Neuroanatomie. Markus Kipp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Markus Kipp
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783868675207
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die Haut und Muskulatur des Thorax. Dies geschieht in segmentaler Höhe ihrer Austrittsstellen.

      Wie bereits erwähnt, können am Rückenmark funktionell einzelne Segmente voneinander abgegrenzt werden. Daraus resultiert eine vergleichbare segmentale Anordnung der Dermatome und der Myotome. Die segmentale Anordnung von Dermatomen ist auf Höhe des Thorax und des Abdomens sowohl ventral als auch dorsal besonders gut zu erkennen: Wir sprechen von segmentaler Innervation. Wie Handtücher in einem Schrank liegen die einzelnen Dermatome übereinander.

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      Übersicht über die Dermatome

      Ein Dermatom ist der Hautbereich, der von den sensiblen Fasern eines Rückenmarksegments versorgt wird.

      Das Dermatom Th7 wird also vom siebten thorakalen Spinalnerv innerviert. Die segmentale Innervation der Dermatome ist im Bereich von Thorax und Abdomen besonders gut zu erkennen.

      Etwas komplizierter gestaltet sich die Sache jedoch abseits des thorakalen Rückenmarks. Auch dort teilt sich jeder Spinalnerv in einen Ramus dorsalis und Ramus ventralis auf. Der Ramus dorsalis versorgt, ähnlich wie im Brustbereich, die wirbelsäulennahe Haut und Muskulatur. Die Rami ventrales ziehen jedoch nicht „einfach“ in die Peripherie, sondern bilden Nervengeflechte (Nervenplexus).

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      Während die segmentale Innervation im Bereich des Rumpfes einfach nachzuvollziehen ist, geht sie im Bereich der Extremitäten teilweise verloren. Grund hierfür ist die Plexusbildung der Rami ventrales der Spinalnerven (siehe Text).

      Die Information eines Dermatoms (farblich unterschiedlich hervorgehobene Felder) verteilt sich nunmehr auf mehrere periphere Nerven (mit grauen Linien abgetrennte Bereiche).

      So setzt sich das Dermatom C5 beispielsweise aus vier verschiedenen peripheren Nerven zusammen: den Nn. supraclaviculares aus dem Plexus cervicalis, einem Hautnerven des N. axillaris, einem Hautnerven des N. radialis und einem Hautnerven des N. musculocutaneus.

      Ebenso kann ein peripherer Muskel von mehreren Rückenmarksegmenten innerviert werden.

      Makroskopisch erscheint ein Nervenplexus als ein Geflecht und Durcheinander verschiedener Rami ventrales. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen hoch organisierten Austausch von Nervenfasern. Der entscheidende Unterschied von Rami ventrales der Spinalnerven Th1–Th12 zu allen anderen ist demnach folgender: Rami ventrales von Th1–Th12 ziehen direkt als eigenständige Nerven in die Peripherie. Sie transportieren damit die Information nur eines Rückenmarksegmentes. Rami ventrales der zervikalen, lumbalen und sakralen Spinalnerven hingegen tauschen in Nervengeflechten Informationen verschiedener Rückenmarksegmente untereinander aus. Die aus den Nervenplexus hervorgehenden peripheren Nerven führen als Folge der Plexusbildung Informationen mehrerer Rückenmarksegmente. Umgekehrt kann man folgern, dass ein Dermatom und Myotom nun nicht mehr von einem sondern von mehreren peripheren Nerven versorgt wird.

      Wie zu sehen ist, beteiligen sich mindestens vier periphere Nerven an der sensiblen Versorgung des Dermatoms C5: Nervi supraclaviculares, zwei Hautäste aus dem Nervus axillaris und ein Hautast aus dem Nervus musculocutaneus. Im Zuge der Plexusbildung im Hals- und Armbereich haben sie alle einen Teil der sensiblen Information des Rückenmarksegmentes C5 aufgenommen. Andererseits führt ein peripherer Nerv sensible Informationen mehrerer Rückenmarksegmente. Sie teilen sich quasi die Arbeit. Ähnlich verhält es sich mit Myotomen. Der Musculus biceps brachii wird von motorischen Nervenzellen der Segmente C5–C7 aktiviert. Diese werden ihm durch den Nervus musculocutaneus zugeleitet. Auch hier führt ein peripherer Nerv die Information mehrerer Rückenmarksegmente. Der „evolutionäre Vorteil“ einer solchen Plexusbildung liegt auf der Hand: Bei einer traumatischen Durchtrennung eines peripheren Nervens fällt eine Teilfunktion mehrerer Rückenmarksegmente aus, nie aber die gesamte Funktion eines ganzen Rückenmarksegments. In unserem Beispiel würde eine Schädigung des Nervus cutaneus antebrachii medialis nur Teile des Dermatoms C5 lahmlegen, nicht aber das gesamte Dermatom C5. Auf der anderen Seite werden natürlich auch krankhafte Prozesse im Rückenmark „abgepuffert“. Ist ein Rückenmarksegment verletzt (z. B. C5) erhält der Musculus biceps brachii immer noch Signale der beiden anderen Segmente, C6 und C7. Eine Restfunktion ist gesichert, der Wolf kann im Kampf noch immer erlegt und dann verspeist werden.

      Am besten stellt man hier einen Vergleich zum Aktienhandel an: Risikofreudige Händler setzen ihr gesamtes Kapital auf nur eine Aktie. Bei schlechter Kurslage können die Verluste immens sein. Weniger risikofreudige Händler verteilen ihr Kapital auf mehrere verschiedene Aktien. Stürzt eine Aktie ab, halten sich die Gesamtverluste in Grenzen. Ganz ähnlich funktioniert die Plexusbildung.

      Die Lage und der genaue Aufbau der Plexus werden in Lehreinheiten über den Bewegungsapparat abgehandelt. Merken sollte man sich jedoch, welche Nervengeflechte es gibt: Plexus cervicalis, brachialis und lumbosacralis.

      Der Plexus cervicalis ist ein Nervengeflecht, das aus den Rami ventrales der Spinalnerven C1 bis C5 gebildet wird. Er entsendet motorische Äste zur Halsmuskulatur (Musculus sternocleidomastoideus, Musculus trapezius, Musculus levator scapulae, Musculi scaleni, Musculus geniohyoideus), zur infrahyalen Muskulatur sowie zum Zwerchfell (Nervus phrenicus). Seine sensiblen Äste ziehen zum Ohr, zum Hals, zur Haut über dem Schlüsselbein und in Richtung Schulter.

      Der Plexus lumbosacralis ist eine funktionelle Einheit aus zwei Nervengeflechten der unteren Körperregion, die häufig aus didaktischen Gründen getrennt besprochen werden,