Mein lieber Sohn,
ich bin mir sicher, dass Len dir inzwischen erzählt hat, was ich getan habe und warum. Ich weiß, du bist bestimmt enttäuscht von mir, aber ich wollte es so. Diese vergangenen paar Monate waren voller nicht enden wollender Schmerzen durch den Krebs und den Versuch der Ärzte, ihn zu besiegen. Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe, aber ich wusste, du hättest versucht, mich davon abzuhalten, und ich konnte dir noch nie etwas verwehren.
Ich bat Len, dir diesen Brief zu geben, sobald du dich entschieden hast, ob du die Farm behältst oder verkaufst. Ich weiß, was du wählen wirst, und ich bin stolz, dass du dich dazu entschlossen hast, sie zu behalten. Du wirst die vierte Generation sein, die die Farm führt, und ich weiß, du wirst sie an die nächste Generation in so gutem Zustand weitergeben, wie du sie von mir bekommen hast. Du liebst dieses Land genau so sehr wie ich; es liegt dir im Blut.
Es gibt ein paar Dinge, um die ich dich bitten will. Bitte kümmere dich um Len. Er ist die Liebe meines Lebens und ich wurde mit ihm und dir gesegnet. Ich hoffe, er findet jemanden und wird wieder glücklich. Wenn es soweit ist, darfst du nicht versuchen, ihn aufzuhalten. Er verdient jedes Glück, genau so wie du. Landwirtschaft kann ein sehr einsames Leben sein, also finde jemanden, der für dich das ist, was Len für mich war. Das wiegt alles andere wieder auf.
Zum Schluss möchte ich dir noch sagen, wie sehr ich dich liebe und dass ich stolz bin, dich zum Sohn zu haben. Du hast mein Leben jeden einzelnen Tag lang bereichert. Das erste Mal, dass ich dich im Arm hielt, konnte ich nicht fassen, wie schnell jemand mein Herz gewinnen kann, aber ein Blick aus deinen blauen Augen und es war um mich geschehen. Und dann bist du zu einem außergewöhnlichen Mann mit einem großen Herzen herangewachsen.
Du wirst in den kommenden Jahren durch viele Dinge geprüft werden, aber was auch immer passiert, bleib derselbe liebende, liebevolle Mensch, der du heute bist.
Ich werde dich immer lieben,
Dad
Geoffs Augen brannten und sein Hals tat weh, als er den Brief zurück in seinen Umschlag steckte. Er ging zurück ins Büro und legte den Brief in die oberste Schublade der Kommode, schaltete das Licht aus und stieg die Treppe nach oben. Die Worte seines Vaters hallten noch lange in seinen Ohren nach.
4. Kapitel
Geoff hatte noch nie einen Wecker gebraucht, um morgens aufzustehen – vorausgesetzt, er hatte am Abend vorher nicht getrunken – und dieser Morgen bildete da keine Ausnahme. Es war immer noch dunkel draußen, aber Geoff schon aus dem Bett. Gewaschen und angezogen, machte er sich vor seinem morgendlichen Ausritt in der Küche etwas zu essen.
Er hörte ein leises Klopfen, öffnete die Tür und stand Lumpy gegenüber. Er sah besorgt aus.
»Da ist etwas im Stall, was du dir anschauen musst.«
Geoff wunderte sich über die ominöse Andeutung, folgte Lumpy aber über den Hof in den Stall und zur leeren Box am anderen Ende, aus der ein paar schwarze Stiefel zu sehen waren. Beim näheren Hinschauen konnte er auch die dazugehörigen Beine erkennen, und als er um die Ecke linste, die schlafende Gestalt eines Jungen.
Zwar lag der Stall bis auf das dämmrige Morgenlicht, das durch Fenster und die geöffnete Tür drang, immer noch zum Großteil im Dunkeln, aber Geoff konnte nichtsdestotrotz das ungewöhnliche Äußere des Jungen erkennen. Erst jetzt bemerkte er die schwarzen Hosen, die unter einem schwarzen Mantel hervor lugten, den der Junge als Decke benutzte, und den breitkrempigen Hut, der sorgfältig auf der leeren Krippe abgelegt worden war. Was zum Teufel machte ein Amish-Junge schlafend in seinem Stall?
Geoff konnte nicht lange darüber nachdenken, weil die Augen des Jungen sich ein paar Sekunden später öffneten und ihr ängstlicher Blick auf seinen traf. Urplötzlich war der Bursche auf seinen Beinen und raste wieselflink aus dem Stall hinaus auf den Hof. Lumpy schaute zu Geoff und wollte ihm hinterher, doch Geoff rief ihn zurück.
»Ich geh'. Du fängst mit deiner Arbeit an.«
Lumpy nickte und Geoff hob den Hut und die Stiefel auf und ging hinaus. Im Dämmerlicht konnte er den Jungen an der Straße stehen sehen, wie er zurück zum Stall schaute. Geoff lief langsam in seine Richtung, behandelte den Jungen wie ein verschrecktes Pferd. Er achtete darauf, keine plötzlichen Bewegungen zu machen.
»Du hast deine Stiefel und den Hut vergessen.« Geoff hielt sie ihm hin. Als der Junge keine Anstalten machte, sie zu nehmen, bückte sich Geoff ruhig und legte beides auf den Boden.
»Ist schon in Ordnung, ich tu' dir nichts.« Er trat zurück und der Junge bewegte sich vorwärts, zog seine Stiefel an und nahm seinen Hut. »Warum hast du im Stall geschlafen? Wo ist deine Familie?«
»Rumspringa.«
Das Wort hörte sich für Geoff fremd an. »Ich weiß nicht, was das bedeutet.«
Der junge Mann – Geoff konnte nun sehen, dass er definitiv kein Kind mehr war – stand wieder auf. Der Blick der strahlend blauen Augen bohrte sich in seinen.
»Es ist meine Zeit weg von der Gemeinschaft.«
Geoff nickte. Er wusste nicht allzu viel über die Amish außer dem, was er von anderen gehört hatte. Aber wenn der Junge weg von der Gemeinschaft leben sollte und in seinem Stall schlief, hatte er offenbar keinen Ort, wo er bleiben konnte.
»Hast du Hunger?«
Der junge Mann stand wie erstarrt, als ob er entscheiden musste, ob er antworten oder lieber weglaufen sollte, seinen Ängsten folgen oder seinem Magen.
»Ja.«
Geoff lächelte und streckte seine Hand aus. »Ich heiße Geoff, ich bin der Besitzer der Farm.«
Der Amish-Junge schaute sich um, seine Augen wanderten über das Haus und die Ställe. Sein Gesicht nahm einen bewundernden Ausdruck an.
»Ich bin Elijah, Elijah Henninger.« Er nahm Geoffs Hand und schüttelte sie zaghaft.
»In Ordnung, Elijah. Komm mit, wir machen dir was zum Frühstück.« Geoff drehte sich um und ging zum Haus, schaute sich dabei nur kurz um, um zu sehen ob Elijah ihm folgte. »Es ist alles in Ordnung. Wir gehen nur rein.«
Er führte sie zur Hintertür und in die Küche. Elijah folgte ihm und nahm sofort seinen Hut ab, als er hinein kam, unsicher, wo er hingehen und was er machen sollte.
Lens Überraschung war kaum zu übersehen, als er den jungen, amischen Mann in der Küche stehen sah, aber glücklicherweise schaute Elijah sich gerade um. Geoff tat so, als hätte er ihn ebenfalls nicht gesehen und redete weiter, als wäre die Situation nichts Ungewöhnliches.
»Ist das Frühstück bald fertig?«
Für eine Sekunde sah Len ihn an, als ob er drei Köpfe hätte, aber dann erinnerte er sich an seine Manieren. »In ungefähr zehn Minuten.«
»Gut.« Geoff bedeutete Elijah, zu ihnen zu kommen. »Len, das ist Elijah. Er wird mit uns frühstücken. Elijah, das hier ist Leonard – Len. Er ist hier der Vorarbeiter auf der Farm.«
Auf keinen Fall würde Geoff versuchen, ihre Beziehung zu erklären, und Len schien das zu verstehen und folgte seiner Vorlage.
Geoff bugsierte Elijah zu einem der Stühle, wo dieser sich gehorsam niederließ, und den Hut dabei unter dem Stuhl ablegte.
»Danke, Sir.«
Len deckte den Tisch fertig, während Geoff Gläser mit Saft füllte und auf dem Tisch abstellte.
»Was ist das?«
Geoff sah wie Elijah auf das Glas deutete. Oh mein Gott... der Junge wusste nicht...
»Das ist Orangensaft... probier einfach.«
Elijah schien das nicht ganz geheuer zu sein, nahm aber einen vorsichtigen Schluck. Er lächelte und probierte mehr, bevor er das Glas wieder abstellte. Dann