Das Leben der galanten Damen. Pierre de Brantôme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre de Brantôme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027204670
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       Pierre de Brantôme

      Das Leben der galanten Damen

      Sittenbild der französischen adligen Gesellschaft des 16. Jahrhunderts

      

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       [email protected] 2017 OK Publishing ISBN 978-80-272-0467-0

      Inhaltsverzeichnis

       Einleitung

       Widmung

       Erste Abhandlung

       Zweite Abhandlung

       Dritte Abhandlung

       Vierte Abhandlung

       Fünfte Abhandlung

       Sechste Abhandlung

       Siebente Abhandlung

      Einleitung

       Inhaltsverzeichnis

      Die Mandragola des Machiavelli, ein Spiegel italienischer Sitten zur Zeit der Renaissance, ist bekannt. Das Motiv hat später Lafontaine zu einer seiner lustigsten Geschichten verwendet. Im vierten Abschnitt läßt er Liguro einen falschen Offizier, einen Kammerdiener und einen falschen Arzt zu einer komischen Liebesexpedition in Schlachtordnung aufstellen, und dazu sagt Liguro:

      »A la corne droite, on placera Callimaque; je me placerai au bout de la corne gauche, le docteur entre les deux cornes; il s'appellera saint Coucou.«

      Un interlocuteur: ».

      Quel est ce Saint là?«

      »Le plusgrand saint de France.«

      Der »Interlocuteur« und die Antwort, die er bekommt, sind köstlich. Den Witz hätte schon Brantôme machen können, vielleicht schrieb er ihn nur nicht auf; denn allzusehr durfte er sich seinem beliebten Spiel mit dem Wort »cocu« doch nicht hingeben.

      »Der Hahnrei der größte Heilige von Frankreich.« Das hätte als Motto über den »Galanten Damen« stehen können. Philarète Chasles, »le vieux Gaulois«, hätte es zwar bestritten, er behauptete immer, Gallien wäre rein und keusch, und wenn Frankreich lasterhaft wurde, dann sei es bloß von benachbarten Völkern angesteckt worden, aber der gute Akademiker war auch nur vortrefflich über die Einflüsse von Italien herüber unterrichtet; von der Existenz des Hahnrei selbst in der Kultur des sechzehnten Jahrhunderts hatte er keine Ahnung. Er schwört sogar Stein und Bein (in seiner Vorrede zur Edition von 1834), das sei alles gar nicht so ernst gewesen, die Hofleute hätten nur ein kleines Gelüste gehabt, auf eine elegante Weise unmoralisch zu sein. Er nennt Brantôme sogar »un fanfaron de licence«, einen Renommisten der Ausschweifung, ja er wäre unglücklich, wenn er nicht die beruhigende Versicherung abgeben könnte: »Quand il se plonge dans les impuretés, c'est, croyez-moi, pure fanfaronnade de vice.« Reine Prahlerei mit der Lasterhaftigkeit. Wer lacht nicht über den guten Akademiker, dem die Geschichte seiner Könige so unbekannt geblieben ist? Das Croyez-moi klingt ausgezeichnet. Aber das Trefflichste kommt noch: Das Buch der galanten Damen sei durchaus nicht nur als »frivole Sammlung skandalöser Anekdoten« zu betrachten, sondern als »curieux monument historique«. Wenn Chasles das Wort »kulturhistorisch« gekannt hätte, mit dem heute so viele moralisch unbequeme Bücher kaschiert werden ...

      Der Mann mit den Palmen auf dem Frack hatte die Empfindung, einen Autor, dessen Werk er herausgebe, dürfe er in der Vorrede nicht beschimpfen; man setzt sich doch auch nicht hin und schreibt über eine verruchte Seele eine dicke Biographie; ganz behaglich muß ihm nicht dabei gewesen sein. Daß er aber Brantôme gar beschönigen wollte, das war nicht hübsch von ihm. Eduard Engel war offener, er nannte ihn den »scheußlichen« Brantôme und sprach von »unerreichter Gemeinheit« und wieder von einem »Hexenkessel unsagbarer Scheußlichkeiten«. Lotheißen, in dem man sonst den gerechtesten Kenner und Wäger der französischen Kultur verehren muß, tut seine Bücher als »gemeine und freche Klatschereien« ab.

      Brantôme wird wohl für immer eine schwankende Erscheinung in der Kulturgeschichte bleiben, am Urteil der Oberflächlichen über diesen Schriftsteller wird nun einmal nicht mehr gerüttelt werden können. So einfach wollen wir aber hier mit Brantôme nicht fertig werden. Jeder Moraltrompeter hat es schrecklich leicht, über ihn den Stab zu brechen. Es muß jedoch eine tiefere Beurteilung Platz greifen. Nun böte sich ja, um über die Schwierigkeit hinwegzukommen, ein (schon erwähntes) verführerisches Mittel an: man legt dem guten lächelnden Brantôme das so beliebte kulturhistorische Mäntelchen um und führt ihn so auf den Markt. Es wäre ja nicht falsch, aber – was hat das arme Wort »kulturhistorisch« nicht schon alles mit seiner neutralen Flagge decken müssen? Nein, für diese Etikettierung ist Brantôme zu schade, er braucht sie auch nicht, er ist schon ganz von selber kulturhistorisch, ohne daß man es ihm auf die Nase schreibt. Nun wäre zu fragen: von welcher Seite soll ich dann aber überhaupt Brantôme begreifen? Man könnte sagen: von der Zeit her, aber das ist, so allgemein gesagt, eine Gassenweisheit. Es stimmt auch nicht ganz; denn Brantôme muß mit seiner Persönlichkeit – und man wird diese verwegene, bravouröse, anarchistische Persönlichkeit, die ihrem König den Kammerherrnschlüssel fast ins Gesicht wirft, kennen lernen, – von seinem Werk ebensoweit abgerückt werden, als er ihm nach der Meinung der Gebildeten nahe steht. Hier hat man wieder einmal den eklatanten Fall, daß der Verfasser mit seinem Buch durchaus nicht identifiziert werden darf. Diese Ereignisse hätten ebensogut durch einen andern Kopf gehen können, sie wären doch dieselben geblieben; denn Brantôme war nicht ihr Urheber, er hat sie nicht erfunden, er war nur der naive Chronist. Da tritt nun der Fall ein: Dem Schriftsteller werden Dinge in die Schuhe geschoben, an denen er selbst ganz unschuldig ist (wie sehr läßt die Gesellschaft einen Autor für seine Konfession in Buchform büßen), es wird ihm schon zum Verbrechen angerechnet, wenn er ihr Berichterstatter geworden ist, ja es ist sein Verbrechen. Die Verantwortlichkeit, die Brantôme für seine Schriften zu tragen hat, ist eine sehr einzuschränkende, und wenn die gebildeten Pfarrersköchinnen es rundweg ablehnen, sich mit dem Rest zu versöhnen, braucht man ihnen nur entgegenzuhalten, daß dieser Rest durch das eigenste, persönlichste Leben Brantômes völlig aufgehoben wird.

      Brantôme rechnete sich zu seinen Lebzeiten zweifellos zu den Historikern. Das war ein verzeihlicher Irrtum. Die Meinungen über den geschichtlichen Wert seiner Berichte gehen sehr auseinander, im allgemeinen neigt man zur Ansicht, Brantôme verbürgte keinerlei Exaktheit und gehörte eher zu den Chroniqueurs und Memoirenschreibern. Ja, für jeden Satz hat Brantôme die historische Richtigkeit freilich nicht aufzuweisen, wer vermöchte auch dieses Kaleidoskop von Einzelfällen exakt hinzustellen? Aber die Bedeutsamkeit, den symbolischen Wert, die hat Brantôme!

      Um diesen scharfen Schnitt zwischen dem Livre des Dames galantes und seinem bisherigen vermeintlichen Urheber zu begründen, muß man mir schon erlauben, daß ich das Frankreich des sechzehnten Jahrhunderts schildere. Verschiedene Essayisten sagten, die Zeit sei ganz zahm und sittenrein gewesen, Brantôme habe das alles erdichtet und aufgebauscht, und wenn sie dann Beispiele anführten, kam es doch heraus, daß ihre Meinung wie die Schlange war, die sich in den Schwanz biß. Ihre Beispiele