Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren. Krzysztof Klajs. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Krzysztof Klajs
Издательство: Bookwire
Серия: Hypnose und Hypnotherapie
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849782092
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3Trancephänomene

       3.1Einführung

      Einen großen Teil meiner Arbeit möchte ich dem Erkennen, Beschreiben und der Bedeutung der Trancephänomene widmen, da sie sich direkt auf die Hypnose beziehen, die in diesem Ansatz eine der grundlegenden Techniken darstellt. Der Begriff »Hypnose« wird oft alternativ zu »Trance« verwendet. Meist aber betrachtet man Trance als Teil der Hypnose, als einen der fünf Schritte der Hypnose: das Säen der Idee, die Induktion, die Trance, die Einstimmung auf die Zukunft und das Herausführen aus der Hypnose. Die Trance ist der Teil der Hypnose, in dem der Kern der therapeutischen Veränderungen vonstatten geht.

      Trance wird auf mehrere Arten definiert. Ich möchte hier die Definition von Milton Erickson (1967, p. 116) verwenden:

      »Trance ist der innere Zustand einer Person, gestützt auf deren gebündelte Erfahrungen, die mit Gemerktem und Erlerntem verbunden und nicht zwangsläufig auf bewusster Ebene registriert sind. (…) Der Trancezustand ist eine Erfahrung der jeweiligen Person, der Therapeut kann bloß erkennen, wie er Reize oder Suggestionen einsetzen kann, um diesen Zustand hervorzurufen …«.

      Tom W. Wall (1991, p. 61) beschreibt Trance als

      »eine subjektive Erfahrung, die aus einem sich Umstellen von der äußeren Realität auf die innere Realität entsteht«.

      Milton H. Erickson und Ernest L. Rossi (2014, p. 3) geben an:

      »Die therapeutische Trance ist ein zeitlicher Raum, in dem Beschränkungen, die aus den alltäglichen Überzeugungen und Bezugsrahmen heraus entstehen, vorübergehend ausgeschaltet werden, sodass sich das Individuum für veränderte Assoziationsmuster und andere Arten der mentalen Aktivität, durch die Probleme gelöst werden können, öffnen kann.«

      Die Hypnose gilt als »Mutter aller modernen therapeutischen Möglichkeiten«. Schwierig ist es jedoch, einen genauen Ort oder eine Person zu benennen, um Ursprung oder Urheber der Hypnose eindeutig zu bestimmen.

      Neben Franz Anton Mesmer (1734–1815) und dem schottischen Arzt James Braid (1795–1860), wurde die Hypnose auch von den französischen Ärzten Hyppolyte Bernheim (1837–1919) und Jean Martin Charcot (1825–1893) – Lehrer von Pierre Janet (1859–1919) und Sigmund Freud (1856–1939) – angewendet.

      »Die im 20. Jahrhundert von Ärzten wie John G. Watkins und Milton H. Erickson entwickelte Hypnose wurde zu einem wirkungsvollen therapeutischen Instrument« (Gilligan 2002).

      Die Hypnose ist nämlich nicht nur das älteste, sondern auch eines der am besten bekannten und wirksamsten Instrumente in der Psychotherapie.

      Der Therapeut beobachtet den Klienten und dessen Verhalten und hört sich an, was der Klient berichtet. Dabei analysiert er seine eigenen emotionalen Wahrnehmungen, kognitiven Prozesse oder Signale des Körpers und betrachtet sie als wesentliche diagnostische Anhaltspunkte. Auf dieser Grundlage schlussfolgert er auf Erfahrungen mit Trance, die beim Klienten für gewöhnlich vorhanden sind. Daraufhin schafft der Therapeut Bedingungen, um durch Trance die Prozesse hervorzurufen, bei denen eine therapeutische Intervention notwendig ist. Ebenso wie in den übrigen Bereichen, in denen die Diagnostik durchgeführt wird, geht es auch hier nicht darum, alle Trancephänomene beim Klienten zu beschreiben. Wichtig ist, die Trancephänomene auszuwählen, die beim Klienten dominieren und am deutlichsten auftreten. Diese Auswahl wird später für die Art der Trancearbeit, die in der Therapie zu Anwendung kommt, entscheidend sein. Der Therapeut sollte einige, zumindest aber zwei oder drei der dominierenden Trancephänomene beim Klienten bestimmen. Führt er die Diagnostik nur im Bereich eines Trancephänomens durch, könnte das dazu führen, dass sich der Klient unter Druck gesetzt fühlt, in diesem einen vom Therapeuten bestimmten Bereich arbeiten zu müssen. Werden mehrere dominierende Trancebereiche bestimmt, bleibt dem Klienten hingegen eine Wahlmöglichkeit. Dies verleiht der Therapie den Charakter eines Dialogs und erleichtert die Zusammenarbeit von Therapeut und Klient.

      Die Trancephänomene laufen in einem Bereich ab, der vom Klienten nicht bewusst wahrgenommen wird. Sie können folgendermaßen verstanden und eingesetzt werden:

      •als Antwort bzw. Reaktion auf eine Suggestion des Therapeuten

      •als spontane (nicht suggerierte) Aktivität des Klienten während der Therapiesitzung

      •als eine im täglichen Leben auftretende Manifestation des Unbewussten, die sich im Verhalten des Klienten beobachten lässt.

      Hier möchte ich mich auf die Trancephänomene konzentrieren, die sich im alltäglichen Leben des Klienten als sich wiederholende Manifestationen des Unbewussten zeigen. Auf die beiden ersten Möglichkeiten, wie Trancephänomene verstanden werden können, möchte ich nur kurz eingehen.

      Trancephänomene können suggeriert werden, also vom Therapeuten während einer Therapiesitzung hervorgerufen. Derartige Reaktionen sind sowohl für den Klienten als auch für den Therapeuten von Bedeutung. Zeigt der Klient auf eine Suggestion hin ein Verhalten, das von seinen alltäglichen Erfahrungen abweicht, so gilt das für den Therapeuten als Bestätigung dafür, dass sich der Klient in Trance befindet. Dieses Verständnis der Trancephänomene war über viele Jahre hinweg vorherrschend und charakteristisch für die klassische Hypnose. In der klassischen Hypnose galt es als Trancephänomen, wenn der Klient im Zustand der Trance ein Verhalten zeigte, das für den Trancezustand charakteristisch war, außerhalb dieses Zustandes jedoch nie auftrat. Man könnte eine lange Liste der am häufigsten suggerierten Reaktionen anführen: Entspannung, Handlevitation, Dissoziation (sowohl auf mentaler als auch auf physischer Ebene), Halluzination (positive oder negative), Anästhesie, Analgesie, Altersregression, ideomotorisches Verhalten, Katalepsie, Störungen der Zeitwahrnehmung, Amnesie, Hypermnesie, automatisches Verhalten (automatisches Schreiben oder Zeichnen) sowie posthypnotische Suggestion.

      Für den Therapeuten, der die Sitzung durchführt, sind diese Reaktionen auch ein Beleg dafür, dass der Klient mitarbeitet. Kommt es allerdings zu keiner Zusammenarbeit, erhält der Therapeut das Signal, einen anderen Bereich für eine Zusammenarbeit auszuwählen, oder die Technik, die er anwendet, zu modifizieren. Trancephänomene können entweder direkt oder aber indirekt suggeriert werden. Dies hängt davon ab, ob eine Person gut auf Suggestionen reagiert, oder ob sie sich dagegen sträubt und genau das Gegenteil tut. Diese Art der Reaktion, bei der der Klient das Gegenteil von dem tut, was ihm suggeriert wurde, wird Kontra-Suggestibilität genannt und ist vor allem bei Klienten typisch, die in der Kindheit Druck vonseiten der Eltern, oder zumindest eines Elternteils, ausgesetzt waren.

      Trancephänomene wahrzunehmen ist auch für den Klienten sehr wichtig. Dadurch gewinnt er die Erfahrung, sich selbst, seine Emotionen und Signale seines Körpers anders als in der gewohnten Weise zu erleben. Der Klient bekommt die Möglichkeit, sich selbst zu erfahren und denkt anders über sich, als er es früher getan hat. Er entdeckt sich selbst und unbekannte, bisher nicht zugängliche Seiten seiner Persönlichkeit. Oft ist der Klient über sich und seine Reaktionen erstaunt.

      Trancephänomene können auch während der Therapiesitzung als spontane und nicht vom Therapeuten provozierte Aktivitäten auftreten, was darauf hindeutet, dass beim Klienten eine wesentliche Engführung der Aufmerksamkeit vorliegt. Hierfür könnte man folgende Beispiele anbringen: das kataleptische Anhalten der verbalen oder nonverbalen Aktivität für einige Sekunden (oder länger), was umgangssprachlich als »vor sich hin starren« oder »geistesabwesend sein« bezeichnet wird, intensive und deutliche emotionale Reaktionen, hervorgerufen durch das Erzählen von längst vergangenen Ereignissen (Altersregression und Assoziation) sowie Reaktionen wie Schwitzen oder Zittern während eines Gesprächs über bevorstehende Prüfungen (Zeitprogression und Assoziation) und lebhafte Erinnerungen an schmerzhafte Details und scheinbar vergessene Geschehnisse aus der Vergangenheit (Hypermnesie). Manchmal ist der Klient auch verwundert darüber, dass die Sitzung so schnell vergangen ist, wo sie doch eben erst begonnen hatte, die Uhr aber anzeigt, dass bereits eine Stunde ins Land gegangen ist (Störung der Zeitwahrnehmung). Oft lässt sich auch beobachten, dass es während der Trance spontan zum Auftreten von Trancelogik kommt, die als »Fähigkeit des sich in Trance befindenden Individuums, logische Ungereimtheiten zu demonstrieren« verstanden