Das Leben der galanten Damen. Pierre de Brantôme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre de Brantôme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027204670
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Bourdeille zurück.)

      (Andre Gründe, aus denen Brantôme grollte, waren weniger tief. So konnte er zum Beispiel Montaigne nicht leiden, weil dieser von jüngerem Adel war. Daß ein Mann des Schwerts zum Zeitvertreib die Feder führen kann, das bestätigte er ja selbst; daß aber umgekehrt einem Mann der Feder auch einmal ein Schwert verliehen werden kann, das wollte ihm nicht zu Sinn gehen. Er wurde zum Ritter des Ordens vom heiligen Michael ernannt. Das befriedigte aber seinen Ehrgeiz wenig, er blickte um sich und sah, daß er den Orden mit vielen zu teilen hatte; er wollte ihn wenigstens dem Schwertadel vorbehalten wissen. Da bekam auch sein Nachbar Michel de Montaigne den Orden, und Brantôme schrieb darüber: »Wir haben aus den Gerichtshöfen Räte hervorgehen sehen, sie legten die Robe hin und den viereckigen Hut und schnallten sich den Degen an. Sofort hing ihnen der König die Halskette um, ohne daß sie anders Krieg geführt hätten. Das hat man auch Herrn von Montaigne getan, der besser bei seinem Metier geblieben wäre, seine Essays weiterzuschreiben, als daß er seine Feder mit einem Schwert vertauschte, das ihm nicht so wohl stand.«)

      Heinrich III. verzieh ihm zwar seine Ungebärdigkeit, aber die königlichen Zimmer hatte er sich doch jetzt selbst verschlossen. Da wünschte ihn der Herzog von Alençon besonders an sich zu binden und krönte das vertraute Verhältnis, das schon seit 1579 zwischen ihnen bestand, dadurch, daß er Brantôme zu seinem Kämmerer ernannte. Der Herzog stand an der Spitze der Unzufriedenen, und so war ihm der Frondeur gerade recht. Die »Dames galantes« dokumentieren sich als ein unmittelbarer Niederschlag der Gespräche am Hof Alençons, wenn wir hören, daß Brantôme schon bald ein paar Discours niederschrieb, die er dem Prinzen widmete. Brantôme verschrieb sich ihm, was fast wörtlich zu verstehen ist. Da starb Alençon. Mit ihm sanken die Hoffnungen Brantômes ins Grab.

      Was sollte nun geschehen? Dem König grollte er. Der maßlose Zorn machte Brantôme fast blind. Da nahten ihm die Guisen als Versucher. Sie wollten ihn auf ihre Seite ziehn, Brantôme sollte zu den Gegnern der Valois schwören. Er war dazu rasch bereit und befand sich schon auf dem Weg zum Hochverrat, hinter den Guisen stand der König von Spanien, ihm schwor er zu. Aber der ausbrechende Krieg der Ligue, der eine zeitweilige Entwertung aller Güter zur Folge hatte, hinderte ihn, seine Pläne sogleich auszuführen. Er konnte nichts verkaufen, und ohne Geld war er in Spanien unmöglich. Das neue Ziel aber gab ihm eine neue Spannkraft, ein neues Leben, neue Abenteuer schienen sein Schicksal zu beflügeln, er ging in »gaillardise« und »vigueur« herum. Seine verwegenen Empfindungen malte er später in den Capitaines français (IV. 108). »Possible que, si je fusse venu au bout de mes attantes et propositions, j'eusse faict plus de mal à ma patrie que jamais n'a faict renegat d'Alger à la sienne, dont j'en fusse esté maudict à perpetuité, possible de Dieu et des hommes.«

      Da wurde ein Pferd, das er besteigen wollte, unter ihm scheu, es bäumte sich, stürzte und wälzte sich über ihn, so daß er alle Rippen brach und aufs Lager geworfen wurde, auf das er, verkrüppelt und gelähmt, fast vier Jahre gebannt war, ohne sich vor Schmerzen rühren zu können.

      Als er von diesem Schmerzenslager wieder aufstehn konnte, war die Neuordnung der Dinge schon im Gange, und als dann die eiserne Faust Heinrichs IV., des verschlagnen Navarresers und Kryptohugenotten, über Frankreich wegfegte, verschwand auch das alte Hofleben. Brantôme kränkelte, und als dann gar die alte Königin-Mutter Medici starb (1590), vergrub er sich völlig in seine Abtei und hatte fortan an den Ereignissen seiner Zeit keinen Teil mehr.

      »Chaffoureur du papier« – das könnte als Motto über seinem ferneren Leben stehen. Ach, auch für Brantôme war das Schreiben eine solche Resignation, daß er es noch mit diesen Worten schmähen mußte. Nur darf man sich nicht vorstellen, als sei ihm das literarische Talent erst mit seinem unglücklichen Sturz gekommen. Sicherlich verwertete er es unter diesen Umständen ganz anders, weit intensiver, als er es sonst getan hätte. Das Heraufwühlen der alten Erinnerungen ward ihm immer mehr zum Mittel, über das damalige sterile Leben Herr zu werden. Literatur ist ein Produkt des verarmenden Lebens. Es ist der Opiumrausch des Gedächtnisses, die nekromantische Beschwörung und Mumifizierung vergangener Zustände. Auf den ersten Bruchstücken der »Dames galantes« hatten auch die Augen des vom Tode gezeichneten Alençon geruht. 1590 muß Brantôme schon die Rodomontades espaignolles fertig gehabt haben; denn er bot sie der Königin von Navarra auf dem Schloß Usson in der Auvergne zur Lektüre an. Aber erst von 1590 an kann man von einem bewußten Vertauschen des Degens mit der Feder reden. Er durchschaute sich wohl. Auf seinem Schmerzenslager wurden ihm die Erinnerungen seines bewegten Lebens, seine Leiden, die Klagen seines getäuschten Ehrgeizes zur ersehnten Zerstreuung. Im »Avertissement« an der Spitze der Rodomontaden schrieb er: »J'écris ceci estant dans une chambre, en un lit assailli d'une maladie si cruelle ennemie, qu'elle m'a donné plus de mal, plus de douleur et de tourments, que ne receut jamais un pauvre criminel estendu à la gesne ... Durant mon mal, pour le soulager, je m'advisay et me proposay de mettre la main à la plume, faisant reveue de ma vie passée et de ce que j'y avois veu et appris ... Ainsy fait le laboureur, qui chante quelquefois pour alléguer son labeur, ... ainsy fait le soldat estant en guarde, qu'il songe en ses amours et advantures de guerre, pour autant se contenter.« So entstanden die Werke Rodomontades et gentilles rencontres espaignolles, Discours sur les Duels, die beiden Livres des Dames, Les vies des hommes illustres et grands capitaines estrangers, Les vies des capitaines français, endlich verschiedene Fragmente, Übersetzungen und Reden, die in späteren Jahrhunderten unter dem Namen Opuscules zusammengefaßt wurden. Diese Bücher mußte dann sein Sekretär Mathaud abschreiben. Es ist klar, daß selbst der gebrochene Brantôme bei dieser Tätigkeit kein völliges Genüge finden konnte. Er baute auch und prozessierte. Unter schweren Mühen und großen Kosten ließ er das Schloß Richemond erstehen. Den Rest seiner Energie verzettelte er an langwierige und zähe Prozesse mit seinen Nachbarn. Früh kam das Alter und die Gicht. Seine Jahre sind erfüllt mit Klagen, Mißmut und Unzufriedenheit. »Faveurs, grandeurs, vanités, vanteries, gentillesses du bon temps,« schreibt er, »s'en sont allées dans le vent. El ne m'est rien resté que d'avoir été tout cela, et le souvenir qui parfois me plaît, parfois me déplaît.«

      Er starb am 15. Juli 1614. In der Kapelle von Richemond liegt er begraben.

      Seinen Manuskripten ging es seltsam. Sie bildeten die Hauptsorge seines Testaments. Dieses selbst ist an sich schon ein Denkmal seines Stolzes. »J'ai heu de l'ambition«; schrieb er, »je la veux encore monstrer après ma mort.« Er hatte entschieden den Zug zur Größe. Die Bücher in seiner Bibliothek sollten beisammenbleiben, »im Schloß aufgestellt und nicht da und dorthin zerstreut oder an wen immer ausgeliehen werden«. »Zur ewigen Erinnerung an sich« wollte er die Bibliothek erhalten wissen. Besonders lag ihm aber die Veröffentlichung seiner Werke am Herzen. Er gab sich als Ritter, als Edelmann und legte doch den höchsten Wert auf die sechs schön in blauen, grünen und schwarzen Samt gebundenen Bände, die er hinterließ. Besonders sollten seine Herausgeber auch keinen andern Namen unterschieben und den seinen frank und frei auf das Titelblatt drucken lassen. Er will nicht um seine Arbeit und seinen Ruhm gebracht sein. Er gab seinen Erben die strengsten Aufträge, er mußte aber immer Nachträge in das Testament setzen, weil ihm die Exekutoren wegstarben; er überlebte zu viele und hatte sein Testament zu früh gemacht. Amüsant sind seine Anweisung für die Drucklegung: »pour les faire imprimer mieux à ma fantaisie,... j'ordonne et veux, que l'on prenne sur ma totale héredité l'argent qu'en pouvra valoir la dite impression, et qui ne se pourra certes monter à beaucoup, car j'ay veu force imprimeurs ... que s'ils ont mis une foys la veue, en donneront plustost pour les imprimer qu'ils n'en voudraient recepvoir; car ils en impriment plusieurs gratis que ne valent pas les mieus. Je m'en puys bien vanter, mesmes que je les ay monstrez, au moins en partie, à aucuns qui les ont voulu imprimer sans rien... Mais je n'ay voulu qu'ils fussent imprimez durant mon vivant. Surtout, je veux que la dicte impression en soit en belle et grosse lettre, et grand volume, pour mieux paroistre...« Er gibt ganz moderne typographische Einordnungen. Endlich kam die Vollstreckung des Testaments in die Hände seiner Nichte, der Gräfin von Duretal; aber sie scheute sich wegen des Ärgernisses, das von den Büchern ausgehn konnte, den letzten Willen des Oheims zu erfüllen. Auch die spätern Erben wollten von der Veröffentlichung gar nichts wissen, sondern schlossen die Manuskripte in die Bibliothek ein. Mit der Zeit aber verbreiteten sich die Kopien, es wurden immer mehr Abschriften genommen, und eine der Abschriften fand auch bald den Weg in die Offizin eines Buchdruckers. Ein Fragment wurde in die