nervalen Funktionen sind auch beim vegetativen Nervensystem Nervenzellen in Ketten hintereinander geschaltet. Im Falle des Sympathikus und des Parasympathikus sind dies zwei. Wichtig ist hier die Lage der Zellkörper der ersten Neurone. Die ersten sympathischen Neurone liegen mit ihrem Zellkörper im Cornu laterale des Thorakalmarks und des oberen Lumbalmarks. Die ersten parasympathischen Neurone liegen mit ihrem Zellkörper im Hirnstamm (Nucleus Edinger-Westphal, Nucleus salivatorius superior et inferior und Nucleus dorsalis nervi vagi) und im Cornu laterale des Sakralmarks. Die Lage der parasympathischen Zentren ist also eine kraniosakrale, die der sympathischen eine thorakolumbale. Daher der Name „Para-sympathikus“, um den Sympathikus herum.

      image Klinik

      Die Bandscheiben, auch Zwischenwirbel genannt, sind Knorpel, die sich als Bindeglieder zwischen den Wirbelkörpern befinden. Sie machen rund ein Viertel der gesamten Wirbelsäulenlänge aus. Die Knorpel bestehen jeweils aus einem Faserring (Anulus fibrosus) und einem Gallertkern (Nucleus pulposus). Während der Faserring mit dem Wirbelkörper verwoben ist und dadurch die Wirbelsäule kräftigt, hat der weiche Gallertkern die Funktion eines Kissens, das Stöße abfängt und Druck ausgleicht.

      Im Verlauf eines Tages werden die Bandscheiben interessanterweise vorübergehend schmaler, weil sie durch die Tagesaktivitäten hoher Belastung ausgesetzt sind. Deswegen ist der Mensch abends ungefähr zwei Zentimeter kleiner als am Morgen.

      Drückt der Bandscheibenvorfall auf sensible Nervenwurzeln, die im Bereich der Lendenwirbelsäule in das Rückenmark hineinziehen, löst dies primär Schmerzen aus. Diese werden oft als andauernd, stechend und sich bei Bewegung verstärkend beschrieben. Am bekanntesten ist hier der „Ischiasschmerz“, der über das Gesäß bis ins Bein ausstrahlen kann und im Volksmund oft als „Hexenschuss“ bezeichnet wird. Im Bereich der Halswirbelsäule treten bei einem Bandscheibenvorfall Nackenschmerzen auf, die in den Arm ausstrahlen können. Werden auch motorische Fasern komprimiert, finden sich unter anderem Lähmungserscheinungen.