HELL WALKS - Der Höllentrip. David Dunwoody. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Dunwoody
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351363
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haben einen Little One gefunden, der tot ist! Er liegt gleich dort vorne und er lebt nicht mehr!« Dies war am vorangegangenen Abend passiert. Der Junge hatte ein zerfallenes Autohaus verlassen, gerade als die Gruppe vorbeigegangen war, und Gott, wie laut er gerufen hatte … es schien so, als sei es das Tollste auf der Welt für ihn, dass nur wenige Meilen entfernt ein Little One lag. Quebra trug als Einziger in der Gruppe eine Waffe und hatte damit sofort auf ihn angelegt. Der Junge war augenblicklich erstarrt und sein Gesicht erschlafft, fassungslos und vielleicht auch erschrocken in Anbetracht der Reaktion. Die anderen in der Gruppe, Frank eingeschlossen, hatten das Ganze nur beobachtet. »Du bist mir ein wenig zu ausgelassen, Sohn«, hatte Quebra mit seiner gleichbleibenden, gebieterischen Stimme gesagt. Steif dastehend hatte er Duckie im Fadenkreuz behalten, während der Junge aschfahl hin und her geschwankt war. »Bist du krank?«, hatte Quebra schließlich gerufen. Dies schien für ihn die einzige Erklärung dafür zu sein, dass jemand so blindlings auf eine Gruppe Fremder zulief, und das auch noch lauthals schreiend. Der Kerl musste einfach infiziert sein. Duckie hatte »Ja« gesagt, fast beschämt und dabei seine Arme hängenlassen. Frank erinnerte sich daran, dass er auf die angespannten Unterarme des Mannes geschaut hatte, seine einzigen Körperteile, die nicht mit Flecktarn bedeckt waren. Er wusste noch, wie er sich gefragt hatte, ob der Soldat den Jungen jetzt einfach so auf der Stelle hinrichten würde, ganz geschäftsmäßig ohne Gnade und ob das richtig sei. Dann hatte plötzlich eine Frau aus der Richtung des Autohauses etwas gerufen. Sie war durch ein zerbrochenes Schaufenster getreten und hatte schrill geschrien: »Er ist nicht krank, nicht auf diese Art!« Sie war in den mittleren Jahren und hatte unordentlich vom Kopf abstehende, graue Haare (mindestens ein paar davon besaßen auch alle anderen in der Gruppe mittlerweile). Mit flehentlich ausgestreckten Armen war sie auf die Straße zugegangen. »Wir sind nicht krank«, hatte sie gesagt, dabei hatte sie die Ärmel ihres schmuddeligen Strickpullovers hochgezogen und das Haar von ihrem Hals weggeschoben. »Duckie«, hatte sie leise gerufen, »zieh dein Shirt hoch und zeig ihnen deinen Oberkörper. Ganz langsam.« Und zu Quebra fügte sie hinzu: »Er hat keine Waffe, er ist doch noch ein Kind.« Quebra war währenddessen reglos und auch eine Antwort schuldig geblieben. Sein Schweigen hatte alles ausgedrückt, was er dachte. Ob er ein Kind ist, hat nichts zu sagen, ob er bewaffnet oder infiziert ist, darauf kommt es an. Nicht, dass Frank den Soldaten für einen kaltherzigen Menschen hielt, er war nur jemand, der das erledigte, wovor sich alle anderen fürchteten – Dinge, die einfach getan werden mussten. Duckie hatte fast komisch zaghaft, so als mache er sich über die Aufforderung der Frau lustig, sein marineblaues Sweatshirt bis über die Brustmuskeln hochgezogen und sich danach langsam im Kreis gedreht, um seinen nackten Oberkörper von allen Seiten zu zeigen. Er war tatsächlich frei von Blessuren. Quebra hatte sein Gewehr daraufhin ein klein wenig gesenkt. »Er ist geistig behindert«, hatte die Frau ihnen erklärt. Ihr Tonfall war in keiner Weise empört gewesen – kein angedeutetes Wieso ist dir das denn nicht aufgefallen? Wie kannst du es wagen? –, aber Frank hatte eine gewisse Mattigkeit herausgehört, die Erschöpfung einer Person, die eine bindende, liebevolle Verpflichtung eingegangen war und davon langsam aber sicher ausgezehrt wurde. Er wusste noch, dass er deshalb vermutet hatte, sie sei Duckies Mutter. O'Brien war jedoch, wie sich herausgestellt hatte, seine Sonderschullehrerin, beziehungsweise sie war gewesen. Sie hatte ihnen erzählt, dass seine Familie tot sei, genauso wie ihre eigene, und seitdem führe sie ihn durch den mittleren Westen. Sie war nun also keine bloße Erzieherin mehr, sondern Vollzeitbetreuerin, und Frank vermutete, dies sei so, weil weder ihr noch Duckie jemand anderes im Leben geblieben war. Er hatte gehofft, zwischen den beiden laufe nichts Anstößiges, wenngleich ihm dies nun in den frühen Morgenstunden lächerlich vorkam, als er dabei zusah, wie O'Brien Duckies schmutziges Gesicht mit einem Ärmel abwischte, den sie vorher mit Spucke befeuchtet hatte. Nachdem sie ihn und seine Behüterin aufgenommen hatten, war die Gruppe bis zum Einbruch der Dunkelheit in dem Autohaus geblieben, um sich danach wieder auf den Weg zu machen, der sie angeblich zu einem der toten Riesen bringen würde. Sie hatten allerdings nur quälend langsam Fortschritte gemacht und oft angehalten, weshalb sie erst jetzt auf diesem mit Fahrzeugen verstopften Straßenabschnitt an dem zerstörten Splitterschutzwall hockten und darauf warteten, die Kreatur endlich sehen zu können … den Little One, wie Duckie und so viele andere sie nannten. Der Junge tat dies allerdings ohne jedwede Ironie, und zwar deshalb, weil es, obwohl die Little Ones rund dreihundert Fuß hoch waren, noch einen viel Größeren gab, der weiter nördlich stand. Es ist, wie es ist. Hier saßen sie nun, während die Sonne und der Nachthimmel Schisshase spielten. Frank, ein ehemaliger Werbetexter mit einem Lungenleiden und Gelenken, die wehtaten, sobald er sich auch nur bewegte; Chapperino, ein alter Sack und ursprünglich aus Queens, der fast übermenschliche Geduld – er hatte während Quebras Konfrontation mit Duckie nichts gesagt – und unglaubliches Mitgefühl gegenüber anderen Menschen an den Tag legte. Der Junge selbst, der eigentlich in Ordnung, wenn auch bisweilen ein wenig laut war, weshalb man ihn wiederholt daran erinnern musste, dass es menschliche Monster gab, vor denen man sich in acht nehmen musste, und O'Brien die in jeder Hinsicht die typische Ersatzmutter verkörperte, und ungefähr so alt wie Frank zu sein schien, also über vierzig, obwohl sie genauso verhärmt und verlebt aussah, wie sie alle. Auch Caitlin und ihre Schwester Autumn zählten zu den neuesten Zuwächsen der Gruppe. Erstere hatte langes, ungewöhnlich schwarzes Haar, vielleicht weil es so lange nicht gewaschen war, obwohl es noch sehr gesund wirkte. Aus diesem Grund fiel es Frank auch so oft ins Auge. Sicher, das Mädchen war attraktiv, doch Franks Gehirn verarbeitete den Anblick einer jungen Frau nicht einmal mehr in seinen primitivsten Niederungen auf solch eine Weise. Jene müßigen, oft schmutzigen Gedanken, die einem Mann wie es schien ungeachtet der Umstände, regelmäßig in den Sinn kamen, hatten deutlich nachgelassen, als alles vor die Hunde gegangen war, und hatten wesentlicheren Instinkten die Führung überlassen. Autumn war ebenfalls hübsch, und ihr glattes Haar machte einen gepflegten Eindruck, auch wenn es wohl schon einen Monat her war, seit ihnen zuletzt genügend sauberes Wasser zur Verfügung gestanden hatte, um irgendetwas zu waschen. Ihr Haar war rot; als sie noch allein mit ihrer Stiefschwester unterwegs gewesen war, hatte sie sich irgendwann die Zeit genommen, um in eine Drogerie einzubrechen, und hatte sie in einem kräftigen Rotton gefärbt. Sie sah wie knapp dreißig aus, und »Cate« war jünger als sie. Wenn Frank an sie dachte, dann eigentlich immer nur im Zusammenhang mit Caitlin, weil Autumn bisher stets darauf geachtet hatte, kein bisschen von ihrer Persönlichkeit preiszugeben, sie war nahezu verbissen zugeknöpft. Caitlin war zwar offener, doch die Ältere hielt sie an der kurzen Leine, und wie straff diese gespannt war, wurde zu manch seltenem Anlass recht offensichtlich. Dann kam Quebra, der stets für einen Scherz zu haben war, außer er wurde ›scharfgemacht‹. So umschrieb es Chia, wenn bei ihm die Ausbildung des Soldaten durchbrach, sodass er sich merklich versteifte. Frank hatte sich bei diesem Vergleich an einen Jagdhund erinnert gefühlt, aber nichts weiter dazu gesagt. Wenn Quebra nicht »scharf« war, konnte er gut und gerne eine Stunde lang mit Chia an einem Feuer sitzen und ein Pointenfeuerwerk abfackeln, bis niemand mehr an sich halten konnte und aus voller Kehle lachen musste. Das war gut, wenn auch ein wenig unsicher, doch Frank vertrat die Meinung, sie wären nie so weit gekommen, wenn es nicht hin und wieder auch mal etwas zu Lachen gegeben hätte. Quebra, ihr abgerichteter Killer, wusste dies eventuell sogar noch besser als jeder andere. Blieb noch das letzte Mitglied ihres Oktetts, Ethan Dodgman – oder auch Dodger, wie er gern genannt wurde. Sechsundzwanzig, Sohn eines Gouverneurs, Neffe eines US-Senators und wohlhabend: Dies waren jene Informationen, die jeder über ihn wissen sollte. Dinge, die allerdings in der jetzigen Welt keine Relevanz mehr besaßen. Für Frank gab es keinen Grund, Dodgers Behauptungen anzuzweifeln, aber sie waren ihm genauso wie auch allen anderen egal. Das einzig Zwingende an Dodgers Geschichte war seine Verbannung aus dem mit allen Schikanen ausgestatteten Atombunker der Familie, nachdem er den kürzesten Strohhalm gezogen hatte. »Bedauere, Sohnemann, wir haben einfach nicht genug Platz für alle zwölf von uns, aber du bist ja noch jung. Du hast bessere Chancen, dich da draußen alleine zu behaupten, als dein alter Herr. Amerika braucht deinen Vater, Sohnemann, sie brauchen ihn hier unten in der Einsatzzentrale.« Frank stellte sich vor, wie Dodgers Erzeuger diese eiskalte Abschiedsrede mit einem Glas Scotch in der Hand geschwungen hatte. Ein wahnsinniger Aristokrat, der glaubte, die US-Regierung existiere noch, und es gebe weiterhin einen Machtsitz mit seinem Namen darauf. Andererseits schien auch der Sohn dieser Annahme zu sein. Denn obwohl er die Scheiße hier draußen schon gut drei Jahre mitmachte und erlebt hatte, wie ziviles Aufbegehren zu einem Bürgerkrieg geworden war, bis keine