•Wer oder was zwingt den Klienten, im Haus Ordnung zu machen?
•Wer könnte den Befehl, Ordnung machen zu müssen, wieder rückgängig machen?
•Wie lange schon besteht dieser Befehl?
•Wessen Unordnung muss der Klient aufräumen? Für wen räumt er auf (für die Eltern, die Großeltern)?
•Was bedeutet in diesem Fall »im Haus«? Die ganze Wohnung, einen Teil oder vielleicht das Elternhaus?
•Warum ist es besser, das weiter aufzuräumen, was er so oder so nicht schaffen kann, als den Befehl einfach zu missachten? Was wären die Konsequenzen für den Klienten oder für seine Familie, wenn er den Befehl nicht weiter befolgen würde?
Herr H. hatte Jura studiert, was ein unerfüllter Traum seiner Mutter gewesen war. Er selbst hatte sich eher für Informatik interessiert. In den Familien beider Eltern von Herrn H. bestanden zahlreiche Generationenkonflikte, innerfamiliäre Erbstreitigkeiten und nicht geklärte Vermögensfragen. Beide Eltern des Klienten kamen aus vermögenden Familien. Theoretisch. Denn der Reichtum existierte nur hypothetisch, es müssten erst alle Vermögensfragen der Familie in Ordnung gebracht werden. Das ganze Leben lang hatte Familie H. eher mit finanzieller Knappheit zu kämpfen gehabt. Auch zwischen den Eltern des Klienten gab es Vermögensstreitigkeiten und ungeklärte Angelegenheiten in Zusammenhang mit der gemeinsamen Firma und deren späterer Insolvenz. Im Kontext dieser Informationen waren die Aussage von Herrn H. zur Ordnung, die gemacht werden musste, sowie auch seine Worte über die Sinnlosigkeit des Lebens mehr als nur eine einfache Beschreibung seiner Symptome.
Metaphorische Äußerungen von Klienten sind oft komplex und beinhalten verschiedene Ebenen. Um zur nächsten Ebene der Metapher vorzudringen, sind manchmal mehrere Therapiesitzungen notwendig. Eine Mutter beispielsweise, die sich über das aggressive Verhalten ihrer 14-jährigen Tochter beklagt und sagt »ich bekomme keine Luft in ihrer Nähe«, meint damit sicherlich nicht ihre Atembeschwerden. Dennoch ist es wichtig, diese Aussage der Mutter über ihre Tochter ernst zu nehmen, denn es kann sich dabei um eine weitere Ebene einer Metapher handeln, die sich auf eine andere Person, vielleicht auch auf eine andere Zeit und einen anderen Ort bezieht. Möglicherweise stellt der Therapeut, der ja schließlich noch weitere Informationen zur Klientin besitzt, hier fest, dass die Aussage der Mutter, keine Luft zu bekommen, unbewusst auf eine andere Beziehung anspielt, die ihr die Luft zum Atmen nimmt. Statt der Tochter kann hier zum Beispiel die Mutter der Klientin gemeint sein. In diesem Falle wäre die Aussage der Klientin kein Vorwurf an die Tochter, sondern ein um eine Generation verspäteter Vorwurf an die eigene Mutter. Die Metapher würde dann auch bedeuten, dass die Klientin unbewusst ihre Tochter mit der eigenen Mutter verwechselt. Dieses Phänomen wird innerfamiliäre Übertragung genannt und gehört im ericksonschen Konzept zur Verzerrung der Wirklichkeit oder zum Trancephänomen der Halluzination. Eine solch bedeutungsvolle Aussage kann ein tieferes Verständnis für den Klienten nach sich ziehen und zur Eintrittskarte für eine weitere Arbeit mit Metaphern werden.
Hört der Therapeut eine Metapher aus einer Aussage seines Klienten heraus, erhält er somit einen diagnostischen Hinweis zu Gewichtigkeit und Intensität unbewusster Prozesse beim Klienten, gleichzeitig öffnet sich damit ein Tor zu diesen Prozessen. Eine Metapher zu erkennen hilft dem Therapeuten auch dabei, eine Methode für die therapeutische Arbeit auszuwählen. Einer Person, die selbst gern metaphorische Geschichten, Vergleiche und Anekdoten einsetzt, wird es leichter fallen, sich auf Interventionen des Therapeuten einzulassen, wenn er sich einer ähnlichen Sprache bedient.
2.8.2Diagnostische Aspekte der Metapher im Erleben des Therapeuten
Es gibt Personen, die sich auf dem Gebiet der Metaphern frei und unbefangen fühlen. Sie legen Wert auf Symbolik und berufen sich gern auf Vergleiche. Logische Argumentationen sind für diese Personen eher problematisch, als dass sie ihnen bei der Kommunikation helfen würden. Auch viele Therapeuten können metaphorische Botschaften gut heraushören und sind auf diesem Gebiet sehr gewandt. Verfolgt der Therapeut seinen inneren Assoziationsprozess, ist er oft selbst überrascht, welche Fantasien, Klänge oder Geschichten ihm zum Klienten einfallen, etwa »Die Klientin erinnert mich an ein Schneeglöckchen« oder »der Mann ist so eisig, wie der Nordwind.«
Auf diese Weise können sich, zumindest teilweise, unbewusste Assoziationsprozesse des Therapeuten widerspiegeln, die wesentlich zum Kennenlernen des Klienten beitragen. Diese Assoziationen wahrzunehmen, sie sich zu notieren und im Gedächtnis zu behalten, kann wesentliche Bedeutung für die weitere Arbeit mit dem Klienten, etwa mit dem Einsatz von Metaphern, haben und darüber hinaus möglicherweise bewirken, dass der Therapeut den Klienten besser und bewusster versteht.
Beruft sich eine Metapher auf eine Kindheitserfahrung des Geschichtenhörens, so wird die Aufmerksamkeit von der Progression in Richtung Regression gelenkt. Regressive Erfahrungen können dort von beruhigender Wirkung sein, wo ein hohes Angstlevel vorherrscht, wie beispielsweise bei unheilbar Kranken, bei akuten Anfällen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Angststörungen, Phobien, Panikattacken oder Zwangsstörungen. Sie helfen dabei, ein für das Individuum gesundes Gleichgewicht aus eigenem inneren Halt und Unterstützung von außen zu finden. Regressive Erfahrungen, die mithilfe von Metaphern ausgelöst werden, können darüber hinaus reparierende Wirkung haben, was dort wichtig ist, wo in der Kindheit ein grundlegendes Defizit oder eine fehlende gute Beziehung zu den Eltern vorherrschte.
Erfahrungen hervorzurufen, die sich auf die Vergangenheit beziehen, kann aber auch höchst unratsam sein. Etwa dann, wenn die therapeutische Arbeit in Richtung einer Zeitprogression gehen und die erwachsenen Aspekte des Klienten gestärkt werden sollen. Dieser Aspekt sollte ganz besonders von Therapeuten berücksichtigt werden, die dazu neigen, dem Klienten gegenüber eine Elternrolle (die der Mutter oder des Vaters) einzunehmen und die Therapie dann darauf zu beschränken.
2.9Zusammenfassung
Diagnostische Kategorien dienen dazu, die Intensität einer ausgewählten Eigenschaft des Klienten zu beschreiben, die der Therapeut als wesentlich für die Arbeit mit dieser Person ansieht. Die meisten Eigenschaften können anhand einer Skala beschrieben werden, an deren einem Ende sich die maximale und am anderen Ende die minimale Ausprägung dieser Eigenschaft befindet. Einige Kategorien funktionieren auch in beschreibender Weise. Allen Diagnosekategorien ist gemeinsam, dass sie sich auf wesentliche Aspekte sowohl des intrapersonalen als auch des interpersonalen Funktionierens des Klienten beziehen. Sie stellen einen wichtigen Anhaltspunkt für den Aufbau einer Therapiestrategie und der einzelnen Interventionen dar, sodass eine bessere Zusammenarbeit erreicht werden kann. Für die Diagnose sind meist folgende Kategorien relevant: Die Aufmerksamkeit es Klienten, das Verarbeiten von Ereignissen, das bevorzugte Wertesystem, das soziale Funktionieren sowie die Position des Klienten in der Herkunftsfamilie. Einen ganz besonderen Platz unter den Diagnosekategorien hat die Metapher inne.
Jeder Therapeut kann seine eigene Liste von Bereichen zusammenstellen. Die Anzahl der Kategorien kann beliebig variieren, gewöhnlich reduziert der Therapeut jedoch die Liste und sucht zwei oder drei Bereiche aus, anhand derer er die Diagnose stellt und dann die therapeutische Arbeit durchführt. Dabei richtet er sich danach, welcher Art die Probleme des Klienten sind, beruft sich auf seine Erfahrungen als Therapeut und beachtet Signale seitens des Klienten bezüglich einer Zusammenarbeit.
5Die Initialen zur Bezeichnung der verschiedenen Klienten sind zufällig gewählt. In jedem Beispiel hat der Autor alles unternommen, um die Anonymität der beschriebenen Personen zu wahren.
6Mehr zu ericksonschem Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen, auch im Bereich der Diagnostik und Anwendung von Metaphern, ist in folgender Arbeit