Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar. Markus Dietrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Markus Dietrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783961859962
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und folgten ihrer Meisterin Eileen.

      Sue blickte der Gruppe noch kurz hinterher, verdrehte die Augen, öffnete dann ihren Schrank und fand in dem Chaos das gesuchte schwarze Paket. Ihre Mission konnte beginnen und würde hoffentlich ihr Leben verändern. Zumindest heute.

      Dad-Mobil

      Christoph Hartmann, Sues Vater, wartete schon ungeduldig im alten VW-Bus vor der Schule. Als er Sue kommen sah, zeigte er auf seine Uhr. Ja, ihr Vater besaß noch eine altmodische Arm­band­uhr. Dann hupte er auch noch, als würde das jetzt irgendeinen Unterschied machen oder die Zeit beschleunigen.

      Sue öffnete die knarzende Autotür. Der Rost hatte schon die Scharniere angegriffen. Papa hatte zwar versprochen, sich um ein neues Auto zu kümmern, aber Geld war im Hause Hartmann Mangelware. Irgendwie hing sein Herz an dieser alten Schrottlaube mit der er, diese Geschichte wiederholte er immer, wenn Sue es wagte, seinen geliebten Bus zu kritisieren, schon mit Mama um die halbe Welt gefahren war.

      »Ich habe unsere Zielperson lokalisiert. Die Mission kann beginnen«, raunte Christoph seiner Tochter mit übertrieben mysteriöser Stimme zu, während Sue erst einmal den großen Kontrabass, der den halben Bus versperrte, beiseiteschieben musste, um überhaupt einsteigen zu können.

      Ihr Vater liebte Rollenspiele. Sue im Prinzip auch. Aber ihr Vater vergaß dabei leider, dass Sue nicht mehr acht war. Und mit zwölf war es eben nicht mehr cool, wenn der eigene Vater mit so einer Rostkarre vor der Schule stand und so tat, als wäre er ein Geheimagent.

      »Hast du das Paket?«

      Sue nickte. Sie hielt es doch offensichtlich in den Händen und nach dem Aufeinandertreffen mit Eileen hatte Sue nicht wirklich Lust, das Spiel ihres Vaters mitzuspielen.

      »Schlechte Laune?«, fragte der.

      Sue nickte erneut und zeigte zu Eileen und ihrer Clique hinüber, die gerade kichernd das Schulgebäude verließen.

      »Na sieh einer an. Evil Eileen. Aber wir haben etwas, dass sie nicht hat …« Er machte eine lange Pause, und Sue wusste nur zu gut, was jetzt kam.

      »… ein Dad-Mobil.« Christoph grinste und streichelte sein Lenk­rad.

      »Papa, ich glaube, wir sollten …« Aber es war schon zu spät. Mit einer erhobenen Augenbraue drehte Christoph den Schlüssel seines Dad-Mobils und es passierte genau das, was Sue befürchtet hatte. Der Bus stotterte, spuckte eine große schwarze Rußwolke aus, machte einen leichten Satz nach vorn und erstarb kläglich. Sue rutschte tiefer in ihren Sitz.

      »Vielleicht sollte ich einen Tarnmechanismus installieren«, sagte ihr Vater.

      Ja. Vielleicht solltest du genau das tun, dachte Sue. Denn in diesem Moment liefen Eileen und die Mädchen lachend am Bus vorbei und stiegen in die blitzenden SUVs ihrer Eltern, die natürlich sofort ansprangen und leise surrend schnell verschwanden.

      Christoph drehte den Schlüssel noch weitere drei Mal im Schloss, bis der steinzeitliche Motor endlich knatternd ansprang. Immerhin, dachte Sue.

      »Bereit?«, fragte ihr Vater. Sue setzte sich wieder aufrecht hin, nickte und sagte: »Hol alles aus dieser Schrottkarre raus, was geht.«

      Ihr Vater zuckte zusammen. »Nicht so laut!« Er streichelte sanft das staubige Armaturenbrett des Busses. »Er ist sehr sensibel.«

      Sue sah ihren Vater verblüfft an. »Er?«

      Aber ihr Vater gab schon Gas, wenn man das so nennen konnte, und fuhr mit lächerlicher Geschwindigkeit den Berg hinauf. Hinter ihnen schwarzer Ruß.

      »Wenn du Hunger hast … im Handschuhfach sind Hotdogs.«

      Sue öffnete vorsichtig das Fach, und tatsächlich, da lagen zwei Pappkartons mit lecker duftenden Hotdogs.

      »Im Handschuhfach? Echt jetzt?«

      Ihr Vater nickte. »Da bleiben sie schön warm!«

      Zombie-Dog

      Die Sonne war bereits untergegangen und ein kühles herbstliches Nass legte sich über die Stadt Markholm. Lange Schatten lagen auf den Häusern, die dicht gedrängt an den bewaldeten Hügeln standen. In der Ferne leuchteten, zwischen den riesigen alten Schorn­steinen, die gläsernen Türme der DEC, der Drill Energy Corporation. Genau die Firma, in der Sues Mama an geheimen Forschungen arbeitete und seitdem kaum noch Zeit für ihre Familie hatte. Ge­schweige denn für Sue.

      Christoph schaltete das Radio an. Er musste die Lautstärke fast völlig aufdrehen, damit bei dem Lärm des Motors überhaupt etwas zu hören war.

      »Einen wunderschönen guten Abend, Markholm«, sagte eine stadtbekannte Stimme. »Mein Name ist Lisa Wells von News24, und ich berichte heute live aus der DEC, wo Direktor Dr. Jonas Drill zu einer Pressekonferenz eingeladen hat.« Applaus im Hintergrund.

      Christoph sah auf seine Uhr. »Sie haben anscheinend mit Ver­spätung angefangen. Das gibt uns einen kleinen Vorsprung. Aber die Zeit arbeitet gegen uns.« Er machte das Radio noch einen Tick lauter, sodass die Lautsprecher anfingen, zu knarzen und die kleinen Star-Wars-Actionfiguren auf dem Armaturenbrett hin und her hüpften.

      Dann war die Stimme eines Mannes zu hören, den Sue nur allzu gut kannte und den sie überhaupt nicht mochte. Dr. Jonas Drill, Mamas Chef, immer unfreundlich, immer schwitzend immer schlecht gelaunt. Er hasste Kinder und machte daraus auch keinen Hehl.

      »Meine sehr verehrten Damen und Herren. Liebe Kollegen und Kolleginnen, werte Gäste. Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Welt ohne Schwäche. Einer Welt, in der es keine Krankheiten mehr gibt …«

      Christophs Bus bog nun in eine langgezogene Straße ein, die an einer Schranke endete, die zum DEC-Forschungskomplex gehörte. Überall standen schwer bewaffnete Sicherheitsbeamte herum, und Kameras filmten jede noch so kleine Bewegung. Rote flackernde Laserzäune flankierten sirrend die Einfahrt. Christoph drehte das Radio leiser und kurbelte die Scheibe herunter. Ein uniformierter junger Mann mit ernstem Gesicht trat aus seinem schmalen Wachhäuschen.

      »Ähm … Ihre Ausweise bitte.«

      Der glattrasierte Sicherheitsmann war offensichtlich nervös. Sue hatte ihn hier noch nie gesehen. Vielleicht war er neu und wollte keine Fehler machen. Sues Vater war bei den Wachleuten kein Unbekannter.

      Christoph hatte wie immer seinen Besucherausweis, den Sues Mama ihm besorgt hatte, vergessen. Ohne den kam man nicht auf das Gelände. Und Ordnung gehörte nicht zu Papas Stärken. Dafür war er nie um irgendwelche Ausreden verlegen.

      »Es tut mir unendlich leid«, sagte er und schielte leicht grinsend zu Sue hinüber, »aber meine Tochter … Wir wollten gerade etwas essen gehen, als sie plötzlich … also sie hat mit diesem blauen Zeug gespielt. Wissen Sie? Das, was meine Frau, also Maria Hartmann, gestern mitgebracht hat. Und dann fing sie plötzlich an zu bluten. Mein Gott. Bitte …«

      Sue musste sich zusammenreißen, um nicht gleich loszulachen, und versuchte ihr Gesicht hinter ihrer Hand zu verbergen. Dem Sicherheitsmann war allerdings nicht zum Lachen zumute. Nervös schaut er von Christoph zu Sue und wieder zurück.

      Christoph nutzte diesen Moment und kam jetzt erst recht in Fahrt. Als Schüler hatte er in der Theater-AG der Schule die ganz großen Rollen gespielt.

      »Sie müssen mich durchlassen. Bitte. Bevor es schlimmer wird. Meine Frau weiß sicher, was zu tun ist. Meine Güte … Vielleicht stirbt sie.«

      Das war zu viel. Dem armen Sicherheitsmann stand der Schweiß jetzt auf der Stirn und unsicher leuchtete er mit seiner Taschen­lampe ins Innere des Wagens. Sue hob schwerfällig ihren Kopf und röchelte in den Schein der Lampe. Der Sicherheitsmann wich vor Entsetzen einen Schritt zurück und ließ die Lampe fallen.

      Blut quoll aus Sues Augen und lief ihr über die Wange. Sue gab sich extrem Mühe, wie ein Zombie zu grunzen. »Bitte …«, krächzte Sue sehr überzeugend. »Sie müssen mir helfen.«

      Der