Das Leben der galanten Damen. Pierre de Brantôme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre de Brantôme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027204670
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Sambix die erste Ausgabe; sie umfaßte neun Bände in Elzevir. Die sehr unvollständige und unzuverlässige Ausgabe wurde nach einer Kopie gesetzt. Spekulative Buchdrucker machten nun eine Menge Abdrücke davon. Es kursierten eine ganze Anzahl von Manuskripten, die nach den Abschreibern genannt wurden. Die Drucke geschahen im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert unweigerlich nach Kopien. Erst die Ausgabe von 1822, Oeuvres complètes du seigneur de Brantôme (Paris, bei Foucault), griff auf die Originalmanuskripte im Besitz der Familie Bourdeille zurück. Monmergué gab sie heraus. Das Ms. Le Livre des Dames befand sich noch 1903 im Besitz der Baronin James Rothschild, nach deren Tod, Anfang 1904, es in den Besitz der Nationalbibliothek in Paris überging, die jetzt über sämtliche Manuskripte Brantômes verfügt und nun auch eine kritische revidierte Gesamtausgabe beabsichtigt.

      Brantôme hat ursprünglich die beiden Bücher, Vies des Dames illustres und Vies des Dames galantes: Premier und Second Livre des Dames genannt. Die neuen Titel waren eine Verlegererfindung, eine Spekulation auf den Zeitgeschmack, der 1660-1670, im Jahrzehnt des Drucks, die Wörter illustre und galante bevorzugte. Die beste spätere Ausgabe der »Galanten Damen« ist die bei Abel Ledoux in Paris 1834 erschienene von Philarète Chasles, der auch eine Einleitung und Anmerkungen dazu gegeben hat. Diese Ausgabe liegt der vorliegenden deutschen zugrunde. Dagegen gibt die kritische Gesamtausgabe von 1822 immer noch die besten Nachrichten über Brantôme selbst, und die Ausführungen des Herausgebers Monmergué sind überaus trefflich und schätzenswert und sind den Meinungen, die Philarète Chasles äußert, so poetisch sie auch sein mögen, überlegen. Die Crayonzeichnungen und Kupferstiche berühmter und galanter Damen des 16. Jahrhunderts im Werke Bouchots »Les femmes de Brantôme« sind sehr gut, der Text Bouchots selbst ist wesentlich ein erweiterter Abklatsch aus Brantôme selbst und darf auch in seinen kritischen Reflexionen über den Verfasser der »Galanten Damen« nicht überschätzt werden.

      Die beiden »Bücher der Damen« haben einen ganz verschiedenen Charakter; was dem einen zum Vorteil gereicht, ist des andern Nachteil. Zweifellos kommt das Genie Brantômes in den »Dames galantes« am unmittelbarsten zum Ausdruck. Wenn hier die Häufung symbolischer Anekdoten die beste Darstellungsart ist, werden sie in der dort geforderten mehr oder weniger belanglos. Natürlich konnte sich Brantôme den Fragwürdigkeiten damaliger historischer Methode nicht entziehen, diese Mängel teilt er mit seinen Zeitgenossen; aber er war darüber hinaus auch ein zu guter Schriftsteller, um ein ausgezeichneter Historiker sein zu können. Der Teufel hole den historischen Zusammenhang, wenn nur die Geschichte, die ich erzähle, gut ist. Der Hofmann Brantdôe sieht die ganze Geschichte unter der Perspektive des Boudoirwitzes; so sind auch seine Porträts berühmter Damen seiner Zeit bloße Mosaiken von kunterbunten Beobachtungen und Meinungen. Ein unbekümmerter Erzähler, bringt er nur in den seltensten Fällen seine Eindrücke in einen Zusammenhang. Der Wert seiner biographischen Porträts wird dadurch bestimmt, daß sie natürlich an den Velleitäten seiner Schaffensweise Anteil haben, daß sie, nicht anders, die Niederschläge von Medisancen und Causerien, die er aus dem Louvre mit heimbrachte, von Unterhaltungen im Sattel oder im Laufgraben sind. Er hält sich da immer in den Grenzen des Respekts, zügelt seinen Geist und spart sein Salz und seinen Pfeffer. Er ließ sich keinen bösen Klatsch durch die Feder rinnen, er hütete sich durch zügellose Rede seine hohen Verbindungen zu verderben, aber das Resultat wurde dadurch nicht interessanter.

      Wenn man Brantome als dem Autor der »Galanten Damen« gerecht werden will, muß man sich vergegenwärtigen, wie er in seiner Zeit, in seiner Gesellschaft stand. Es ist ja nicht so zu verstehen, daß er sich während seines langen Siechtums plötzlich diese Geschichten aus den Fingern gesogen hat. Man denke sich einmal in die Entstehungsgeschichte dieser galanten Memoiren hinein. Vom literarischen Schaffen herrschten überhaupt noch die primitivsten Vorstellungen. Das Hinschreiben war das geringste. Der an der Feder kauende und übers Tintenfaß hingekrümmte Autor war eine Lächerlichkeit. Der Produktionsmoment, die Konzeption, lag viel früher als in dem Augenblick, wo sich der Chaffoureur du papier hinhockte. Keine von den Geschichten Brantomes entstand in seiner Abtei. Sondern in Madrid, in Neapel, auf Malta, vor La Rochelle, im Louvre, in Blois, in Alencon. Das Niederschreiben war bloß ein Reproduzieren des schon Geschaffenen, des in vielmaligem Erzählen Umgeformten und auf den letzten Ausdruck Gebrachten. In der Form kam Brantome freilich die Kultur des Hofes zustatten, die eigne aber, die er zu seinem Werke mitbrachte, war jener immer noch weit überlegen. Brantome war jahrzehntelang der Edelmann seiner königlichen Herren; stets in der Nähe des Hofes, nahm er an allen größeren und kleineren Ereignissen seines täglichen Lebens teil, an Streitigkeiten, Ungnaden, Festen. Man konnte ihn für den Höfling halten, der in den Sälen und Kammern des Louvre zu Hause ist. Aber wenn er auch schwatzend mit den müßigen Hofleuten in den Sälen des Louvre stand, so machte er sich nie mit ihnen gemein. Er konnte ungeheuer ausgelassen sein und war doch im Innern reserviert und beobachtend. Gerade im Gegensatz zu dem lärmenden, stürmischen Bussy-Rabutin ließ er sich nie gehen. Seine Intelligenz und seine Klugheit machten ihn unter der Schar der Kammerherren gefährlich. In seiner Seele kamen ganz entgegengesetzte Temperamente zusammen. Er war zugleich kaustisch und gläubig, zugleich respektlos und enthusiastisch, zugleich raffiniert und brutal, zugleich Abbé, Kriegsmann und Höfling. Gleich Bernhard Palissy verlachte er die Astrologen, dennoch schloß er sich vom Aberglauben seiner Zeit nicht aus. Seine Temperamente ließen erkennen, daß seine Wiege nicht fern von den Ufern der Garonne, nahe an der Gascogne gestanden hatte. Mit seinem kühnen, optimistischen, abenteuernden und unruhigen Geist, mit seinen ritterlichen Allüren und Vorurteilen, verband er eine maßlose Eitelkeit. Ein Charakterkenner sagte: »Er nahm das Maul genau so voll wie Cellini.« Er glaubte sich in der Tat über seinesgleichen hoch erhaben, er rühmte nicht nur sich, sein Haus, sondern auch seine geringsten Handlungen. Sein Haß war ein unversöhnlicher, seine Rache legte er noch seinen Erben ans Herz. Seinen königlichen Herren bezeigte er eine von Ironie temperierte Verehrung. Als ein Zeitgenosse von Rabelais, Marot und Ronsard konnte er ausgezeichnet reden, wenn Rabelais einen gallischen Geist hatte, hatte Brantôme einen französischen. Seine lebendige und fröhliche Unterhaltung war gesucht, er stand im Ruf des »geistreichen« Mannes. Dabei kannte man ihn auch als einen diskreten Mann. Alençon, der selbst vortrefflich erzählte und Liebesgeschichten für sein Leben gern hörte, zog die Unterhaltung mit ihm allen andern vor. Seine Naivität und Originalität erwarben ihm überall Freunde. Eine tapfre, edle, bravouröse Natur, stolz auf den Namen eines Franzosen, war er der personifizierte gentilhomme français.

      Und so entstand das Buch. Es muß sich ganz von selbst ergeben haben, daß er eines Tags zur Feder griff. Nun schüttelte er aus der bunten Mannigfaltigkeit seines eigenen Hof- und Kriegslebens einen erstaunlichen Reichtum von merkwürdigen und interessanten Zügen hervor, die sein Gedächtnis treu bewahrt hatte. So haben wir in dem Buch einen Kodex des Liebeslebens unter den Valois. Das waren keine Erfindungen, sondern Anekdoten, Berichte, Lebensausschnitte. Die Gefahr der Langenweile wußte er weit weg zu bannen. Seinen frechsten Indiskretionen gab er noch Stil; Geist und Lustigkeit ließ er über jede Seite hinsprühen. Als naiver Erzähler gab er sich, wie er war. Er gab sich als Bonhomme, in Formlosigkeit und Unbekümmertheit. Bloße Obszönitäten suchte er niemals, dafür scheute er allerdings auch vor keinem Zynismus zurück. Die Zeit liebte starke Ausdrücke, von einer puritanischen Sprache konnte keine Rede sein. Erst unter Ludwig XIV. wurde die Sprache höflicher. Brantôme war auch kein Moralphilister, wie hätte er es auch sein können? Aber er hatte Charakter. An allem hatte er Freude, was eine Kundgebung der menschlichen Energie war. Die Leidenschaft, die Macht, Gutes oder Böses zu tun, das liebte er. (Allerdings richtete er auch gegen die Maßlosigkeit, gegen die Heftigkeit der Leidenschaften, treffliche Worte.) Er paßte zu den Medici und Valois. Komposition kann man bei ihm nicht viel suchen. Die Aufmerksamkeit springt ihm von einer Geschichte zur andern. Boccaccio, das erhabenste Vorbild der Erzähler dieser Zeit, ist konsequenter. »Ohne Wahl berichtet er Gutes und Böses, Edles und Abscheuliches, nicht ohne IWärme das Gute, aber auch mit unverwüstlicher Heiterkeit das Schlimme,« sagt ein akademischer Beurteiler. Er kennt keine Ordnung und keine Methode, sprungweise, ohne Motiv, ohne Übergang, schreibt er vorwärts. Ein Hofmann, fremd mit den Regeln der Schule, gesteht er selbst (in den Rodomontades espaignoles) »son peu de profession du sçavoir et de l'art de bien ecripre et bien dire, et remet aux mieux disans la belle disposition de paroles eloquantes.« Dabei sind in der Abwechslung, in der er sie bringt, seine Stücke von einer hinreißenden Gewalt. In diesen gehäuften Anekdoten sind die graziösen Indezenzen der valesischen