Waldlichter. A. V. Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. V. Frank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741800
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Babys auffressen, um jung zu bleiben? Was wollen sie dann von uns? Vielleicht sind es auch ganz liebe, nette Elfen ...“

      Es wäre interessant, auf Feen zu treffen ... oder Sidhe ... oder was auch immer. Schlagartig begriff ich, was ich da dachte, was ich so gern glauben wollte, und verbannte die Gedanken umgehend aus meinem Kopf. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg, die Vorstellung von etwas Übernatürlichem spukte weiterhin darin herum.

      Tran schien ebenfalls zu schlafen, ihr Kopf war gegen den Stamm gesunken und sie hatte die Augen zu. Da sich niemand dafür zu interessieren schien, fing ich leise an zu singen. Elton Johns Can You Feel The Love Tonight hatte es mir angetan, seit ich König der Löwen das erste Mal gesehen hatte. Leise trällerte ich vor mich hin und die Musik nahm mich komplett ein, erfüllte mich. Bald vergaßen die Wächter weiterzuspielen, stattdessen starrten sie mich mit beinahe glasigen Augen an, die zwischendurch immer wieder klar und argwöhnisch wurden. Doch dieser Argwohn wich stets einem träumerischen Ausdruck, den ich gleichermaßen in den Gesichtern der Baumbewohner, die sich zu mir heruntergelehnt hatten, wahrnahm. Verwirrt und verängstigt sah ich mich um, als mir einfiel, wie die Menge bei meiner Karaokedarbietung im Pub mitgegangen war, und ich entsetzt den Mund zuklappte.

      Seit wann konnte ich denn so singen? Ich hatte mich im Musikunterricht immer davor gedrückt, und wenn ich es doch machen musste, dann war es nichts Besonderes gewesen. Wieso also konnte ich es jetzt? Vielleicht war es nur Einbildung und es passierte eigentlich gar nichts, dieser Illusion hatte ich mich zumindest nach dem Karaokeabend hingegeben, aber sehr wahrscheinlich war das nun nicht mehr.

      Die Gesichter der Baumbewohner verschwanden wieder hinter den Blättern, aber die Wächter waren noch argwöhnischer geworden und ließen mich ab jetzt gar nicht mehr aus den Augen.

      Tran schlug die Augen auf und sagte bewundernd: „Das war echt schön. Wie kannst du nur so wundervoll singen?“

      Verwundert schaute ich sie an. „Danke, aber ich weiß es ehrlich nicht. Ich dachte, du würdest schlafen. Was hast du denn gemacht?“

      „Ich habe mich etwas ausgeruht, aber ich hab mich nicht getraut, richtig zu schlafen, schließlich könnte ich etwas Wichtiges verpassen. Aber Ana scheint komplett weggetreten zu sein.“

      Ich nickte, grinste und fügte spöttisch hinzu: „Dabei müsste sie eigentlich am längsten durchhalten, schließlich ist sie diejenige, die immer bis zum Morgen feiert.“

      Da murmelte besagte Partytante verschlafen: „Haha. Ich hab noch nie zwei Nächte am Stück gefeiert. Und sagt jetzt bloß nicht, ihr wäret nicht auch müde.“ Sie hob verschlafen den Kopf von meiner Schulter und blinzelte uns an. Ich konnte mich meiner wachsenden Zuneigung ihr gegenüber nicht erwehren.

      „Doch, ich bin echt hundemüde, aber ich kann nicht schlafen. Nicht hier, nicht gefesselt.“ Ich warf Candaro und Conall einen schnellen Blick zu, den sie ungerührt erwiderten. Sie beobachteten mich noch immer aufmerksam.

      Tran wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als zwei Gestalten auf uns zueilten. Zwei junge Männer, die in schicke Hemden und weite Hosen aus Stoff gekleidet waren, schienen es eilig zu haben, denn der eine joggte regelrecht. Ihre braunen, kurzen Haare wippten im Takt ihrer Schritte, verdeckten allerdings die runden Ohren nicht. Nicht spitz, nicht außergewöhnlich, ganz normale Ohren.

      Der eine blieb vor uns stehen und begrüßte uns knapp mit einem seltsamen Akzent. Der andere redete in einer fremden Sprache mit Candaro und Conall, die nickten und ihr Spiel endgültig wegpackten. Der, der uns begrüßt hatte, stellte sich als Tyr vor. Er betrieb etwas Konversation mit uns, was uns sehr angenehm war, starrte aber zumeist Ana an, was diese wohl noch als viel angenehmer empfand.

      Wieso standen immer alle Kerle auf sie? Nur weil sie blond war?

      In gewisser Weise war es mir allerdings ganz recht, so konnte ich nicht in Verlegenheit oder ins Rampenlicht geraten, dabei stellte ich mich nämlich immer töricht an.

      Der andere, Morin, wie Tyr uns informierte, rief laut etwas in der fremden Sprache und schon bald kamen von überallher Baumbewohner, wie ich sie getauft hatte, herbei und versammelten sich um uns herum. Unsere Wächter, die nun einen Punkt über unseren Köpfen fixierten, richteten sich auf. Automatisch reckten auch wir uns in die Höhe, doch ich bemerkte, dass Ana ihren Blick unruhig umherschweifen ließ und Tran ganz leicht zitterte. Ich spürte, wie meine Handflächen feucht wurden und sich mein Puls beschleunigte. Was hatten die vor? Was bedeutete diese Versammlung? Hatte das etwas mit uns zu tun? Ich hatte ein wirklich ungutes Gefühl.

      Da begann Morin zu sprechen. „Ich habe euch zusammengerufen, um zu entscheiden, was mit diesen Verräterinnen passieren soll. Sie haben unsere Göttinnen beleidigt, als sie deren Namen in ihre Münder nahmen, und sind unerlaubt in unser Reich eingedrungen. Was sollen wir also mit ihnen tun? Da Nicja, Conàed, Cobruna und Rijon noch nicht zurück sind, liegt es bei mir, über sie zu entscheiden. Wir müssen darüber beratschlagen, ob wir sie ihrer Erinnerungen berauben oder sie verschwinden lassen. Letztere Maßnahme hätte zur Folge, dass die Menschen in unserem Wald herumtrampeln und sie suchen. Also, was denkt ihr, was wir mit ihnen machen sollen?“

      Es blieb still, zumindest eine halbe Minute lang, dann trat ein sehr muskulöser Mann vor und sprach mit bedächtiger Stimme: „Ich denke, wir müssen uns noch nicht entscheiden. Sie sagen, sie hätten Briefe bekommen und darin die Namen der Göttinnen gelesen, deshalb seien sie gekommen. Lasst uns doch warten, bis Nicja wiederkommt. Sie soll entscheiden.“

      Ich sah einige der Anwesenden nicken und wollte schon aufatmen, aber Morin schüttelte entschieden den Kopf. „Wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis sie zurück ist, und je länger wir die drei hierbehalten, desto schwerer wird es, die erste Maßnahme erfolgreich zu vollziehen. Außerdem wissen wir nicht, ob sie vielleicht in Verbindung zu jenen stehen, für die sie spionieren. Doch sicher ist, dass sie uns gefährlich werden können, je länger wir sie hierbehalten.“

      Die Blicke unserer Wächter richteten sich auf mich. Na super!

      In diesem Moment glaubte ich, durch das bisschen Gesang alles verdorben zu haben. Ich befürchtete, wir könnten uns gleich entweder an nichts mehr erinnern oder würden sogar sterben. Da bröckelte etwas in mir, ein Teil meiner selbst verschwand komplett und ich sagte mit leiser, durchdringender Stimme: „Wir wurden von euren Göttinnen geschickt, weil sie meinten, ihr hättet Hilfe nötig und wir könnten euch diese gewähren. Auch wenn wir nicht wussten, was eine Toúta ist, was wir tun können, um zu helfen, haben wir uns weggeschlichen und sind in tiefster Nacht in den Wald gegangen, lediglich aufgrund solch merkwürdiger Rätsel. Um zu helfen. Und wie wird es uns gedankt? Wir werden gefesselt, festgehalten und als Verräterinnen beschimpft. Uns wird mit Gedächtnisverlust oder sogar dem Tod gedroht, weil wir helfen wollten. Wir sind komplett unwissend! Ist dies das Werk eurer Göttinnen? Wenn ja, dann können sie mich mal.“

      Der letzte Satz war wohl nicht sehr schlau gewesen, das bestätigten mir allein die entgeisterten Blicke meiner Gefährtinnen, aber ich war zu wütend, zu müde und zu frustriert. Ich ließ meine Augen über die Menge wandern und war erfreut, mehrere zweifelnde Mienen zu entdecken.

      Morin jedoch hatte sich nicht beeindrucken lassen, er deutete auf mich und sprach in überheblichem Ton weiter. „Dies sind die Worte einer wahren Spionin. Einer gefährlichen, kaltblütigen Spionin noch dazu. Doch nun hat sie ihre Wut auf uns offen gezeigt. An ihrer Schuld besteht kein Zweifel mehr, das haben ihre Worte, diese wohldurchdachten Ausreden, bestätigt. Sie sollte ohne jeden Zweifel Nykra übergeben werden. Sie muss sterben.“

      Das Ende seiner Rede erreichte mich nicht. Viel zu sehr wunderte ich mich darüber, wie alles, was ich gesagt hatte, gegen mich verwendet wurde. Mussten sie mir nicht vorher meine Rechte vorlesen oder so etwas? Ich sollte gefährlich sein? Ich kannte nicht einmal den Vorgang bei einer Festnahme und der Kerl hielt mich wirklich für gefährlich? Er musste verrückt sein, komplett verrückt. Es fiel mir ja schon schwer, jeden Morgen an alles zu denken, was ich in meine Tasche packen musste. Oder mich gegen meine Eltern zu behaupten. Mich bei Pan zu etablieren. Oder über meine Schwester zu reden. Wie sollte ich da bitte gefährlich sein?

      Plötzlich