TRUDGE - SCHLEICHENDER TOD. Shawn Chesser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shawn Chesser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351028
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zum Telefon deiner Eltern durchkommen. Nur ein Besetztzeichen? Seid vorsichtig! Hier herrscht zweifelsohne eine Pandemie! Fahrt SOFORT zum Fort Bragg und kontaktiert Captain Mike Desantos 910-555-5555. Er kennt mich schon seit unseren Sandkastentagen. Nenn mich einfach Wyatt. Desantos ist ein guter Kerl. Betont unbedingt, dass ihr ihn sprechen oder ihm eine Nachricht überbringen müsst, sollten sie euch ein persönliches Treffen mit ihm verweigern. Er wird euch eine Leitung besorgen. Ich liebe euch, Cade. Wyatt war Cades Spitzname in den Teams, der Name stammte von seiner Fertigkeit mit der Pistole. Beim Training hatte er bei vielen Schießübungen hervorragende Punktzahlen erreicht. Auch im Kampf war er seinem Namen mehr als gerecht geworden. Die Jungs gaben sich alle Spitznamen untereinander. Mikes Name bezog sich auf die lange Zeit, die er im »Indianerland« hinter den feindlichen Linien verbracht hatte. So hatten sie angefangen, ihn »Cowboy« zu rufen. Mike war Cades Kommandant und Teamführer in der First Special Forces Operational Detachment-Delta, auch mit Delta Force abgekürzt. Während des letzten Einsatzes in Afghanistan hatten sie zusammen viele Gefechte durchgestanden und sich gegenseitig ihre Leben anvertraut. Die beiden hatten sich geschworen, dass – sollte einer von ihnen sterben – sich der Überlebende um die Familie des Gefallenen kümmern würde. Mike Desantos‘ Telefon sprang nach dem ersten Klingeln auf die Mailbox um. Cade hinterließ eine kurze und prägnante Mitteilung mit Einzelheiten zur Lage seiner Frau und Tochter und bat ihn, nach ihnen Ausschau zu halten.

      Kapitel 8

      Tag 2 - Myrtle Beach, South Carolina

      Harrison und Peggy Mortenson lebten seit 1960 neben Brooks Elternhaus in der Trabantenstadt. Sie – als unersättliche Nachrichtenjunkies – waren fast die ganze Nacht aufgeblieben und hatten die weltweite Ausbreitung der ansteckenden Krankheit miterlebt.

       Es war jetzt offensichtlich für Brook, warum ihr Vater das entsetzliche Verbrechen an ihrer Mutter begangen hatte. Sie hatte auch Angst um ihren Bruder und die anderen Arbeitskräfte, die noch im Krankenhaus waren.

       »Mein Telefon funktioniert nicht richtig und ich habe seit gestern nichts mehr von meinem Mann gehört. Das ist das Erste, was ich von der sich ausbreitenden Krankheit gehört habe«, sagte Brook besorgt zu Peggy.

       Harrison unterbrach sie und erzählte, wie es zu der Infektion gekommen war und wozu sie letztendlich geführt hatte. Nachträglich fügte er hinzu: »Der Präsident hat den Kriegszustand verhängt. Wir befinden uns in einer Welt voller Schmerz.«

       Ausgestattet mit diesen neuen Informationen, wurde Brook bewusst, dass niemand zu ihr kommen würde, um zu untersuchen, was gerade bei ihren Eltern passiert war. Sie mutmaßte außerdem, dass sich auch kein Leichenbeschauer um die Körper ihrer Eltern kümmern würde.

       Sie drehte sich zu Raven um. »Ich muss zurückgehen und mein Telefon holen, damit ich versuchen kann, deinen Vater zu erreichen. Ich möchte, dass du mit mir kommst.«

       Raven schüttelte energisch ihren Kopf und sagte: »Auf keinen Fall, Mama.« Sie biss nervös auf ihrer Unterlippe herum. »Tu mir das nicht an, bitte.« Sie würde sich nicht vom Fleck rühren und auf keinen Fall zurück zum Haus ihrer Großmutter gehen.

       Angesichts der Gräuel, die sie nur Minuten zuvor erlebt hatten, wollte Brook sie nicht zwingen. Widerwillig ließ sie ihre Tochter beim Ehepaar Mortenson zurück und ging ein letztes Mal zu ihrem Elternhaus.

       Die Tür war angelehnt, und im Haus roch es nach Schießpulver und Tod. Als sie langsam in die Küche ging, konnte sie die Füße ihrer Mutter sehen, die in den pinkfarbenen Pantoffeln steckten, die sie ihr zum letzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte Brook eine Bewegung. Sie schaute genauer hin: Der Fuß ihrer Mutter zuckte.

       Brook kroch um die Kochinsel herum und schnappte sich die Flinte von der Sitzbank in der Essecke. Die Untote spürte ihre Ankunft. Das blutige Überbleibsel, das einst ihre Mutter gewesen war, ließ sich auf den Bauch fallen und begann in ihre Richtung zu kriechen. Dabei hinterließen ihre Körperflüssigkeiten eine glitschige Spur auf dem Boden. Da die untote Mutter ihr ins Wohnzimmer folgte, ließ sie Brook keine Wahl.

       Sie erinnerte sich, was Harrison ihr früher gesagt hatte, und zielte direkt auf den Kopf. Brook schloss für einen Augenblick ihre Augen, betete kurz und dachte: Das bist nicht mehr du, Mama. Ich liebe dich, es tut mir leid, was ich jetzt tun muss.

       Sie drückte ab. Durch den Schuss brach der Kopf ihrer Mutter auseinander; der Flur wurde mit Hirnsubstanz, Haaren und Knochenteilen übersät. Sie begann zu schluchzen, als ihr klar wurde, dass nun beide Elternteile tot waren. Diese Erkenntnis traf sie wie ein heftiger Schlag. Sie sendete stumme Gebete an ihren Ehemann Cade, den sie so sehr vermisste. Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte Brook die Treppe hoch und betrat ihr altes Zimmer. Seit ihrem letzten Gespräch mit Cade lag ihr Handy in ihrem Handgepäck. Mit der Tasche in ihrer Hand ging sie wieder hinunter Richtung Tür. Raven war aus dem Nachbarshaus gerannt, als sie den Schuss gehört hatte, und spähte vorsichtig durch die offene Eingangstür, als Brook die Treppen herunterkam. Als sie ihre Mutter sah, rannte Raven auf sie zu und warf sich in ihre Arme. Brook setzte sich in die Hollywoodschaukel und tröstete Raven; sie hielt sie im Arm und strich ihr minutenlang über das Haar. Danach schickte sie Raven zurück zu den Mortensons und schaute ihr nach, um sicher zu sein, dass sie dort heil ankam. Sie musste erst etwas in ihrer Tasche herumsuchen, bis sie schließlich ihr Telefon fand. Nachdem sie es eingeschaltet hatte, wurde sie von mehreren Summtönen informiert, dass sie Anrufe nicht angenommen und auch einige SMS noch nicht gelesen hatte. Noch immer in der Hollywoodschaukel sitzend, las sie Cades Textmitteilung. Bei dem Gedanken, was überall in der Welt passierte, wurde ihr ganz schummrig. Cades Nachricht auf ihrer Mailbox verdeutlichte ihr die Ernsthaftigkeit ihrer Lage; sein Tonfall sagte alles. Sie würde auf jeden Fall seinen Rat beherzigen, denn wenn es um die Sicherheit ihrer Familie ging, stellte sie seine Klugheit nie infrage. Brook dachte: Sobald wir den Cadillac beladen haben, sollten wir uns auf den Weg zum Fort Bragg machen. Sie stand auf und ging zurück ins Haus. Als sie in der Küche stand, starrte Brook auf den leblosen Körper ihres Vaters. Sie hatte noch seine Stimme im Ohr. »Brooklyn, komm in die Gänge, schnapp dir Raven und bringt euch in Sicherheit.« Obwohl sie natürlich seine Stimme nur im Unterbewusstsein hörte, nahm sie es sich zu Herzen. Brook rief ihren Bruder Carl an. Obwohl sie sowohl sein Handy als auch den Festnetzanschluss des Krankenhauses probierte, konnte sie ihn leider nicht erreichen. Als Nächstes wählte sie Cades Handynummer und lauschte dem Klingeln. Nach dem dritten Klingeln ging Cade ans Telefon.

      Kapitel 9

      Tag 2 - Southeast Portland

      Während die Kinder aßen, schloss Cade alle Jalousien und prüfte die Fenster und Türen erneut, um sicher zu sein, dass sie verschlossen waren. Die Untoten wussten nicht, dass sie im Haus waren, und daran wollte Cade auch nichts ändern.

       Er richtete erneut seine Aufmerksamkeit auf die Lokalnachrichten. Zwei Reporter beklagten das Ableben ihrer Kollegin, das am Vortag live im Fernsehen übertragen worden war. Glücklicherweise verzichteten sie darauf, das blutige Spektakel nochmals zu zeigen.

       Präsident Odero ging komplett in die Offensive und verhängte den Kriegszustand über die gesamte Nation. Die FEMA gab Empfehlungen. Sie drängten die Bevölkerung der Vereinigten Staaten, zu Hause zu bleiben und sich um ihre Kranken und Verwundeten zu kümmern. Die beunruhigendste Information, die Cade verarbeiten musste, war eine Grafik, die die landesweite Ausbreitung der Infektion verdeutlichte. Sie zeigte eine sich noch immer ausdehnende Zone – in Rot dargestellt –, die sich von der Ostküste landeinwärts und von Mexiko in Richtung Norden ausbreitete. Trotz des harten Vorgehens an der Grenze wurde ganz Kalifornien in Rot gekennzeichnet. Der Süden und der Südwesten schienen weniger beeinträchtigt zu sein; der Nordwesten und die zentralen Rocky Mountains waren nicht betroffen … noch nicht. Die nächste Grafik war unfassbar. Die weltweiten Auswirkungen der sich schnell ausbreitenden Krankheit wurden im Zeitraffer bildschirmfüllend dargestellt. Es gab nur sehr wenige Orte auf der ganzen Welt, die während der ersten beiden Tage des globalen Ausbruchs nicht verwüstet worden waren. Während er die Nachrichten sah, hatte er nicht die geringste Ahnung, dass seine Schwiegereltern Tausende Meilen entfernt starben.

       Cade hatte keine engen Familienangehörigen in Portland; seine beiden Eltern waren schon vor Jahren gestorben. Chuck und Madeline standen sich sehr nahe und waren 55