JAGDGRÜNDE. Michael Mikolajczak. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Mikolajczak
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352544
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Schlingpflanzen überwuchert war. Glatt und kühl fühlte sich die Oberfläche eines Blattes zwischen seinen Fingern an. Glatt und kühl malte er sich die Haut seines Opfers aus.

      Neugierig folgte er dem blonden, sich bewegenden Haar der jungen Frau. Der Zufall hatte ein Geschenk überbracht, und er war gewillt, die Gabe nicht zurückzuweisen.

      Es war so leicht, sich zu nähern. Er hörte sie Luft schöpfen und glich seinen Atemrhythmus ihrem an. Es erregte ihn, gleichzeitig in perfekter Harmonie mit ihr den Sauerstoff in den Körper zu saugen, zu verwerten, auszustoßen.

      Glück überflutete ihn, vermengte sich mit Aufregung. So nah war er der Erfüllung gekommen. Zum Greifen nah war sie und er streckte die Hand aus. Seine Finger öffneten sich, schlossen sich um den Stickstoff, den die schöne Frau Sekunden zuvor ausgeatmet hatte. Seine Faust versuchte einen Teil der unsichtbaren Essenz zu fassen, festzuhalten.

      Hatte er jemals eine Frau an sich binden können? Sie liebten ihn nicht, missachteten ihn, sahen weg, wenn sie ihm begegneten. Frauen waren für ihn zum Inbegriff von Demütigung und Verachtung geworden. Zu oft war es geschehen.

      Die Gedanken rasten in seinem Kopf, schrien durcheinander – und verstummten in freudiger Erwartung von Aufmerksamkeit, Beachtung, Erfüllung. In stummer Konzentration warteten sie darauf.

      Er öffnete die Hand und seine Finger folgten dem Spiel des Windes, folgten dem Auf und Ab der blonden Haare, bewegten sich den Händen eines Dirigenten gleich.

      »Lass deine scharfe Sichel schneiden und bring die Ernte ein.«

      Sie hörte sein Flüstern nicht, zu laut prasselte der Regen. Keine Gefahr, keine Eile. Der Regen war ein Freund. Er lärmte, um ihn zu erfreuen.

      Bald würde er glücklich sein und ihr Haar zwischen seinen Fingern reiben.

      Sie trat in eine Pfütze. Wasser spritzte auf.

      »Die Stunde für die Ernte ist gekommen, die Ernte ist reif.«

      Er zog seine Waffe, der Regen klatschte Beifall. Das Messer war lang, schmal. In der Klinge spiegelten sich die Gliedmaßen seines Opfers wider.

      »Tritt her! Ich werde dir zeigen, wie die große Hure bestraft wird.«

      Sie bemerkte ihn zu spät. Das Messer biss in ihr Fleisch.

      Täter und Opfer verharrten. In ihren Augen erkannte er Schmerz, Schock. Sein Gesicht schob sich über das ihre. Er genoss ihr Erstaunen, ihre Aufmerksamkeit, bevor sie stürzte und ihr Blut sich mit der Pfütze verband.

      Freundlich sah er auf sie herab. Er blieb bei ihr, wachte über sie, begleitete ihr Sterben. Das Letzte, was sie im Leben sah, war sein Lächeln.

      – 4 –

      Der Regen endete, wie er begonnen hatte: abrupt. Die Luft war ein wenig abgekühlt und erleichterte das Atmen. Arkady hoffte auf das Ende der Hitzeglocke. Zu lange schon lag sie über der Stadt. Er fühlte sich befreit. Druck und Anspannung waren verschwunden. Ein Gefühl von Leichtigkeit brandete in ihm auf, alles würde ihm jetzt gelingen. Die Kuppen seiner Finger prickelten, sein Herz schlug im Adrenalinrausch, seine Wangen waren gerötet. Die Erinnerung an die Frau erregte ihn.

      Es war schön gewesen.

      Arkady rannte, setzte seine pulsierende Energie in Bewegung um. Häuser zogen in Bewegungsunschärfe an ihm vorbei. Gebeugt von Verfall warteten sie darauf, abgerissen oder erneuert zu werden. Wie das zerfurchte, mit Make-up übertünchte Gesicht einer alten Diva wirkten sie auf ihn.

      Andere Gebäude strahlten im neuen Glanz ihrer restaurierten Fassaden und bezeugten den Reichtum zahlreicher Menschen und die Hoffnung auf Erneuerung.

      Viele Politiker wünschten die verfallenen Gebäude und die Menschen darin zum Teufel, hofften auf Investoren und die Verwandlung der Stadt in einen aus der Asche steigenden Phoenix.

      Um den Park waren erste Anfänge zu sehen, doch die neuen Fassaden gefielen Arkady nicht. Er war ein konservativer Mann. Dies war nicht mehr das Viertel seiner Kindheit. Mäßigung hatte damals geherrscht, das Alte war noch von Wert gewesen.

      Arkady sog die Luft in seine Lunge. Sein Körper war noch gut in Form, der kleine Bauchansatz zeugte mehr von müdem Gewebe, denn von Fett.

      Im Park hielt er inne. Nasse Bäume, in Pfützen schwimmende Blätter, Wasser auf Grashalmen. Der Duft der Pflanzen überwältigte ihn. Es war immer so, wenn er hier war. Arkadys Sinne waren geschärft. Ob es am Regen lag oder an der Begegnung mit der Frau, wusste er nicht.

      Hier im Park fühlte sich Arkady frei. Die Nacht war längst zum neuen Tag geworden, ohne dass die Sonne sich aufgemacht hätte, die Dunkelheit zu vertreiben.

      Auf einer verrotteten, hölzernen Bank wartete er auf das Licht.

      – 5 –

      Der erste Sonnenstrahl des Tages enthüllte die Gestalt des Parks, eine wilde Schönheit.

      Die Stadt verfügte nicht über genügend finanzielle Mittel, diese Schönheit zu bändigen, zu kultivieren, zu pflegen … und so hatte sich der Park im Herzen der Stadt in einen Dschungel verwandelt, bewachsen von einem Meer aus Farnen, die in Kniehöhe über den einst gepflegten Rasen waberten.

      Bäume ächzten unter der Last der Jahre, ließen Äste brechen und in den hölzernen Armen voller Blattwerk verharren. Schmarotzerpflanzen würgten die Stämme, gaben ihnen eine neue bizarre Gestalt.

      Lange schon war das Gesicht des Parks abweisend und bedrohlich geworden. Er streckte seine Gliedmaßen gen Stadt. Überall wucherten Pflanzen, sprengten den Asphalt der Straßen, wandelten die Stadt und beschleunigten ihren Verfall.

      – 6 –

      Die Renovierung hatte ein Vermögen gekostet. Ein Badetempel war entstanden, bot Tag und Nacht Abkühlung und Entspannung.

      Der Schlund eines Dämons spie Wasser. Das Nass ergoss über einen roten, stacheligen Schopf. Milla sah auf zu den Fenstern aus buntem Glas, die einer Kirche Ehre bereitet hätten. Feine Tropfen waren darauf zu sehen. Langsam zogen sie ihre Bahnen, ahmten die Schwimmer in einem der Becken nach.

      Milla war gern hier. Das Wasser entspannte sie und ließ sie sich glücklich fühlen.

      Seine Hände schlossen sich um ihre Knöchel. Nichts ließ auf seine Anwesenheit schließen, nur ihr spitzer Schrei. Sie vermochte es nicht, die Aufmerksamkeit der Badegäste auf sich zu ziehen. Wasser drang in ihren Mund. Milla sah seine Augen unter Wasser, sein Lächeln und seinen starken Körper. Ein Kuss versiegelte ihre Lippen. Ihre Körper tauchten auf und sie prustete ihm das Wasser entgegen.

      Weit gespreizte Finger schlangen sich um sein Handgelenk. Millas Hände waren vom Wasser verschrumpelt.

      »Hexenhände.«

      Patrick brachte sie zum Lachen.

      »Ich liebe Hexenhände.«

      «Und, liebst du mich?«

      Noch nie zuvor war er so verliebt gewesen. Sie war hübsch, sie war schlau, sie war anders. Millas kurzer, roter Haarschopf und ihr trainierter, schlanker Körper erregten ihn. Er spürte ihre Wärme im Wasser und schwor sich, sie niemals aufzugeben.

      Patrick nickte.

      »Du lügst.«

      Sie brachte ihn zum Lachen. Er sah in ihre Augen und spürte ihren Kampfgeist. Dann hebelte sie ihn aus und tauchte ihn unter.

      Patrick schluckte Wasser.

      Sie waren Kollegen, hatten sich vor einem Jahr kennengelernt. Es war ihr erster Arbeitstag gewesen, und Milla war neugierig und aufgeregt gewesen. Immer wenn sie aufgeregt war, schwatzte sie drauflos; frech, witzig und ohne nachzudenken. Sie hatte ihn angesprochen, hatte gelächelt, und seit diesem Tag träumte er von ihrem Lächeln und den Handschellen