Kugelwechsel. Rudolf Trink. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Trink
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Rumpler Rosamunde-Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741725
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als Rumpler erwartet hatte.

      „Vielen Dank, Sonja. Jetzt sollten wir noch mögliche Muster erkennen können.“

      „Welche Muster?“

      „Es sollten die Telefonate weggefiltert werden, die beispielsweise täglich zu einer bestimmten Zeit oder in einem bestimmten Zeitfenster geführt worden sind.“

      „Okay, dann schlag ich vor, wir beginnen mit den Tagesroutinen.“ Wieder gab sie einige Befehle in den Computer ein.

      „Rechenhexe“, dachte Rumpler.

      Sie wies auf den Bildschirm. „Hier sind die täglich wiederkehrenden Muster. Beispielsweise gibt es für die im Tresor tätigen Mitarbeiter, die sogenannten Sperrführer wie Karl oder auf unserer Liste auch Schnirch, das Erfordernis, zu Arbeitsbeginn den Alarm im Tresorraum durch ein Telefonat aus- und am Abend durch ein Telefonat mit dem Sicherheitsdienst wieder einschalten zu lassen. Weiter unten sind die Wochenroutinen, beispielsweise die Abstimmtelefonate zu wöchentlichen Treffen.“

      „Gut. Könnten Sie jetzt diese Routinetelefonate wegfiltern und vom Rest nur die internen Gespräche nach weiteren Mustern untersuchen?“, bat Rumpler die junge Frau.

      „Das sollte kein Problem sein. Ich hab hier die Telefonate erfasst, die im letzten Jahr einmal täglich oder einmal pro Woche stattgefunden haben, wobei ich für Urlaub und Krankheit gewisse Abweichungen erlaubt hab. Diese Telefonate lösche ich jetzt aus der Liste. Für die restlichen Gespräche muss ich die Kriterien für das Herausfinden von Auffälligkeiten noch definieren. Ich kann jetzt zum Beispiel die letzten drei und sechs Monate und die letzten ein bis vier Wochen durchlaufen und sie auf solche möglichen Auffälligkeiten wie etwa ungewöhnliche Länge oder Häufigkeit überprüfen.“

      „Bestens, vielen Dank.“

      Rumpler nahm einen Schluck Wein, Rosamunde schnurrte, Sonja schrieb. Dann kam die Auswertung aus dem Drucker. Sie war noch immer ziemlich umfangreich. Rumpler blätterte sie kurz durch, und ohne zu verstehen, warum, wusste er sofort, dass sie etwas Relevantes enthielt.

      „Vielen Dank, Sonja. Sie haben mir sehr geholfen.“ Er beschloss, die Liste später nochmals genau durchzugehen.

      Sonja blickte kurz auf.

      „Sie weiß genau, dass ich etwas Wesentliches gesehen habe“, dachte Rumpler, ohne dass er selbst begriff, um was es sich handelte.

      Sonja ließ den Wein in ihrem Glas kreisen, und als sie sagte: „Sie müssen mir nichts erklären. Ich respektiere Ihr Schweigen“, wurde sie Rumpler fast ein wenig unheimlich und er wechselte rasch das Thema.

      „Sonja, ich komm mit den gesundheitlichen Sorgen als Motiv für Karls Selbstmord nicht ganz klar. Kennen Sie vielleicht jemanden in der Firma, mit dem Karl näher in Kontakt war?“

      „Ich glaub, Karl hat sich gelegentlich mit einem Kollegen vom Wachdienst unterhalten, einem Herrn Wegener. Den könnt ich fragen. Ohne dass es zu sehr auffällt“, ergänzte sie rasch, als Rumpler schon zu einer Warnung ansetzte.

      „Eine veritable Hexe“, dachte Rumpler.

      Rosamunde wechselte von Sonjas Schoß auf ihren Orchideenplatz. Sonja nutzte die Gelegenheit, verabschiedete sich und ging.

      o

      6.

      Zwei Tage später rief sie ihn an. „Hallo, Herr Rumpler. Ich hab was für Sie.“

      „Wann können wir uns treffen?“

      „Heute Abend – am besten wohl wieder bei Ihnen“, schlug Sonja vor.

      „Passt Ihnen acht Uhr?“

      „Ja, das geht sehr gut.“

      „Wollen Sie eine Kleinigkeit essen?“

      „Gern.“

      „Bis später.“

      Speziell wenn es ums Kochen ging, war Rumpler dem Schicksal dankbar, das ihm vor einigen Jahren eine durchaus erwähnenswerte Erbschaft seitens eines Onkels mütterlicherseits, den er kaum gekannt hatte, bescherte. Das hatte seine finanzielle Unabhängigkeit großzügig abgesichert und es ihm unter anderem zu seiner Freude ermöglicht, seine ziemlich große Küche mit neuen Möbeln auszustatten und auch technisch auf den neuesten Stand zu bringen. Auf eine Mikrowelle hatte er dabei allerdings aus Prinzip verzichtet, wie er bei jeder Gelegenheit betonte. Rumpler hasste Mikrowellen, obwohl sie unbestritten praktische Geräte waren. Sie waren ihm zutiefst zuwider.

      Rumpler hatte bis zum Treffen mit Sonja noch einige Stunden Zeit. Er beschloss, ein Hühnchen mit mediterranen Zutaten zu machen, das sich frisch, aber auch kalt sehr gut essen ließ, falls etwas übrig bleiben sollte. Sein Fleischhauer gab ihm die gewünschten Teile – zu Rumplers Freude waren gerade frische steirische Freilandhühner eingetroffen. Ohne zu fragen, packte der Fleischhauer, der mit den Jahren über Rosamundes Vorlieben bestens informiert worden war, mit den Worten „Geht aufs Haus“ neben Rumplers Bestellung auch ein kleines Stück Kalbsleber ein. Rumpler bedankte sich in seinem und Rosamundes Namen, holte im Supermarkt Kapern, Oliven, zwei unbehandelte Zitronen, einen Bund Jungzwiebeln und zwei Baguettes und kehrte nach Hause zurück.

      Nachdem Rosamunde ihn dank der mitgebrachten Leber ausgesprochen freundlich empfangen hatte, durfte er sich ans Kochen, zuerst natürlich der Leber und dann erst des Hühnchens, machen. Er hatte immer schon gerne gekocht, schon als Kind hatte er seinem Vater beim Kochen zugeschaut und auch oft geholfen. Die Hühnerteile briet er in Olivenöl mit einem großen Löffel Butter an und bestrich sie anschließend mit einer Marinade aus Dattelsirup, einem Geschenk Sabines, das Rumpler sofort wieder an Karl denken ließ, Olivenöl und zerstoßenem Chili. Dann füllte er die Hühnerteile samt Oliven und Kapern in eine feuerfeste Form und gab noch etwas frisches Olivenöl, einen Schuss Weißwein und die grob geschnittenen Jungzwiebeln dazu. Als er zuletzt reichlich Zitronenschale darüber rieb, erinnerte ihn ihr Duft so stark an Italien, dass er sich auf der Stelle einen kleinen Espresso machen musste in der Qualität, die von den Einheimischen „un signor caffè“ genannt wurde. Als Wein wählte Rumpler einen leichten Morillon, den er im Vorjahr von einem herbstlichen Ausflug in die Südsteiermark mitgebracht hatte. Bei den derzeit vorherrschenden winterlichen Verhältnissen konnte es nicht falsch sein, den Glauben an das Frühjahr mit so einem Wein am Leben zu erhalten.

      Wie schon beim ersten Mal kam Sonja extrem pünktlich. Sie war ganz in Schwarz gekleidet mit Ausnahme eines leuchtend blauen Schals. „Das riecht ja fantastisch“, sagte sie statt einer Begrüßung und ließ sich von ihrem Geruchssinn gleich in die Küche leiten, wo sie Rumplers Hühnchen im Rohr schmurgeln sah und es gehörig bewunderte.

      Rumpler freute sich. „Bis zum Essen dauert’s noch etwa eine Dreiviertelstunde. Wollen Sie vielleicht inzwischen einen Kaffee?“

      „Sehr gerne. Bitte schwarz, kurz, keine Milch und keinen Zucker.“

      „Genau wie ich“, dachte Rumpler, der froh war, dass er auch spätabends noch Kaffee trinken konnte, ohne Probleme mit dem Einschlafen zu bekommen.

      Er brachte zwei Espressi und einen Krug Wasser und setzte sich auf einen seiner beiden dunkelbraunen, mit dickem Leder bezogenen, bereits etwas abgeschabten Fauteuils. Auf den Armlehnen war die eine oder andere leichte Perforierung zu sehen, die dem Wirken Rosamundes zuzurechnen war.

      „Danke, dass Sie gekommen sind, Sonja. Was haben Sie herausgefunden?“, begann Rumpler das Gespräch.

      „Das gesundheitliche Motiv für den Selbstmord Karls war nur vorgeschoben. In Wirklichkeit war der Grund eine Veruntreuung von Gold“, kam Sonja direkt zum Punkt.

      „Karl soll Gold veruntreut haben?“

      „Ja.“

      Rumpler schwieg.

      Sabines „Das war nicht er“ tauchte wieder in ihm auf, noch stärker als vorher, aber das behielt er für sich.