Die Chroniken der Wandler. Laura Schmolke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Schmolke
Издательство: Bookwire
Серия: Die Chroniken der Wandler
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741732
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aus dir durchaus eine gute Schwertkämpferin werden.“

      Felicitas zwang sich zu einem Lächeln. „Danke“, brachte sie hervor.

      „Geht jetzt und ruht euch ein wenig aus“, riet Mingan Ailina und Felicitas.

      Felicitas nickte. Sie legte ihren Stecken auf den kleinen Stapel und hielt dann auf die Tür zu. Ihre Klassenkameraden waren alle schon wieder im Schloss.

      In der nächsten Unterrichtsstunde hatten sie Traum. Die Frau, die sich als ihre Lehrerin vorstellte, war ziemlich klein, trug eine Brille mit dicken Rändern und eine viel zu bunte Bluse, die sie fast krankhaft blass wirken ließ.

      „Ach, ist das herrlich, so viele junge Gesichter zu sehen! Erst einmal: Herzlich willkommen an unserer Schule! Mein Name ist Angeni und ich freue mich, euch in dem Fach Traum unterrichten zu dürfen.“ In ihrer Stimme schwang ehrliche Begeisterung mit, wofür sie sich einige schräge Blicke einhandelte.

      „Die ist ja noch schlimmer als Amitola!“, hauchte Jessy kaum hörbar. Es dauerte einige Minuten, bis Angeni jedem der Schüler den richtigen Namen zuordnen konnte, doch schließlich begann sie mit dem Unterricht.

      „Als Erstes möchte ich von euch wissen, was euch zum Thema Träume einfällt.“ Ihr Blick wanderte auffordernd durch die Runde.

      „Träume sind Produktionen des menschlichen Unterbewusstseins“, erklärte Alex im Brustton der Überzeugung.

      Angeni lächelte. „Sicher“, antwortete sie, „aber sie sind mehr als nur das, findet ihr nicht auch?“

      Unwillkürlich musste Felicitas an das Mädchen in dem weißen Kleid denken.

      „Träume sind andere Welten“, flüsterte Ailina auf einmal leise. „Sie sind ein Teil von uns, auch wenn wir keinen Einfluss auf sie haben. In Träumen ... kann man Situationen immer wieder durchleben ... sie zeigen unser wahres Gesicht.“

      „Was meinst du damit?“, wollte Angeni wissen.

      „Ich meine ...“ Ailina schien nach den passenden Worten zu suchen. „Ich meine, dass man erst in Träumen erkennt, was einen wirklich beschäftigt.“

      „Träume haben doch eine Bedeutung, oder nicht?“, fragte Simon. „Auch wenn sie konfus und undurchsichtig sind, wollen sie uns irgendetwas sagen.“

      Angeni nickte langsam. „Träume spiegeln unsere Wünsche wider. Und unsere Ängste. Sie sind sozusagen der wahre Spiegel unserer selbst.“

      „Aber ... wie sollen wir uns auf unsere Träume verlassen, wenn man sie doch manipulieren kann?“, fragte Christiane leise. „Wie kann man sich überhaupt noch auf irgendetwas verlassen?“ Angst verdunkelte ihre grünen Augen. Eine Angst, die plötzlich auf die anderen Schüler überzuspringen schien wie ein Funke, der nur darauf gewartet hatte, endlich entzündet zu werden.

      „Wandler können fremde Gefühle wahrnehmen. Sie können Träume manipulieren und Materie“, sagte July langsam, den Blick starr auf Angeni gerichtet.

      „Das ist richtig“, unterbrach die Lehrerin sie, „aber ihr könnt euch sicher sein, dass wir diese Gaben nie zu eurem und auch nie zum Nachteil der Menschheit einsetzen werden. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zu helfen, ihnen mit unseren Gaben den Weg zu erleuchten, sie zu führen.“

      Sie sah July eindringlich an. „Das tun wir zum Beispiel durch Träume. Normale Träume kommen aus dem eigenen Unterbewusstsein, deswegen vertrauen Menschen ihnen mehr als allem anderen, auch wenn sie das meist nicht merken. Was wir tun, ist: Wir zeigen den Menschen in ihren Träumen Möglichkeiten. Wir führen sie einfach nur, indem wir ihnen neue Wege zeigen. Wege, auf die sie von alleine nie gekommen wären.“

      „Merkt man es, wenn man manipuliert wird?“ Die Frage war laut ausgesprochen, bevor Felicitas sie zurückhalten konnte.

      Nun richtete sich Angenis Blick auf sie. „Anfangs nicht“, erklärte sie, „aber auch das werdet ihr mit der Zeit lernen. Und sei unbesorgt: Enapay hat diese Schule mit einem Bann umgeben, der es anderen Wandlern, die sich nicht innerhalb dieses Bannkreises befinden, unmöglich macht, euch zu manipulieren.“

      Sie lächelte.

      „Gibt es sonst noch irgendwelche Fragen? Nicht? Dann wollen wir mal anfangen ... Um Träume von Menschen oder anderen Wandlern zu manipulieren, müsst ihr es schaffen, eure eigenen Gedanken in den fremden Traum zu übertragen.“

      „Telepathie“, murmelte Ailina leise.

      „In gewisser Weise, ja.“ Angeni nickte. „Dabei müsst ihr darauf achten, dass der Träumende nicht merkt, dass er manipuliert wird, ansonsten verschließt er seinen Geist.“

      „Wie soll man bitte schön seinen Geist verschließen?“, fragte Leo.

      Wieder lächelte Angeni. „Das tust du die ganze Zeit unbewusst. Doch während man träumt, kann man seine Gedanken nicht kontrollieren, man öffnet unbewusst seinen Geist, weswegen es Wandlern auch möglich ist, Träume zu manipulieren.“

      „Ah ja?“ Leo hob die gepiercte Augenbraue.

      Die Lehrerin seufzte. „Ich weiß, dass das alles neu und kompliziert für euch ist. Aber es ist wirklich wichtig, dass ihr so schnell wie möglich lernt, mit euren Gaben umzugehen.“

      „Warum denn?“ Julys blaue Augen blitzten Angeni herausfordernd an. „Wenn die Schule wirklich so gut geschützt ist, wie Sie sagen ...“

      „Es gibt noch eine Welt außerhalb der Schule“, unterbrach Angeni sie.

      „Was Sie nicht sagen!“ Alex' Stimme triefte vor Ironie. „Und ich dachte schon, wir werden für den Rest unseres Lebens hier eingesperrt!“

      „Es ist für euch alle sicherer, wenn ihr hierbleibt, bis ihr mehr über eure Gaben wisst und sie einsetzen könnt.“ Plötzlich hatte auch Angenis Stimme an Schärfe gewonnen. „Denn die Welt, wie ihr sie kanntet, existiert für euch nicht mehr.“

      Einige Augenblicke war es still im Klassenzimmer. Felicitas spürte, dass ihr Atem schnell und unregelmäßig ging, ihr Herz raste, als wäre sie gerade mehrere Kilometer gerannt.

      Denn die Welt, wie ihr sie kanntet, existiert für euch nicht mehr.

      Angenis Worte hallten in Felicitas Kopf wider. Was ging hier vor? Was wurde hier gespielt? Wieder stieg die lähmende Angst in ihr empor, griff mit kalten Fingern nach ihrem Herz.

      „Ich meine damit, dass ihr die Welt nicht mehr mit denselben Augen sehen werdet, wenn ihr diese Schule wieder verlasst“, erklärte Angeni in versöhnlicherem Ton. „Ihr seid Zeugen geworden von ... Magie ... von wundersamen Dingen, die die Vorstellungskraft der Menschen bei Weitem übersteigen. Ihr habt angefangen, Farben zu sehen, wo die Menschen nur Schatten vermuteten. Und ihr habt die Möglichkeit in den Schoß gelegt bekommen, die Welt zu verändern, sie zu verbessern. Glaubt ihr wirklich, ihr könntet jetzt einfach zurückkehren in euer früheres Leben? Glaubt ihr wirklich, ihr würdet die Menschen, ihr würdet die Welt jetzt noch genauso sehen wie früher?“ Angeni schwieg und sah den Schülern nacheinander in die Augen. „Ihr habt die Welt gesehen. Wollt ihr wirklich zurück in die Höhle, ohne auch nur zu versuchen, den Menschen die Wirklichkeit zu zeigen?“

      Felicitas starrte auf den Boden, um dem Blick der Lehrerin nicht begegnen zu müssen. Sie wollte zurück, zu Sandra und zu ihrer Familie, doch ein Teil von ihr wusste auch, dass Angeni recht hatte. Dass sie diese Schule nicht einfach verlassen und weiterleben konnte wie zuvor.

      *

      Das Tokahe-Spiel

      Vielleicht war das, was ich getan habe, falsch. Aber sie muss ihr Schicksal annehmen. Um jeden Preis.

      Nach der Pause stand Energielehre auf dem Stundenplan. Felicitas musterte den groß gewachsenen, braun gebrannten Mann abschätzend, der nun in der Mitte des Klassenzimmers stand und ihnen