Waldlichter. A. V. Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. V. Frank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741800
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wette, da gibt es nicht einmal fließendes Wasser. Sind wir im alten Rom? Wie kann man das nur toll finden? Ich hatte nicht vor, eine Zeitreise ins Mittelalter zu machen.“

      Nun bildete ich mir den erbosten Blick der Wächter sicher nicht ein, sie funkelten Ana aufgebracht an. Ich trat ihr gegen das Schienbein und schüttelte verstohlen den Kopf. Darüber, dass die reicheren Römer selbst damals schon fließendes Wasser gehabt hatten, sagte ich nichts, ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen. Sie verdrehte zwar theatralisch die Augen, hielt aber den Mund.

      Ich war mir nicht sicher, wie lange wir so dastanden und unsere Umgebung beobachteten. Die Dunkelheit, die nur von vereinzelten Laternen durchbrochen wurde, zerstörte mein Zeitgefühl komplett. Ab und an sahen wir die Bewohner dieses Ortes, doch sie huschten im Schutz der Bäume vorbei, alle darauf bedacht, sich nicht sehen zu lassen. Es schienen ziemlich viele zu sein, sehr viel mehr, als ich gedacht hatte. Das wurde mir klar, als ich weitere Häuser entdeckte.

      „Das muss ein richtiges Dorf sein. So viele Baumhäuser!“, raunte ich meinen Gefährtinnen zu, die als Antwort nickten, Tran verzaubert, Ana genervt. Es schien ihr nicht zu gefallen, im Dunkeln an einem baumverseuchten Plätzchen ohne Spiegel und Fußbodenheizung festgehalten zu werden. Im Gegensatz zu ihr fand ich es inzwischen sogar recht aufregend.

      Doch als die Sonne endlich aufging, war ich schon nicht mehr an der Umgebung interessiert. Ana war eingeschlafen und Tran betrieb einseitige Konversation mit unseren Bewachern. Auch mir wurden die Lider schwer und ich suchte nach etwas Neuem, das ich betrachten konnte. Da bemerkte ich einen Anwohner, der soeben eine Treppe hinunterlief, sich dann, auf dem Boden angekommen, krümmte und langsam in einen Hasen verwandelte. Auch wenn sich das schräg anhörte, genau so war es.

      Ungläubig schaute ich zu, wie der Körper schrumpfte und sich Fell darauf ausbreitete, wie die Gestalt auf alle viere fiel, sich die Ohren verlängerten und der Fremde schließlich als Hase in den Wald hoppelte. Ungläubig blinzelte ich ein paarmal, doch der Hase verschwand nicht, ich war eindeutig wach und gerade wirklich und wahrhaftig Zeuge einer Verwandlung in Tiergestalt geworden.

      Völlig verblüfft und sprachlos schüttelte ich den Kopf. Ich hatte es mir bloß eingebildet, da war ich mir sicher. So etwas war komplett unmöglich, die Verwandlung eines Menschen in ein Tier war nur ein Hirngespinst meines übermüdeten Bewusstseins. Aber trotz meines Bemühens, mir ebendies einzureden, konnte ich mich einfach nicht davon abhalten, erneut zu dem Baum hinüberzuschielen.

      Kein Hase, rein gar nichts. Nur Einbildung.

      Ich stieß einen langen Seufzer aus und sah wieder zu der schlafenden Ana. Da wir sehr dicht aneinander festgebunden worden waren, gelang es mir mit ein paar Verrenkungen meiner Hand, ihren Arm zu fassen und sie zu zwicken.

      Mit einem empörten Aufschrei wachte sie auf und rieb sich den Arm. „Was soll das? Geht’s dir noch gut? Also echt, wie kommst du auf die verblödete Idee, mir in den Arm zu kneifen? Äh, ihr Wachen? Bindet sie bitte am anderen Ende des Baums fest, weit entfernt von mir! Ich will schlafen, ohne misshandelt zu werden.“

      Ich prustete los. So wie sie sich aufführte, erinnerte sie mich an ein kleines, verwöhntes Mädchen, dem mitgeteilt worden war, dass es keine Prinzessin sei. Doch andererseits mochte ich Ana in diesem Moment total, denn sie war endlich einmal natürlich und trug keine Maske zur Schau. Okay, zugegeben, sie hatte auch keine Zeit dazu gehabt, eine aufzusetzen.

      Ich konnte mich dennoch nicht beherrschen, lachte immer weiter und lauter, ein eindeutiges Indiz dafür, wie fertig ich mit den Nerven war. Als ich mich schließlich etwas beruhigt hatte, brachte ich atemlos heraus: „Ich wollte dich nur wecken, damit du uns später nicht die Ohren volljammerst, dein Nacken tue weh.“

      Wenn Blicke zu töten vermocht hätten, dann hätte ich endlich aufgehört, derart belustigt zu sein, aber leider konnten sie es nicht. Das schien auch Ana eingesehen zu haben, denn sie wandte ihren Blick ab.

      Tran redete immer noch mit den Wachen, die inzwischen schon ziemlich genervt zu sein schienen. Ich betrachtete sie und fragte mich, was sie mit ihrem Geplapper bezweckte. Ana, die sie ebenfalls verwirrt gemustert hatte, verlor das Interesse an ihr und summte lieber irgendetwas von Rihanna vor sich hin, während ich weiterhin Transca beobachtete. Meine Aufmerksamkeit wurde plötzlich von etwas weitaus Interessanterem als ihrem Gesicht angezogen. Tran fummelte an den Knoten, die ihre Hände zusammenbanden, herum, sie schien eine Hand bereits befreit zu haben. Nun endlich verstand ich, was sie da machte. Sie lenkte die Wächter ab, um sich in Ruhe entfesseln zu können. Ich war ziemlich stolz auf meine Entdeckung, bis ich bemerkte, dass Ana das Gleiche versuchte.

      Mal wieder war ich die Letzte, die kapierte. Typisch.

      Mir fiel ein Gedicht ein, das ich mal in der Schule hatte lernen müssen, und begann, es zu rezitieren. Infolgedessen traf mich nun ebenfalls der genervte Blick eines Wächters, dann wandte er die Augen wieder ab und ich begann, meine Hände zu drehen und zu biegen, um an den Knoten heranzukommen.

      Ich war noch nicht sehr weit gekommen, als Tran aufhörte zu brabbeln. Verwirrt hielt ich inne und musterte sie. Sie starrte mit leerem Blick nach vorne, doch schien dabei nichts zu sehen. Zumindest nicht ihre Umgebung. Ganz leise, sodass es niemand verstehen konnte, murmelte sie vor sich hin. Wenigstens dachte ich, dass niemand es verstehen konnte, bis ich bemerkte, wie die Wächter jeweils ihren Kopf hoben und ihn leicht zur Seite neigten. Wie eine Katze, die ortete, woher ein bestimmtes Geräusch kam. Konnte es etwa sein, dass sie Tran verstanden?

      Kurz schob sich mein anfänglicher, unglaublicher Verdacht wieder in meine Gedanken, bis ich ihn rüde daraus verbannte. Es gab keinen Grund für eine solche Annahme.

      Das Murmeln verstummte und Tran blinzelte ein paarmal. Dann fragte sie laut, wo sie stehen geblieben war, und fuhr in ihrem Selbstgespräch fort, während die Sonne im Westen versank.

      Die nächsten Stunden waren furchtbar langweilig, denn wir hatten es aufgegeben, die Knoten lösen zu wollen. Tran hatte zwar eine Hand befreit, aber als sie an einem Ende gezogen hatte, die Hand noch immer in der Schlaufe, hatte sich die Fessel wieder geschlossen. Völlig verärgert und erschöpft bat sie die Wächter daraufhin, sie so anzubinden, dass sie sich setzen konnte. Sie stimmten zu, uns eine Viertelstunde die Möglichkeit zu geben, uns zu setzen, waren sogar bereit, uns ein paar Schritte gehen zu lassen.

      Wir saßen also eine Weile auf dem kalten Waldboden und konnten etwas herumlaufen, ansonsten standen wir nebeneinander, unterhielten uns und starrten in die Dunkelheit. Einen ganzen Tag waren wir bereits gefesselt, hatten nur zur Mittagszeit jeweils einen Apfel bekommen und uns die Zeit mit dem unsinnigen Versuch freizukommen vertrieben. Ich wusste mir nicht mehr zu helfen, so langweilig war mir, dass ich unsere Wächter nach ihren Namen und den Regeln ihres Spieles fragte. Sie schauten sich eine Sekunde lang fragend an und stellten sich dann als Candaro und Conall vor. Ihr Spiel hingegen erklärten sie mir nicht.

      Also grübelte ich über die seltsamen Namen nach, bis ein Kopf auf meiner Schulter landete. Ana war wieder eingeschlafen und hatte mich als Kissen ausgesucht. Auch meine Lider waren schwer, also legte ich meinen Kopf auf ihren und schloss ebenfalls die Augen. Aber obwohl ich völlig erschöpft war, konnte ich nicht einschlafen. Mit geschlossenen Augen klangen die Geräusche des Waldes noch viel intensiver, viel näher.

      Als es im Unterholz laut knackte und ich zusammenzuckte, kapitulierte ich und machte die Augen wieder auf. Staunend blickte ich mich um, denn überall in den Bäumen funkelten wieder die Laternen in allen möglichen Farben des Regenbogens. Durch das Licht wurde alles in einen magischen Schein getaucht und in meinem übermüdeten Zustand konnte ich die fantastischen, wunderbaren und seltsamen Gedanken nicht mehr zurückhalten, die auf mich einstürmten.

      „Das sind ganz sicher Feen oder Kobolde, Elfen oder sonst etwas Übernatürliches! Hier in Irland sind die Sagen über die sogenannten Sidhe ja weit verbreitet, vielleicht sind das tatsächlich welche. Vielleicht haben sie uns diese Post zukommen lassen, um uns in ihr Reich zu locken und Wechselbälger an unserer statt einzusetzen. Ob es wohl auch Zwerge gibt? Oder vielleicht Kobolde, das würde auch den Namen des Pubs in Grettersane erklären. Aber es muss solche übernatürlichen Wesen geben, ich meine, die spitzen Ohren, das Leben