Das Leben der galanten Damen. Pierre de Brantôme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre de Brantôme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027204670
Скачать книгу
zu seinem Buch. Die wenigsten Heldentaten mögen auf seine eigene Rechnung kommen, und diese noch erzählt er unpersönlich, die meisten erfuhr er, erlebte er mit, oder sie wurden ihm erzählt. Zum großen Teil von den Königen selbst. In welcher Beziehung man auch immer von der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in der Geschichte lesen mag, es wird immer von den liederlichen, wollüstigen und unsittlichen Valois gesprochen. Die Könige korrumpierten diese Epoche so sehr, daß Brantôme ein Heliogabal hätte sein müssen, wenn sein Kulturbeitrag spürbar sein sollte.

      Am Anfang dieser Entwicklung stehen die Einflüsse der italienischen Renaissance. Durch die Kriegszüge Karls VIII. kam Frankreich mit ihr am kräftigsten in Berührung. Diese Könige führten lange Kämpfe um den Besitz von Mailand, Genua, Siena, Neapel. Ein Traum des Südens führte die Franzosen über die Alpen, und jeder Feldzug hatte eine neue Überströmung mit italienischer Kultur zur Folge. Wenn Frankreich am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts noch nicht der Hauptsitz der Lebenskunst und der feinen Sitte war, so näherte es sich doch schon unter Franz I. mit Riesenschritten diesem Zustand; denn nun kam noch eine Invasion spanischer Kultur hinzu, Madrid wurde nach Rom die zweite Lehrmeisterin von Paris. Franz I., dieser ritterliche König, entfaltete ein blühendes Hofleben, zog italienische Künstler nach Blois, Lionardo, Cellini und andere, und suchte die Grandezza spanischer Formen an seinem Hof heimisch zu machen. Eine Zeitlang schien Frankreich noch eine Kopie Italiens, aber eine schlechte Kopie, mit dem Überwiegen des spanischen Einflusses näherte sich das Zeremoniell der Gesellschaft seiner Vollendung.

      Franz I. brachte also die ritterliche Galanterie in Frankreich zur Blüte, im Edelmann sah er den ersten Vertreter des Volks, und Frauendienst und Frauenhuld gingen ihm über alles. Der Hof gefiel sich in einem göttlich-frivolen Treiben, schon jetzt wurde die Mätressenwirtschaft zu einer fast offiziellen Institution. »Ich habe von des Königs Wunsch sagen hören,« erzählt Brantôme, »daß die Edelleute seines Hofs nicht ohne eine Dame ihres Herzens seien, und wenn sie diesem Wunsch nicht entsprachen, hielt er sie für abgeschmackt und einfältig. Die andern aber fragte er häufig nach dem Namen ihrer Geliebten, versprach ihnen zu helfen und für sie zu sprechen, so gütig und vertraulich war er.« Auch das andre Wort: »Ein Hof ohne Frauen sei wie ein Jahr ohne Frühling, wie ein Frühling ohne Rosen,« stammt von Franz I. Dieses Hof leben hatte freilich schon eine drückende Finanznot, Korruption der Staatsverwaltung und Ämterverkauf zur Kehrseite, die italienischen Architekten, die in Frankreich die Prachtbauten von Saint Germain, Chantilly, Chambord, Chenonceaux aufführten, waren eben auch sehr kostspielig. Auch die literarischen Interessen wurden sehr gepflegt, das feinere Französisch entwickelte sich zu dieser Zeit. In Blois wurde eine Bücherei, eine Chambre de librarye eingerichtet. Alle Valois waren überhaupt bedeutende Talente im Abfassen von poetischen Episteln, Liedern, Novellen, nicht bloß die königliche Schwester Franz' I., Margarete von Navarra, die nach dem Beispiel ihres Bruders die schönen Wissenschaften beschützte und pflegte. Wir hören allerdings auch schon von der »erschreckenden Sittenlosigkeit« in Pau, wenn es auch nicht so arg gewesen sein mag. Aber mit dem Hoftreiben in Pau erscheint sogleich Brantôme verflochten; seine Großmutter, Louise von Daillon, Seneschallin von Poitiers, war eine der vertrautesten Hofdamen der Königin von Navarra; seine Mutter, Anna von Bourdeille, wird sogar in verschiedenen Novellen des Heptameron redend mit eingeführt. Ennasuite heißt sie, und sein Vater, Franz von Bourdeille, tritt als Simontaut auf. Im Louvre wurde das Leben immer freier. Franz I., dieser königliche Don Juan, soll sogar ein Rivale seines Sohnes geworden sein, ohne daß wir wissen, ob wir dies auf Katharina von Medici oder auf Diana von Poitiers beziehen sollen. Nach einer andern Version rivalisierte aber vielmehr Heinrich II. bei Diana von Poitiers mit seinem Vater. Aber es bedurfte gar nicht der Rache jenes betrogenen Edelmanns, die Franz I. das Leben kostete. Man sagt, der König sei mit Willen angesteckt worden, man konnte ihn nicht heilen, und er starb an dem Übel. Jedenfalls war bei seinem Ende sein Körper von venerischen Geschwüren vollständig vergiftet. Die körperliche Entartung war eine furchtbare Erbschaft, die er seinem Sohn, Heinrich II., hinterließ.

      Dieser hatte inzwischen Katharina von Medici geheiratet. Mit ihr zogen italienische Verderbtheiten noch stärker über die Alpen. Sie brachte eine Unmenge von Astrologen, Tänzern, Sängern, Gauklern, Musikern mit, die gleich Heuschrecken auf Frankreich lasteten. Auf den Kulturprozeß wirkte sie damit sehr beschleunigend ein, sie durchtränkte den Hof Heinrichs II., sowie den seiner drei Söhne mit italienisch-spanischem Geiste. (Man sieht schon an den zahlreichen Zitaten Brantômes, wie innig und häufig bereits damals die Beziehungen zwischen Frankreich und Spanien waren, dem klassischen Land der feinen höfischen Liebe und der Galanterie.) Mächtiger als ihre Sinnenlust war allerdings stets ihre Herrschsucht; von imponierendem Äußern, war sie nicht schön, eher allzu stark, der Jagd leidenschaftlich ergeben, aber männlich auch in der Menge des Essens, das sie zu sich nahm.

      Sie konnte vorzüglich reden und wendete ihre literarischen Fertigkeiten in ihrem diplomatischen Briefwechsel an, man veranschlagt ihre Korrespondenz auf 6000 Briefe. Die tiefe Demütigung, mit Madame von Valentinois, Diana von Poitiers, der Geliebten Heinrichs II., die Tafel und das Bett ihres königlichen Gemahls teilen zu müssen, blieb ihr allerdings nicht erspart. In dieser schwierigen Lage, einem unwissenden und beschränkten Gatten gegenüber, der noch dazu von seinen Günstlingen völlig beherrscht wurde, bewahrte sie einen überaus klugen Geist. Katharina von Medici war freilich eine verschlagene Frau, die später mitten in den Festen, die sie feierte, an der Verwirklichung tiefster und geheimster Absichten arbeitete.

      Heinrich II. hinterließ vier Söhne und eine Tochter, die ihm Katharina von Medici nach einer zehnjährigen Unfruchtbarkeit geboren hatte. Mit ihnen erfüllte sich das tragische Geschick der letzten Valois. Einer nach dem andern steigt auf den Thron, um den kein Kindeslächeln, kein süßer Schrei sein holdes Leben breitet. Der letzte steht noch an den Stufen und verzehrt sich schon, und von der letzten Valois, jener Margarete, die mit ihrer bezaubernden Schönheit die Menschen betörte und als erste Gemahlin Heinrichs IV. die Welt mit dem Ruf ihres skandalösen Lebens erfüllte, rollte das valesische Blut ganz allein in den Bourbonen weiter, ein verdorbenes Blut, ein unheilvolles Erbe. Es liegt Tragik darin, daß das Buch der galanten Damen gerade Alençon, dem allerletzten Valois, dem allerjüngsten, gewidmet ist. Von den vier Söhnen war einer verkommener als der andere, sie lieferten den Stoff zu seinen Berichten. Das Buch der galanten Damen ist damit auch das Siegel auf das Ende eines Geschlechts. Mit Franz II. begann die Linie. Er bestieg den Thron als ein sechzehnjähriger Knabe; an geistiger Entwicklung war er gerade so schwächlich und zurückgeblieben wie an körperlicher. Nicht ein Jahr mehr war er dem Leben gewachsen, schon 1560 starb er »infolge eines Kopfgeschwürs«. Dann führte Katharina von Medici zehn Jahre die Regentschaft. 1571 war der nächste Sohn Karl so alt geworden, um sich auf den Thron setzen zu können, er bestieg ihn mit 22 Jahren, hoch aufgeschossen, aber mager, schwach auf den Beinen, von gebückter Haltung und kränklich-blasser Gesichtsfarbe. So wurde er von François Clouet, genannt Janet, gemalt, ein berühmtes Bild, das heute im Besitz des Herzogs von Aumale ist. Als junger Prinz genoß er die feinste Erziehung. Amyot und Henri Estienne waren seine Lehrer, mit denen er Plotin, Plato, Virgil, Cicero, Tacitus, Polybius und Machiavelli studierte. Die Plutarchübersetzung Amyots war das Entzücken des ganzen Hofes. »Man sah die Fürstinnen aus dem Hause Frankreich«, sagt Brantôme, »mit ihren Damen und Ehrenfräulein sich höchlichst an den schönen Aussprüchen der Griechen und Römer erbauen, die durch den süßen Plutarch dem Gedächtnis aufbewahrt waren.« So kam auch bei dieser höfischen Geselligkeit die Literatur zu ihrem Recht, aber nicht bloß der altklassischen Literatur huldigten sie, alle waren auch in der Kunst des Sonetts erfahren und verstanden zierliche Liebesliedchen zu reimen wie ein Ronsard; Karl IX. dichtete selbst und übersetzte horazische Oden ins Französische. Seine weichliche Natur, die zwischen erniedrigenden Ausschweifungen und Gewissensangst hin und her schwankte, vergnügte sich an graziösen und leichtfertigen Dichtungen. Auch Gutes zeitigte die Bewegung; nachdem schon 1539 die französische Sprache als Gerichtssprache, auch bei den Vorträgen, eingesetzt worden war, gab Karl IX. 1570 die Erlaubnis zur Stiftung einer Gesellschaft zur Ausbildung und Reinigung der Sprache. Aber auch hierin eiferte der ehrliche de Thou über »das verdorbene Zeitalter« und schrieb von der »Vergiftung der Frauen durch unsittliche Lieder«. Der gute Mann schrieb allerdings lateinisch. Nun begannen unruhige Zeiten, die hugenottischen Aufstände tobten durch Frankreich. Aber gerade die Unruhen und die Gefahr beförderten einen gewissen leichten Lebensmut, eine kecke Sorglosigkeit.