Sehr viele Klienten, bei denen innere Zerrissenheit dominierendes Trancephänomen ist, betrachten einen bestimmten Persönlichkeitsanteil als feindliches oder unerwünschtes Element. Sieht es danach aus, als würde ein Anteil des Klienten versuchen, einen anderen Anteil zu zerstören, kann dies zu Suizidversuchen, zu einem Vernachlässigen der Therapie oder zu ernsten körperlichen Erkrankungen führen. Darüber hinaus treten oft Störungen der Impulskontrolle auf – der Klient ist nicht in der Lage, seine Impulse zu kontrollieren, so, als kämen diese von einer anderen Person oder von einem anderen unabhängigen Persönlichkeitsanteil. Dies äußert sich in riskantem Verhalten, Spielsucht, zufälligen Sexualkontakten, im Missbrauch psychoaktiver Substanzen, Abhängigkeiten oder im Herausreißen von Haaren (Trichotillomanie).
Manche Menschen wiederum sind überrascht darüber oder zweifeln gar daran, selbst auch aggressive, milde und spontane Persönlichkeitsanteile oder etwa Anteile kindlicher Freude zu besitzen. Diesbezügliche Verhaltensweisen offenbaren sich meist während besonderer Anlässe, wie beispielsweise im Urlaub, bei Feierlichkeiten oder infolge übermäßigen Alkoholkonsums.
Ein Merkmal, mit dem Symptome definiert werden, ist, dass das Verhalten als (zumindest teilweise) unabhängig vom Willen der Person wahrgenommen wird. Laut dieser Definition können Aspekte von Dissoziation in jedem Symptom beschrieben werden:
»Dies gilt speziell für Muster, die man als Sonderform von Sichbeklagenden-Mustern beschreiben kann, nämlich solchen, bei denen man unter ungewollten unwillkürlichen Prozessen im eigenen Inneren leidet, z. B. Panikattacken, Zwängen, Depressionen etc. ›Ich‹ erlebt sich dabei als Opfer, nun aber nicht von Tätern von außen, die ›Täter‹ sitzen vielmehr quasi im eigenen Inneren« (Schmidt 2005, S. 113).
Deutlich sichtbar sind Symptome von Dissoziation bei somatischen Störungen (somatic symptom disorder). Der Klient kommt mit Schmerzen oder Müdigkeit nicht zurecht, hat das Gefühl, keinen Einfluss darauf zu haben, was in seinem Körper geschieht. Auch bei Menschen, die mit Panikattacken zu kämpfen haben oder vom Borderline-Syndrom (borderline personality disorder) betroffen sind, lässt sich der Mechanismus der Dissoziation erkennen. Dissoziation ist auch Kern der Konversionsstörung (conversion disorder), bei der sich emotionale Störungen auf der Ebene körperlicher Wahrnehmungen manifestieren. Der Symptomstrauß der Konversionsstörung ist überaus farbenfroh und vielgestaltig. Des Öfteren treten Symptome wie Nicht-laufen-Können oder unerwartete Sinneswahrnehmungen wie etwa Probleme mit dem Hören, Sehen oder Fühlen auf, sowie Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schlucken. All diese Symptome scheinen ohne jeglichen Bezug zum emotionalen Zustand der Person zu sein.
Bei einer Störung, die häufig bei Kindern im Schulalter diagnostiziert wird, dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), führen die typischen Verhaltensweisen wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität dazu, dass die Störung als Dissoziation von Körperwahrnehmungen bei gleichzeitig nach außen gerichteter Aufmerksamkeit verstanden werden kann. Darüber hinaus zeigen viele klinische Berichte (Racicka 2013) einen Zusammenhang der Störung mit einer falschen Ernährungsweise und einem häufigeren Übergewicht bei Kindern mit ADHS im Vergleich zu Gleichaltrigen. Dies scheint die Diagnose Dissoziation bei diesen Kindern und den Familien, in denen sie aufwachsen, zu bestätigen. Oft reagieren Kinder mit ADHS, vor allem wenn sie übergewichtig sind, weniger sensibel auf innere Anzeichen von Hunger oder Sättigung (Davis et al. 2006). Die Frage, worauf die Eltern der Kinder weniger sensibel reagieren, wovon sie abgespalten oder abgetrennt sind und welche systemische Funktion die Dissoziation beim Kind erfüllt, sollte während einer individuellen Diagnostik bei jeder Familie, die sich mit einem Kind zur Behandlung meldet, beantwortet werden.
Das Phänomen der inneren Getrenntheit ist auch bei Personen sichtbar, die sich Körpermodifikationen (body modification, BM) unterziehen, die am Körper bleibende Spuren hinterlassen – beispielsweise Tätowierungen, Piercings oder plastische Operationen –, als wäre das Aussehen des Körpers (manchmal auch nicht sichtbarer Stellen am Körper) vor dem Eingriff für die Psyche zu schwer zu akzeptieren gewesen. Bei einigen Personen tritt nach der ersten Modifikation eine Besserung des Selbstwertgefühls ein (Pajor, Broniarczyk-Dyła i Świtalska 2015), dann bleibt es für gewöhnlich bei diesem einen Eingriff. Andere hingegen setzen das autoaggressive Verhalten durch Körpermodifikationen über Jahre hinweg fort. Da bei diesen Personen oft auch andere Verhaltensweisen dissoziativer Natur auftreten, wie etwa ein erhöhter Stimulationsbedarf, Missbrauch diverser Substanzen und riskantes Verhalten, sind einige Therapeuten der Meinung, dass Tätowierungen und Piercings bei (vorwiegend) jungen Menschen ein diagnostischer Hinweis darauf sind, dass ein erhöhtes Suizidrisiko oder die Gefahr ernsthafter Verletzungen infolge eines Unfalls besteht (Dhossche, Snell a. Larder 2000).
Der dissoziative Kampf, den Klientinnen mit Anorexie in ihrem Inneren austragen, setzt sich aus vielen aufeinanderfolgenden Gefechten zwischen Körper und Psyche zusammen. Keine Seite ist im Stande, solch einen zerstörerischen Kampf zu gewinnen. Hinsichtlich der destruktiven Hartnäckigkeit dieses Kampfes und des Alters der betroffenen Frauen lässt sich die Erkrankung metaphorisch mit dem Dreißigjährigen Krieg vergleichen. Diese Kämpfe, die die innere Gebrochenheit der erkrankten Person widerspiegeln, kommen in der Aussage von Frau K. deutlich zum Ausdruck:
»Ich habe einen etwas herrschsüchtigen Charakter, alles muss so sein, wie ich es will. Und wenn das mal so nicht geklappt hat, dann habe ich mich selbst bestraft … Wenn etwas nicht nach meinem Willen ging, dann habe ich das an meinem Körper abreagiert. Immer. Entweder durch Erbrechen, oder durch Hungern oder durch Ritzen … Als meine Krankheit fortgeschritten war, als sie ihren Höhepunkt erreicht hatte, war der Körper die absolute Nummer eins, das Allerwichtigste … Er war irgendwie so wie eine Gottheit … Wenn ich beschließe, zehn Kilo abzunehmen, dann tue ich das …« (Rojek i Opoczyńska-Morasiewicz 2014).
Essstörungen sind ein Beispiel dafür, wie Körperwahrnehmungen vom Bewusstsein dieser Wahrnehmungen abgetrennt sind. Die Krankheit kann Spiegelbild des inneren Konflikts sein. Nachdem der dissoziierte Bereich erkannt ist, beruht die Therapiestrategie darauf, die Ressourcen des Klienten zu erkennen und sie auszubauen. In diesem Fall bedeutet das, Orte zu bestimmen, an denen ein besserer Kontakt zwischen Körper und Psyche möglich ist. Eine ähnliche Strategie würde auch bei der Behandlung von Personen zur Anwendung kommen, die mit unterschiedlichen Formen psychosomatischer Störungen zu kämpfen haben, etwa mit dem Reizdarm-Syndrom oder sexueller Dysfunktion. Auch bei der posttraumatischen Belastungsstörung, bei der Erinnerungsmaterial, Emotionen und Körperwahrnehmungen abgespalten wurden und nicht integriert sind, wird Dissoziation deutlich. Bei der dissoziativen Persönlichkeitsstörung (dissociative personality disorder) sind Persönlichkeitsanteile derart abgespalten, dass sich die Person der Existenz dieser Anteile nicht einmal bewusst ist und es sogar bestreitet, derartige Anteile überhaupt zu besitzen.
Personen, die innerlich zerbrochen sind, haben Schwierigkeiten damit, Körpersignale zu interpretieren. Es scheint, als würden sich die Klienten selbst nicht spüren. Sie wissen nicht, wie sie sich fühlen, vor allem dann, wenn ihnen nichts wehtut. Aus diesem Grund leiden sie häufiger als andere Menschen an verschiedenen psychosomatischen Erkrankungen. Nur so können sie spüren, dass sie lebendig sind. Fast scheint es, als würden sie ihre psychosomatischen Beschwerden unbeabsichtigt selbst hervorrufen. Da die Klienten keinen Zugang zu emotionaler Fülle haben, hilft der Körper und sendet Lebenszeichen.9 Integration wiederum ist eine Entwicklungserfahrung. Assoziation, also die Verbindung der verschiedenen Persönlichkeitsaspekte zu einer harmonischen Ganzheit, benötigt Zeit und günstige Bedingungen. Manchmal findet keine Integration statt und einige Anteile sind weiter entwickelt als andere. So kann beispielsweise die Entwicklung kognitiver Prozesse durch die Schule entsprechend gefördert werden, die emotionale oder soziale Entwicklung aber in einem gewissen Moment abbrechen. Dissoziation ist hier also Ausdruck eines nicht vollendeten Integrationsprozesses. Eine ungleichmäßige Entwicklung gehört auch zur Erfahrung besonders begabter Kinder, bei denen sich bestimmte Fähigkeiten (z. B. eine musische, sportliche oder kognitive Begabung) deutlich schneller entwickeln als andere (beispielsweise emotionale oder soziale) Fähigkeiten. Barbara Schlichte-Hirsemenzel (2006, nach Gauck 2016) führt Aussagen von Personen dieser Gruppe an: »Ich hatte gehofft, dass ich mich irgendwann anpasse, aber die anderen blieben immer in der Mehrheit«; die Lehrerin