§. 11.
Mitleidenschaft.
Zwischen der Gebärmutter und den Brüsten herrscht eine beständige Mitleidenschaft. Ohne die Wege, welche zwischen beiden Organen Statt haben, anatomisch genau angeben zu können, so zeigt doch die Natur jedem Beobachter zu allen Zeiten jenen Consensus unverkennbar. Man betrachte den Wachsthum der Brüste bei jungen Mädchen, wenn ihre Mannbarkeit eintritt. Man berühre diese Zeugen ihrer Fähigkeit, und frage sie dann, oder beobachte sie doch wenigstens, ob nicht der Siz des Begehrens mitfühlt. Man bemerke die Veränderung desselben um die Reinigungsperiode, bei dem Anfang und Fortgang der Schwangerschaft. Man beobachte, wie das Saugen eines Kindes die Nachwehen und den Abgang der Kindbettreinigung vermehrt, oder wie ein trokkener Schröpfkopf auf der Brust einen Mutterblutsturz anhält. Man erinnere sich, daß die Brüste welk werden, wenn das Kind in der Gebärmutter abstirbt; wie die Milch der Weiber und der Thiere sich abändert, wenn wieder eine Schwangerschaft eintritt; wie die Menstrua der Weiber so spät nach dem Wochenbette erscheinen, wenn die Brüste häufig und lang ausgesogen wurden; wie die Brüste aussehen, wenn die Weiber ihre Reinigung verlieren; und wie gern endlich zu eben dieser Zeit die Gebrechen der Gebärmutter sich den Brüsten mittheilen: — und man wird nach allem diesem um Beweise für eine Mitleidenschaft zwischen beiden Organen nicht verlegen seyn.
§. 12.
Milchbereitung.
In diesen eben beschriebenen Organen wird also die Milch bei dem Weibe, kurze Zeit nach der Entbindung zubereitet oder abgesondert. Die Hilfsmittel, wodurch dieses geschieht, sind die eigens ihnen von der Natur zu diesem Geschäfte verliehenen Kräfte. Die mancherlei Winkel der Gefäße, die Verschiedenheit ihrer Durchmesser, der Dichtheit ihrer Membrane, der Reizbarkeit, ein Anziehungsvermögen ähnlicher Theile, dienen alle zu diesem Endzwek. Die Quelle, aus welcher die Milch entspringt, ist das Blut, in ihm ist der Stoff dazu enthalten. Ganz neuerlich hat man in der Physiologie die Meinung aufgestellt, daß der Speisesaft vor seiner gänzlichen Verähnlichung mit dem Blute in die Brüste abgesezt und ausgeschieden werde.
§. 13.
Die Milch.
Diese Milch ist die erste Nahrung des Menschen; durch nichts würde diese Absicht auch besser erfüllet werden. Sie besteht aus einem käsichten, ölichten und wässerichten Theile, nämlich dem Käse, dem Rahm und der Molke. Sie hat einen süßen Geschmak und bildet eine blaulichte, bewegliche Dekke, wenn sie einige Zeit gestanden hat. Durch die Beimischung von Säuren gerinnt sie nicht wie die Kuh- oder eine andre Milch, wenigstens bei weitem nicht so schnell und so vollkommen. Die gute fette Muttermilch bekommt immer einen hellgelben Rahm und dieses ist daher wirklich ein wahres Zeichen einer guten Milch. Unter allen Milcharten ist die vorzüglichste in jeder Hinsicht die Frauenmilch. Sie enthält am wenigsten des käsichten Bestandtheils. Ihr am nächsten kömmt die Eselinnenmilch.
§. 14.
Beschaffenheit derselben.
Kupferne Geschirre befördern das Gerinnen der Kuhmilch. Mit einem Vergrößerungsglase untersucht, nimmt man in derselben eine Menge ungleich geformter Kügelchen wahr, deren größere Beweglichkeit vorzüglich davon abhängt, ob die Milch frischer ist, oder schon lange gemolken wurde. Die Molken enthalten ein unter dem Namen Milchzukker bekanntes Salz. Das destillirte Milchwasser verhält sich nicht gerade wie einfaches destillirtes Wasser; sein Geruch und Geschmak, und die Leichtigkeit, mit der es sich verändert, zeigen hinlänglich, daß dasselbe mehrere andere Körper aufgelößt enthalte. Das Residuum der Milch nach abgezogenem Milchwasser giebt, auf freiem Feuer behandelt, eine klare und sehr durchsichtige Feuchtigkeit, und bei fortgesezter Destillazion erhält man etwas Öl, kohlensauern Ammoniak, und am Ende brennbares Gas. Der Rest ist eine schwammigt ausgedehnte Kohlenmasse, welche sich sehr schwer einäschern läßt. Die Asche davon färbt den Veilchensyrup grün, und mit der Schwefelsäure vermischt, entstehen salzsaure Dämpfe. Der Rahm sondert sich am besten und vollkommensten ab in weiten und offenen Gefäßen, bei vollkommener Ruhe, und in einer mäßig warmen Temperatur. Der Rahm existirt schon in der Milch, so bald sie aus dem Euter des Thiers ausfließt. Eben so ist die Butter, ganz wie sie ist, in dem Rahm gebildet, und nach allen ihren Eigenschaften, welche man kennt, enthalten. Die Butter bedarf weder zu ihrer Konkreszibilität, noch zu ihrer mehr oder weniger gelben Farbe eines neuen Zutritts des Oxygens. Das Stoßen ist daher auch das alleinige Mittel zur Bereitung derselben. Die Jahreszeiten, die Natur der Nahrungsmittel und der physische Stand des Thiers haben auf die Eigenschaft und die Farbe der Butter den größten Einfluß. Die Häutchen, welche sich immer bei der abgerahmten Milch bilden, wenn man sie erwärmt, verdanken ihre Entstehung zunächst dem Zutritt der atmosphärischen Luft. Sie verhalten sich chemisch gerade wie der käsichte Theil der Milch. Die erste bald nach der Geburt aus den Brüsten abfließende Milch oder das sogenannte Kolostrum ist in Rüksicht der Butter, des Rahms und des käsichten Theils von der ordinären Milch wesentlich unterschieden. Auf ein Pfund Kolostrum kann man füglich anderthalb Unzen Butter rechnen, und gerade von dieser großen Menge an fettiger Substanz hängt seine Eigenschaft ab zu laxiren und bei den Neugebohrnen das Kindspech fortzuschaffen.
§. 15.
Veränderung der Milch.
Die Bestandtheile der Milch von verschiedenen Thieren richten sich nach dem Futter, welches das Thier genießt. Die Milch einer Kuh, die ein wässerichtes Gras frißt, hat wenig Käse. Vom Genusse des Bitterklees (trifolium pratense), des wilden Knoblauchs (allium latifolium palustre), der Münze, (mentha sylvestr.), des wilden Senfs (thlaspi), und des Liebstökkels (ligusticum) bekommt die Milch einen bittern Geschmak. Die Butter in Neuyork schmekt nach Zwiebeln, weil man den Knoblauch von den Feldern nicht ausrottet, welches die Fütterung verdirbt. Eine Art Saudistel (sonchus) soll den Geschmak der Rennthiermilch verderben. Auch sollen die schirmtragenden Pflanzen den Geschmak der Milch verändern. Die Milch der Kühe, welche Wolfsmilch gefressen haben, erregt Brechen und Durchfälle. Auch nach der Gratiola soll sie eine purgirende Eigenschaft bekommen. Die Milch der Kühe, welche mit Färberröthe gefüttert wurden, bekam eine rothe Farbe; eben diese Wirkung soll der Genuß der Opuntia haben. Der Safran soll sie gelb, der Indigo sie blau färben. Nach bloßen Pflanzenspeisen ist die Milch der Amme sehr zur Säure geneigt, nach bloßen Fleischspeisen wird sie gar nicht sauer. Kranke wollen es sogar am Geschmak der Eselinnenmilch haben merken können, ob das Thier gehörig gestriegelt war oder nicht. Die Milch der Eselin, die auf einem offenen Plaz weidete, erregte dem Kranken immer Passion, wenn sie von dem Knaben genekt war. Wenn Säuglinge das Wechselfieber haben, so giebt man der Amme die Fieberrinde, um das Fieber des Kindes zu heilen. Beischlaf, Geilheit und die monatliche Periode verderben die Milch der Ammen. Purgirmittel, die die Amme nimmt, laxiren das Kind mit, oft das Kind allein. Diätfehler der Mutter wirken auf das Kind, es bekommt leicht Windkoliken, wenn sie Kohl, Hülsenfrüchte und andere blähende Speisen gegessen hat. Ein Rausch der Amme in starken geistigen Getränken soll dem Kinde Konvulsionen zugezogen haben. Heftige Leidenschaften der Amme, Zorn, Ärger, Indignation, können ihre Milch so verändern, daß sie wie ein Gift wirkt, Erbrechen, Durchfall,