Die Chroniken der Wandler. Laura Schmolke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Schmolke
Издательство: Bookwire
Серия: Die Chroniken der Wandler
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741732
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immer einen Stein und eine Taschenlampe mit ins Bett?“, fragte er dann vollkommen ernst.

      „Äh ...“ Hilfe suchend blickte Jessy in die Runde.

      Leo zog die gepiercte Augenbraue hoch. „Um mit dem Stein das Licht auszuwerfen und dann mit der Taschenlampe zu gucken, ob es wirklich aus ist“, verkündete er dann.

      Für einen kurzen Augenblick herrschte Stille und Jessy starrte ihn perplex an. Dann begann sie auf einmal zu lachen.

      Ein wirkliches, befreites, ansteckendes Lachen, nicht mehr das angespannte Kichern.

      Als Nächstes stimmten Alex und Leo mit ein, dann July und schließlich Christiane, Felicitas, Ailina und Simon.

      Felicitas spürte, wie die Spannung von ihr abfiel und einer seltsamen Euphorie wich. Sie wusste, dass es nicht richtig war, wusste, dass das nicht ihr Platz war und dass sie eigentlich einfach nur zurück wollte, doch im Moment war ihr das egal. Sie lachte, bis ihr Tränen in die Augen stiegen und sie kaum noch Luft bekam.

      *

      Das weiße Mädchen

      Als sie am hellsten leuchtete, ging die Sonne unter. Es war kein ehrenvoller Abgang – vielmehr stürzte sie einfach vom Himmel und ich habe zugesehen und noch nicht einmal versucht, sie aufzufangen. Seitdem herrscht ewige Dunkelheit. Aber gerade dann, als ich es am wenigsten erwartete, riss die Wolkendecke auf und offenbarte den Stern. Den einen Stern, der heller leuchtet als alle anderen ringsherum.

      „Felicitas!“

      Der Ruf schien aus weiter Ferne zu kommen. Verwirrt öffnete Felicitas die Augen. Sie lag auf einer Wiese, über ihr der blaue Himmel.

      „Felicitas!“

      Sie richtete sich auf. Ihr Blick streifte die bunten Blumen, den kleinen Bach, den Waldrand, ohne dass sie das alles wirklich wahrnahm. Mit schlafwandlerischer Sicherheit setzte sie einen Fuß vor den anderen, steuerte auf das Ufer des Baches zu. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie den Weg. Er verlief quer über die Wiese, schien ihr zu folgen und war mit kleinen Steinchen ausgelegt. War er vorher auch schon dort gewesen? Sie wusste es nicht. Sie wusste gar nichts. Weder, wie sie hierher gelangt war, noch, was sie hier tat. Doch sie spürte, dass das alles nicht wichtig war.

      „Felicitas!“

      Das kleine Mädchen kniete am Ufer, hatte eine Hand in den Bach getaucht und ließ das klare Wasser durch seine Finger fließen. Es war ganz in Weiß gekleidet und lachte leise. Ein einziger, glockenheller Ton, der die Luft um sie herum in Schwingung versetzte.

      „Wer bist du?“, fragte Felicitas.

      Das Mädchen hatte ihr noch immer den Rücken zugewandt, als es sprach.

      „Ich bin gekommen, um dir den richtigen Weg zu zeigen.“

      „Welchen Weg?“

      „Er wurde dir vorherbestimmt, schon vor endlosen Zeiten. Du weißt das. Er ist deine Bestimmung.“ Die Stimme des Mädchens war leise und melodisch. Es klang fast, als würde es singen. „Wehre dich nicht dagegen.“

      Mit Leichtigkeit sprang es über den kleinen Bach und rannte dann über die Wiese. Von Weitem sah es aus, als würde es schweben.

      „Warte!“, rief Felicitas. Ihre laute Stimme hörte sich rau und falsch an in dieser Umgebung. „Komm zurück!“

      ***

      Sie riss die Augen auf und fuhr hoch. Durch die beiden kleinen Fenster drangen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne, die den kleinen Raum in ein überirdisches, orangefarbenes Licht tauchten. Für wenige Augenblicke wusste Felicitas nicht, wo sie war, dann fiel ihr Blick auf ihre Mitschüler. Sie lagen in den großen, gelben Sitzsäcken und schliefen alle tief und fest. Felicitas beobachtete sie eine Weile.

      Ailinas Kopf war gegen die Wand gesunken und es sah aus, als würde sie jeden Moment seitlich auf den Boden rutschen. Jessy murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, während Christiane leise wimmerte. Felicitas' Blick wanderte weiter und blieb schließlich an Simon hängen. Dem ruhigen, unauffälligen Simon, der jetzt friedlich lächelte. Was war passiert?

      Felicitas erinnerte sich nur noch daran, gelacht zu haben. Gelacht, bis sie keine Luft mehr bekommen und ihr alles wehgetan hatte.

      Plötzlich ging irgendwo im Raum Musik an. Erst war sie leise, dann schwoll die Lautstärke immer mehr an. Felicitas' Mitschüler begannen sich zu regen.

      „Jetzt stell doch mal jemand den verdammten Wecker aus!“, schrie Alex, ließ sich auf den Boden fallen und vergrub den Kopf unter dem Kissen.

      „Wie spät ist es denn?“, murmelte Jessy und blinzelte verschlafen, während July fahrig in ihrer Hosentasche nach dem Handy suchte.

      Als sie es endlich fand, wurde es wieder still im Zimmer. Felicitas sah auf ihre Uhr. „Halb neun“, beantwortete sie Jessys Frage. Sie konnte nicht umhin, hinzuzufügen: „Wusstest du eigentlich, dass du im Schlaf redest?“

      „Jetzt fang nicht wieder damit an, Andy!“, stöhnte Jessy noch halb im Schlaf.

      „Wer ist Andy?“, wollte July wissen und sah Jessy über ihren kleinen Spiegel hinweg neugierig an.

      Jetzt riss Jessy die Augen ganz auf und schaute sich gehetzt um. Dann sank sie zurück in ihr Kissen. „Mein kleiner Bruder“, sagte sie.

      „Wieso müssen Blondinen immer so früh aufstehen?“, fragte Leo. Sogar er klang müde.

      „Weil sie sich noch schminken müssen“, erklärte July, bevor sie aufstand. „Also Leute, wir sehen uns beim Frühstück!“ In der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Nicht wieder einschlafen!“, mahnte sie und warf eine Kusshand in den Raum, bevor sie endgültig aus dem Zimmer rauschte.

      „Weil sie so lange brauchen, um den Weg ins Bad zu finden“, antwortete Leo auf seine eigene Frage.

      Als Felicitas und Ailina sich umgezogen und geduscht hatten, eilten sie durch die verlassenen Gänge und Korridore des Schlosses. Obwohl Felicitas versuchte, den seltsamen Traum aus ihren Gedanken zu verbannen, wollte es ihr nicht gelingen. Immer wieder sah sie das kleine Mädchen vor ihrem geistigen Auge, hörte seine Worte: Ich bin gekommen, um dir den richtigen Weg zu zeigen. Sie fragte sich, was das zu bedeuten hatte, als sie plötzlich wieder an ihr Gespräch mit Meda in der Bibliothek denken musste. Die Alte hatte irgendetwas gesagt von Licht und Schatten und von Onida.

      „Alles okay?“, fragte Ailina auf einmal vorsichtig.

      „Ja!“ Felicitas nickte ein wenig zu heftig. „Was ... was sollte denn nicht okay sein?“ Ailina zuckte nur mit den Schultern. Felicitas spürte, wie ihre Freundin sie von der Seite her prüfend musterte, und war sich sicher, dass Ailina ihr diese Antwort nicht glaubte. Aber sie fragte nicht weiter nach, wofür Felicitas sehr dankbar war.

      Nach dem Essen hatten sie Kampf. Als die Schüler das Klassenzimmer betraten, wartete Mingan bereits. Er schwieg, bis sie ihre Plätze eingenommen hatten, dann nickte er ihnen freundlich zu. „Guten Abend. Ich hoffe, ihr hattet einen angenehmen Schlaf?“

      „Mehr oder weniger“, murmelte Alex.

      „Da wir heute gleich die ersten zwei Stunden haben, dachte ich, wir könnten mit den Grundtechniken im Schwertkampf beginnen.“

      Felicitas unterdrückte ein Stöhnen. Schwertkampf! Ausgerechnet heute! Dabei tat ihr doch alles weh!

      Aber als sie zusammen mit ihren Mitschülern Mingan durch die Korridore des Schlosses folgte, spürte sie doch, wie Aufregung in ihr aufkeimte. Mit den Fingerspitzen fuhr sie an den kalten, rauen Wänden entlang, betrachtete die fremdartigen Symbole und war doch mit ihren Gedanken ganz woanders.

      Wie es sich wohl anfühlte, ein richtiges Schwert in den Händen zu halten? Sie schämte sich für ihre Neugierde, denn der Gedanke, dass sie eigentlich