Asklepios. Charlotte Charonne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charlotte Charonne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783946734703
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flog zurück ins Haus und stellte abermals alle Räume auf den Kopf. Mittlerweile ähnelten sie einem Napoleonischen Schlachtfeld: Auflagen und Kissen waren von dem Sofa gezerrt und Stühle weggerutscht worden, Schranktüren standen offen, Schrankinhalte überfluteten die Böden.

      Im Badezimmer kreuzte ihre Suchaktion den Spiegel. Ihr Gegenüber hatte hektische rote Flecken im Gesicht. Schweißperlen rannen von der Stirn. Der Mascara war hinweggespült worden und hatte sich in gespenstische Augenringe verwandelt.

      Maria lief zur Haustür, stopfte den Schlüssel, der im Schloss baumelte, in ihre Hosentasche und fegte zum Nachbarhaus. Emma spielte manchmal mit dem Nachbars­mädchen, obwohl dieses drei Jahre älter war. Sie drückte auf den Klingelknopf. Nach einigen ungeduldigen Sekunden läutete sie Sturm. Niemand erhörte den Lärm.

      Sie wendete sich nach links, trabte an dem Haus ihrer Tochter vorbei und schellte bei den anderen Nachbarn. Das kinderlose Ehepaar war nicht zu Hause.

      Maria jagte zurück zu Sophies Haus. Kalter Angstschweiß durchnässte ihre Bluse. Mit zittrigen Fingern führte sie den Schlüssel ins Türschloss und brüllte aus Leibeskräften: „Emmaaaaaaaaaaaaaa!“

      Eisige Ruhe schlug ihr entgegen.

      Sie hechtete zu ihrer Handtasche, wühlte nach dem Handy und wählte die Nummer ihrer Tochter.

      Paul wickelte Sophies Haare mehrmals um seine Hand und bettete sie auf dem Kopfkissen. Dann küsste er sie auf den freigelegten Nacken. Von dort aus wanderten seine Liebkosungen ihre Wirbelsäule hinab. Sie erschauerte unter den zärtlichen Berührungen.

      „Du riechst so verführerisch“, säuselte er.

      „Immer noch?“ Sie schnurrte wie eine Katze vor dem Kamin. „Hast du noch nicht genug von mir?“ Sie räkelte sich.

      „Oh nein!“ Seine Küsse erreichten ihren Po. „Niemals. Das Programm heute wird geändert. Zimmerservice …“

      Aus den Augenwinkeln realisierte er ein Leuchten. Ihr Handy, das auf einem Sessel in der Nähe des Bettes lag, blinkte und vibrierte. Auf seinen Wunsch hin hatte sie den Störenfried auf leise gestellt. Er ignorierte das Gerät und widmete sich wieder seiner Frau.

      „Du fühlst dich gut an.“ Seine geübte Hand liebkoste die Innenseite ihrer schlanken, festen Schenkel.

      Sophie drehte sich auf den Rücken.

      „Mist!“ Maria schleuderte das Handy auf den Esstisch und massierte ihre Schläfen und Augenbrauen. „Emma, wo steckst du nur?“, flüsterte sie. „Wie soll ich denn die Telefonnummern von deinen Freundinnen herausfinden, wenn deine Eltern nicht ans Handy gehen?“

      Sie lief einige Male im Zimmer auf und ab. Schließlich griff sie das Telefon erneut und tippte die Zahlen­kombination eins eins null.

      Kapitel 3

      Zwei Wochen später

      „Sitz!“ Britta verband das Kommando nachdrücklich mit dem erhobenen Zeigefinger. Der Beagle parierte und pflanzte sein Hinterteil auf den Waldweg. „Gut!“, lobte sie und belohnte das Tier mit einem Hundeleckerli.

      „Und jetzt, Anton“, sie löste die Leine vom Halsband, „darfst du frei laufen, aber du bleibst dicht bei mir und kommst, wenn ich dich rufe. Genauso wie wir es mit der Schleppleine geübt haben. Hörst du?“

      Der Beagle kippte den Schädel zur Seite.

      „Prima! Dann los!“

      Anton sprang auf, seine Ohren flatterten. Britta schritt zügig über den Weg. Der Boden war fest. Es hatte schon länger nicht geregnet. Über den Baumwipfeln thronte ein azurblauer Himmel, auf den ein unbekannter Künstler einige Zuckerwattewolken gemalt hatte. Die Sonne zwängte gelbe schräge Strahlen durch das Blätterwerk und zauberte filigrane Muster auf den Pfad.

      Anton lief einige Meter vor ihr her und schnüffelte begeistert an Erde und Laub. Hin und wieder kurbelte er seinen braun-weißen Beaglekopf zurück und vergewisserte sich, dass der Abstand zwischen ihm und Britta nicht zu groß wurde.

      Der intensive süßliche Duft der Maiglöckchen kletterte in Brittas Nase. Sie staunte über die großen Mengen der kleinen krautigen Pflanze, die aus dem Waldboden geschossen waren und ihre glockigen Blüten den Sonnenstrahlen entgegenstreckten.

      „Hierher, Anton, komm!“

      Anton parierte erneut aufs Wort, schoss auf sie zu und umgarnte sie mit seinen sanften haselnussbraunen Augen.

      „Guter Hund!“ Britta kraulte den Rüden hinter den Ohren. „Das machst du super. Weiter!“

      Der Beagle trabte einige Meter vorweg. Seine Rute wedelte fröhlich.

      Britta bemerkte ein Rotkehlchen, das auf einem Ast wippte und trillerte. Seine orangerote Vorderbrust leuchtete unter dem Frack aus Federn. Perlende, reine Töne schwirrten über die Waldbühne, die Brittas Körper mit einem warmen Gefühl von Zufriedenheit erfüllten.

      Anton vergrub seine Nase in der Walderde am Weges­rand. Abrupt schien er eine Fährte aufzunehmen. Er schnüffelte, schoss im Zickzack über den Boden und schien die Welt um sich herum vollkommen auszublenden.

      „Anton, komm!“ Britta stützte die Hände in die Hüften.

      Der Hund reagierte nicht. Stattdessen stob er in das Unterholz.

      „Das darf doch nicht wahr sein!“, schimpfte sie leise und starrte zwischen Baumstämme und buschiges Grün. „Anton, komm!“ Britta versuchte abermals vergeblich ihr Glück. „Na super“, kommentierte sie laut. „Die in der Hundeschule haben gut reden, von wegen nicht hinterherlaufen und nicht schreien. Und jetzt? So ein Granatenmist!“

      Sie verließ den Weg und stapfte einige Schritte hinter dem Hund her. „Verdammt und zugenäht! Komm, Anton, hierher!“ Sie blieb stehen und lauschte. Das Rotkehlchen sang aus lauter Kehle. In einem Sonnenstrahl, der durch das dichte Geäst fiel, tanzten Insekten. Aus der Richtung, in die Anton verschwunden war, kam das Scharren von Pfoten. Dann hörte sie ein Winseln.

      Britta rannte los. Sie stolperte über einen Wurzel­ausläufer und verlor fast die Balance.

      „Anton!“ Sie konnte das Tier nicht sehen. „Anton, komm, bitte!“, flehte sie. Eine beängstigende Stille senkte sich über das Waldstück.

      Kein Scharren.

      Kein Winseln.

      Selbst das Rotkehlchen war verstummt.

      „Anton?“ Die aufbrausenden Tränen raubten ihr die Sicht. Brittas Verstand füllte die Stille mit einem grausamen Szenario nach dem anderen. Was, wenn Anton immer tiefer in den Wald vordrang und sie ihn nicht mehr finden konnte? Wenn er ein vergiftetes Stück Fleisch gefressen hatte, das von einem Hundehasser ausgelegt worden war? Oder er einem Jäger über den Weg lief, der ihn gnadenlos erschoss? Ein gewaltiger Druck breitete sich hinter Brittas Stirn aus.

      Da! Ein Winseln!

      Britta stolperte darauf zu. Ein tiefhängender Zweig verfing sich in ihrem Haar. „Mist“, fluchte sie. „Anton?“ Sie befreite die Strähnen und kämpfte sich weiter zu dem Winseln vor. Endlich erspähte sie den Beagle. Tränen der Erleichterung verschafften sich Luft. Gleichzeitig spürte sie, wie kalter Angstschweiß über ihren Rücken rann. Sie zwang sich zur Ruhe, um Anton nicht ein weiteres Mal zu verlieren.

      „Anton, komm. Hier!“ Es gelang ihr, den Befehl mit ruhiger, fester Stimme zu geben. Trotzdem reagierte er nicht. Wie von Sinnen scharrte er im Boden.

      Britta näherte sich dem Tier langsam von hinten, um es nicht zu ängstigen und tiefer in den Wald zu treiben. Sie hatte den Hund fast erreicht. Noch zwei Schrittlängen. Sie fixierte das Halsband und streckte ihre Finger danach aus. Endlich bekam sie es zu fassen.

      „Anton! Du böser Hund!“, schalt sie halbherzig und zog den Rüden zu sich heran.

      Anton winselte, lehnte sein Gewicht gegen das Lederhalsband und wand sich