Und ob solcher Gewalt entläßt euch Pharao schnell dann.“
„Herr!“ rief Moses mit steigender Angst vor Jehova, „nicht lös’t sich
Leicht das gefällige Wort von der Zunge mir; schwer und unlenksam
Träge, blieb sie mir stets: nicht würd’ ich als Redner bestehen.“
„Thörichter!“ also der Herr, „wer hat die Zunge dem Menschen,
Wer der Zunge die Macht lauttönender Worte gegeben?
Wer macht sehend und blind? wer, redend und stumm? — nicht Jehova?
Siehe, mein Hauch, wenn du vor Pharao stehest, entfahre
Deinem Mund mit erschütterndem Laut’: ich werde dir beisteh’n!“
Moses stand hell angestrahlt von des heiligen Dornstrauchs
Röthlicher Flamm’, und den Blick, verklärt, g’en Himmel erhebend.
Hehres erfüllt’ ihm die Brust: er dachte Vergangenheit, Zukunft
Also, im schwindenden Augenblick’, erschüttert im Herzen:
„Groß ist der Herr in seiner Erbarmungen Fülle: den Retter
Wies er dem Menschengeschlecht, dem gefallenen, schon in des Edens
Blühendem Hain’, der einst der feindlichen Schlange zertreten
Solle das furchtbare Haupt![21] Er wies auf dem Holz’ ihn, auf welches,
Still gehorsam dem Ruf, den Ungehorsam zu sühnen,
Selbst den einzigen Sohn der mildgesinnete Vater
Heftete, dann das Messer erhob[22]... o dunkeles Vorbild!
Schont er des Kommenden auch? Denn Abraham hörte des Trostes
Himmlische Wort’: aus seinem Geschlecht entsprieße des Segens
Zweig, der uns erlöst von der Schuld, und allen zum Heil wird.“[23]
Solches sann er im Geist’, und rief dann flehenden Blickes:
„Jenen send’, o Herr, den du zu senden gewillt bist!“[24]
Jetzt aufflammte der Busch, und, gleich gewaltigen Donnern,
Scholl die Stimme des Herrn, da er sprach: „Wer wagt es, den Vorhang,
Welcher der Zeit erhabenstes Ziel umhüllt, zu erheben?...
Doch, schon seh’ ich, daß Aaron dir mit erschütternden Worten
Beisteh’n wird vor Israels Volk’ und vor Pharao selber,
Mächtig als Redner durch mich! Bald kommt der treffliche Bruder
Dir mit freudigem Blick’ und froher Umarmung entgegen.
Also vereint, sollt ihr Gewaltiges wirken. Du sollst dann
Lenker ihm seyn, und er künde, was du ihm zu reden gebothen.
Auf, ergreife den Stab’, und führ’ ihn zum Ruhme Jehova’s!“
Moses lag noch dort, und heftete, schreckenbetäubet,
Seine thauende Stirn’ in den Staub. Doch langsam erhob er
Jetzt sich, und faßte den Stab: ihn umfing im dunkelen Schleier,
Schweigend, die Nacht. Nur über ihm, hoch im Gewölbe des Himmels
Flammten die Sternenheer’, und zogen die endlose Bahn fort.
Wie er auch forschte, nicht brannt’ in dem Feld der heilige Dornstrauch
Mehr, der jetzt, gewiegt von des Lüftchens Hauch’, in dem Dunkel
Säuselte. Schnell entfloh er, von heimlichen Schauern ergriffen;
Faßte sich, stand, und rief, die Hände zum Himmel erhebend:
„Einer — Jehova ist Gott! O, diese beglückende Wahrheit
Soll mein freigewordenes Volk, von andern geschieden,
Bis zur Fülle der Zeit mit eifernder Treue bewahren!
Hell ist das Ziel, zu welchem Jehova mich ruft, und ich folg’ ihm.“
Sagt’ es, und eilte dahin, wo dichtgelagert die Schafheerd’
Schnob auf dem Sand, vom Schlummer umfangen. Er kehrete, rufend
Oft, und drängend zugleich, mit ihr zu den Seinen, bewegt, heim.
Dort erweckt’ er zuvor die muthigen Knechte, gebiethend:
„Auf, nicht gesäumt, und sattelt mir zehn Saumthiere, mit Allem,
Was die dauernde Reis’ erheischt an wolligen Tüchern,
Speise- geräth und -bedarf, an Zelt- und Gewanden, beladen!
Harret des Winkes am Thor’: ich gehe, die Gattinn zu wecken.“
Rief’s hinschreitend. Sie staunten dem Wort’, und thaten in allem,
Wie’s der Ernste geboth. Doch er durcheilte das Vorzelt,[25]
Das zur rauheren Nachtzeit oft den zarteren Lämmern
Obdach gab, und d’rauf, erhebend den hüllenden Vorhang,
Schritt er hin in dem mittleren Raum, den, über den Pfahl sich
Wölbend, deckte das Tuch, aus Ziegenhaaren gewoben
(Sein, und der Männer Gemach) bis er jetzt erreichte die Frau’nhuth,
Wo Zipora, zugleich mit dem Sohn’ und den dienenden Mägden
Schlummerte. Dort erhob er wieder den scheidenden Vorhang
An dem Gezelt’, und rief der Gattinn mit freundlicher Stimme:
„Treue, erhebe dich schnell mit dem Sohn! Die Stimme Jehova’s
Heißt uns fort, aus dem einsamen Weidegefild nach Aegyptens
Fluren ziehen, wo mein der Bruder harrt mit der Schwester,
Und mein Volk des Retters bedarf aus unsäglichem Jammer.“
Sagt’ es, und Weh’ erscholl in dem dunkeln Gezelt’. Um die Hausfrau
Weinte die Schar der Mägd’, und sie schluchzete leise, der Trennung
Von dem liebenden Vater, den liebenden Schwestern gedenkend.
Doch sie that nun jegliches schnell nach dem Willen des Gatten,
Der nach Jethro’s Zelt, das, mitten im Schooße des Dörfchens,
Sich vor den andern erhob, enteilete. Siehe, nicht grüßt’ er
Dort die Schwäger, und nicht die Schwestern der Gattinn zum Abschied:
Denn eintretend, voll Hast, in das Zelt des schlummernden Greises,
Rührt’ er ihm leise die Schulter, und sprach, im Busen beklommen:
„Vater, ich ziehe, so will es der Herr, nach den Fluren Aegyptens
Jetzt mit dem Kind’ und der Gattinn hinab, daß ich grüße die Brüder
Dort, und erforsch’: ob mir die Freund’ und Verwandten noch leben?
Gib des Vaters Segen uns mit: er ruht auf den Kindern,
Wie auf der schmachtenden Flur die thauende Wolke des Himmels!
Ruft mich gebieth’risch die That, da send’ ich dir wieder die Tochter
Und die Kinder zurück: sie trägt jetzt unter dem Herzen,
Nährend, die Frucht — ein Söhnchen wohl? Jehova wird helfen!
Also