Konrad P. Liessmann. Marion Fugléwicz-Bren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Fugléwicz-Bren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783907126387
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Jetzt aber zu einer Erfahrung, die für mich neu und aufregend ist: Wie denkt ein Denker, wenn er über Neues nachdenkt?

      Liessmann legt die Stirn in Falten, schüttet einen Schluck Wasser aus der Glaskaraffe in sein elegantes schlankes Wasserglas und lehnt sich im Sofa etwas zurück.

      «Was aber rein philosophisch an der Digitalisierung äußerst interessant ist, finde ich,» er macht eine kleine Pause, um den Gedanken auszuformulieren, «ist auf der einen Seite etwas, was unserer Zeit ja eigentlich völlig unangemessen ist: Nämlich eine Immaterialisierung. Die Dinge werden immateriell. Darüber haben wir noch viel zu wenig nachgedacht. Das heißt, wir haben es nicht mehr mit sinnlich erfassbaren Objekten und Realitäten zu tun, sondern mit immateriellen Datensätzen.»

      Die Ausführungen gehen weiter, und es ist ein bisschen, als würde man Zeuge, während ein Erfinder ein neues Werkzeug entwickelt.

      Bleiben wir zum Beispiel beim Buch, spinnt der Erfinder weiter: Ein Buch hat Farbe, Form, Schwere, Duft … dasselbe Buch als Datei hat nichts davon, es ist reduziert auf die reine Information, die reine Idee. Man könne da philosophisch von einem neuen Idealismus sprechen, in den wir eingetreten sind. Das verschafft uns einerseits unglaublich viele neue Möglichkeiten, Informationen sind leichter zu verarbeiten, man kann leichter darauf zugreifen, vor allem sind die Objekte rein physikalisch nicht schwer.

      Er habe auf seinem iPhone die Werke aller großen Autoren, die ihm wichtig sind, und die wiegen ein paar Gramm, dieselben Werke in seiner Bibliothek dagegen sind Hunderte von Kilos schwer.

      «Das bedeutet, Digitalisierung macht Dinge leicht, in einem doppelten Wortsinn: Einmal ganz handfest physikalisch, all das wiegt nichts mehr und wird dadurch auch als Gegenstand, der einem gegenübersteht, nicht mehr wahrgenommen, sondern ist eine immaterielle Kategorie, die ich übrigens gerade in diesem Moment erstmalig entwickelt habe – Sie machen also gerade innovative Philosophie in diesem Buch – der Erfinder lächelt beinahe zufrieden –, andererseits wird es dadurch leicht, dass die Zugangs- und Verfügungsmöglichkeiten nahezu ins Unendliche gesteigert werden, was bedeutet, dass wir uns diesen Dingen gegenüber sehr souverän fühlen, was sehr schön ist und was ich auch sehr genieße.»

      Aber wir vergessen leicht die andere Seite dieses Effekts, meint er, nämlich dass durch diese universelle Zugänglichkeit die Dinge, die keine Dinge mehr sind, sondern eben immateriell – total entwertet werden.

      Nichts bedeutet mehr etwas. Weil alles in einer solchen Vielheit vorhanden ist, dass wir Strategien entwickeln müssen, um diese immateriellen Werte mit großem Aufwand in einen Status zu versetzen, der den Dingen wieder Bedeutung gibt. Und das sei nicht einfach.

      «Wenn Sie meine Bibliothek hier anschauen, dann sehen Sie mein Leben: Jedes dieser Bücher hat eine Geschichte (die Augen des Erfinders strahlen jetzt plötzlich in einem intensiven Blauton, die Lippen lächeln), ich kann bei fast jedem einzelnen sagen, wann und wo ich es gekauft habe, warum ich es gekauft habe, und wenn ich es gelesen habe, wann das war. Zahlreiche Bücher, die hier stehen, habe ich noch nicht gelesen (wohl weil dem verbeamteten Akademiker die «freie» Zeit fehlt, denke ich). Aber das ist ja auch Teil meiner geistigen und moralischen Biographie. Denn diese Bücher geben auch Aufschluss darüber, was mich wann interessiert hat. Welche Fragen und Überzeugungen ich geteilt oder in Frage gestellt habe.»

      (Mein Blick fällt auf eine der raumfüllenden Bücherwände, und ich lese Musil, Marx, Mann, Hesse; schöne gebundene Gesamtausgaben und Prachtbände neben unzähligen zerlesenen Taschenbüchern – viele Titel sind mir gleich vertraut, nicht wenige von ihnen stehen auch in meinen Regalen.)

      Die Bücher geben Auskunft über gewisse Lebensanstrengungen, erinnert sich der Vielleser mit Nachdruck, nämlich zu sparen; die Adorno-Gesamtausgabe, die dort oben steht, hat damals seine finanziellen Verhältnisse fast gesprengt; als Student mehrere Tausend Schilling auszugeben, hatte für ihn bedeutet, sich andere Dinge zu versagen. Auf manche Bücher, die hier stehen, ist er stolz, andere würde jemand anders vielleicht verkaufen oder auf den Dachboden räumen, meint er, aber nicht er, denn «sie alle sind Teil meiner Biographie. Die Marx-Ausgabe, die hier steht, habe ich mir im Zuge von fünf Budapest-Reisen gekauft und dabei die Einzelbände in Reisetaschen nach Wien transportiert.

      Das ist Lebensgeschichte, damit verbinden sich Erinnerungen, das sind Objekte. Und das ist eine Auswahl, die das Leben geschrieben hat. Das ist eine begrenzte Auswahl von Büchern, diese 12 000 Bücher, die ich hier habe …»

      Wie bitte? Jetzt muss ich mich bestimmt verhört haben und frage nochmal nach: Wie viele Bücher haben Sie?

      Zwölftausend. Ja. (Er spricht weiter, als wäre das völlig

      alltäglich.) Es ist eine begrenzte Anzahl von Büchern, sagt er.

      In der digitalen Welt habe er hingegen Zugriff auf Millionen von Büchern. Jederzeit. Von jedem Ort der Welt. Er kann alles

      lesen.

      »Über je mehr Dinge

      ich verfügen kann, desto wertloser werden sie eigentlich.«

      Aber keines von all diesen Büchern, die ihm digital zur Verfügung stehen, verbindet irgendetwas mit seiner Person, seinen Vorlieben: «Ich muss diese Geschichte erst herstellen. Ich muss mir das Buch herunterladen, auf einem E-Reader speichern und muss mir selber sagen: Das ist ein wichtiges, einzigartiges Buch. Es wird aber nicht so gelingen wie in dieser physischen Bibliothek. Gerade bei den Dingen, die mir wirklich wichtig sind – Literatur, Philosophie, Musik –, erfahre ich diese Ambivalenz der Digitalisierung wirklich besonders intensiv. Weil es mit meinem Leben verbunden ist.»

      Seine Schallplatten- und CD-Sammlung sei freilich genauso ein Ausdruck des Wandels seiner musikalischen Vorlieben. Er wechselt die Perspektive. Seine Augen schweifen, wie auch meine, über die Musikecke seines Wohnraumes, die mich – rein äußerlich – ein bisschen an die Musikgeschäfte meiner Jugend erinnert, nur wesentlich gepflegter und

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