Aber er sollte sofort hören, dass Steve Hopkins auf diesem Gebiet kein Greenhorn war.
Der Arkansasmann sagte nämlich: »So, und jetzt hört genau zu. Hal geht auf das größere Haus in der Mitte zu. Und zwar im Halbbogen nach rechts, da ist er durch die Büsche gedeckt und hat am Ende nur etwa sieben Yards offenen Hof zu überqueren. Ich wende mich nach links, zu dem kleineren Gebäude hinüber …«
»Und«, knurrte der Texaner, »gibt’s keinen Hund?«
»Natürlich, den bewacht Bing«, sagte Steve zweideutig.
»Weiter!«, brummte Bing.
Steve schob sich den Hut aus der Stirn.
»Hal bleibt direkt an der Hauswand stehen. Da kann ihn kein Schuss aus dem Wohnhaus erreichen – alle Leute, die das Haus verlassen, muss er aufhalten. Ich sorge inzwischen für das Feuerwerk, das die Farmbewohner ablenkt.«
»Willst du Feuer legen?«, forschte der Texaner misstrauisch.
»Ein kurzes Feuer. Ich muss Zeit gewinnen, um nach der Kiste laufen zu können.«
»Du weißt also genau wo sie steht?«
»Ziemlich genau!«
Flanagan hatte einen Augenblick den Gedanken, Bing auszuschalten und den Arkansasmann zu zwingen, ihn zu der Kiste zu führen. Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass er es allein nicht schaffte. Schließlich hatten Long und Hopkins lange genug an der Nuss herumgeknackt.
»Steig ab!«, sagte Hopkins.
Dann führte er sein Pferd auf die Farm zu. Der Texaner folgte ihm.
Den Schluss bildete wohlberechneterweise Bing Long.
Da schlichen sie nun durch die Nacht, die beiden »Reitenden in Blei«, die sich den Coltman für ihr finsteres Unternehmen angeworben hatten.
So war denn die Earp-Farm in dieser Nacht um das Feuerwerk gekommen, das ihr die beiden Banditen zugedacht hatten. Es war übrigens das Glück der drei Männer gewesen, dass Flanagan von diesem Gedanken abgeraten hatte. Sie wären fürchterlich aufgelaufen. Der alte Colonel Nic Earp hatte mit seinen vier Söhnen und zwei Töchtern eine wahre Festung aus seiner Farm gemacht. Das war allerdings nicht so ohne Weiteres von außen zu erkennen. Aber nie und nimmer wäre es Long und Hopkins gelungen, die Farm zu überraschen. Immer wachte einer der Männer. Und auf den leisesten Piep hin wären die anderen auf dem Posten gewesen. Zu lange hatte der Alte den Waffenrock getragen, um sich nicht in dieser Art gegen Überfälle zu sichern. –
Der alte James Prick oben in Quincy hatte Steve Hopkins einen gewaltigen Bären aufgebunden. Was daran stimmte, war die Tatsache, dass hier bei Lamar tatsächlich die beiden Familien Earp und Calligan lebten. Prick, der Säufer, kannte sie von Monmouth (Illinois) her. Und was er mit seinem sogenannten Tipp erreichen wollte, hatte er erreicht: Long und Hopkins hatten von ihm selbst abgelassen und waren ihm dafür auf den Leim gekrochen. Dass die beiden Halunken ihn nach fehlgeschlagener Reise wieder aufsuchen würden, war nicht zu befürchten, denn er kannte die Earps. Die würden die beiden derart heimleuchten, dass ihnen jede weitere »Reise« verging. Sicherheitshalber hatte der alte Prick trotzdem seinen Wohnsitz verlegt.
Was er jedoch nicht bedacht hatte, geschah: Die Banditen wandten sich zuerst gegen die Calligan-Farm. Die hatte er gewissermaßen als weitere Lockperle ausgeworfen. Und die Tatsache, dass die beiden Banditen, die angegebenen Farmen tatsächlich unten bei Lamar finden würden, gab ihm die Sicherheit, dass sie nicht sofort umkehrten, sondern eingehende »Studien« an Ort und Stelle treiben würden, wie die Geldkisten am besten aus den Häusern zu holen seien.
Die Geldkisten waren natürlich eine glatte Erfindung des alten James Prick. Er hatte mit den Earps gerechnet, der Alte, und die beiden Verbrecher hätten auch prompt bei den Earps angefangen. Hal Flanagan war der Faktor, mit dem Prick nicht gerechnet hatte. Der Coltman hatte den nötigen Respekt vor einer Familie, deren Mitglieder selbst gut schießen konnten.
Aber das Geld reizte Flanagan doch. Allerdings das Geld in der Calligan-Farm.
Deshalb schlich der Texaner jetzt mit den beiden Verbrechern dem dunklen Hof näher.
Auf einen leisen Ruf Steves hin band er seine Zügelleine an einen Busch, ließ den Grauen stehen und schlich vorwärts auf die Blockhäuser zu.
Bing Long folgte ihm im Abstand von zehn Yards.
Er war der Mann, der den »Hund« bewachen sollte.
Den Hund Flanagan.
Darauf war der sonst so gerissene Schießer nicht gekommen.
Die beiden hatten ihrerseits vor der schnellen Hand des Texaners so viel Respekt, dass sie beschlossen hatten, ihn fest im Auge zu behalten, wohingegen sie ihm aber trotzdem den größten und schwierigsten Teil des Überfalls zugedacht hatten.
Hopkins wollte die Leute aus dem Haus locken.
Während Flanagan sie vorn im Hof aufzuhalten hatte – wobei Bing Long den Schießer bewachte – würde Hopkins hinten ins Haus eindringen.
Die beiden geriebenen Halunken rechneten dabei fest auf Flanagans schnelle Hand und auf seine Kälte. Er war ja im Augenblick, da die Leute das Wohnhaus verließen, gezwungen zu schießen.
Und wenn ein Revolvermann schoss, schoss er genau.
Das war die Rechnung Steve Hopkins’. Und die Rechnung Bing Longs.
Aber Hal Flanagan hatte auch eine Rechnung. Die sah allerdings ganz anders aus.
Der Schießer dachte gar nicht daran, mit den beiden Banditen zusammen die Farm zu verlassen. Wenn es feststand, dass Hopkins das Geld gefunden hatte, würde er die beiden töten. Das Geld war dann sein. Er hätte die beiden ohnehin nicht leben lassen, da war es seiner Meinung nach völlig einerlei, ob sie nun hier oder ein paar hundert Meilen weiter westlich ins Gras bissen.
Flanagan hatte dabei noch eine Idee: Wenn man am nächsten Tag die Leichen der beiden bei der Farm fand, musste man zu der Überzeugung kommen, dass sie von den Schüssen der Leute auf der Farm getroffen worden waren. Dann hatte man gleichzeitig die Räuber, ohne dass diese noch etwas über den Überfall aussagen konnten.
Das war Hal Flanagans Plan. Es war entschieden der schwärzeste Plan.
*
Aber noch ein Mann hatte in dieser schwülen Nacht einen Plan.
Ed Holyoke.
Als er mit der verbundenen Hand aus dem Doktorhaus kam, stand er zähneknirschend auf der Mainstreet. Er blickte zu dem Windlicht hinüber und sah plötzlich die Konturen eines Mannes auf dem Vorbau.
Holyoke wusste, dass es Wyatt Earp war. Er ging auf ihn zu.
»He, Earp! Ich wollte Sie noch was fragen. Was hatten Sie vorhin in meinem Haus zu suchen? Wie kamen Sie überhaupt hinein? Ich habe Sie nicht gerufen. Und ich möchte Ihnen ein für alle Mal erklären: Wenn ich Sie noch einmal in meinem Haus antreffe, werde ich mich beim Major und bei Richter Gordon über Sie beschweren!«
Es blieb einen Augenblick still. Das schaukelnde Windlicht warf einen weichen Schimmer auf die Gestalt des Constablers.
»Gehen Sie heim, Mister Holyoke. Es ist besser. Ich habe es Ihnen heute schon einmal gesagt!«
Mit einem zerquetschten Fluch wandte sich der Holzhändler ab, und hielt auf den »Little Joe Saloon« zu. Wyatt sah ihn durch die Pendeltür verschwinden. –
Als Holyoke herauskam, war es fast Mitternacht.
Er hatte wieder eine halbe Flasche geleert. Mit schweren Schritten überquerte er die Straße und verschwand im Hof des Bürgermeisterhauses.
Die Hoftür war unverschlossen.
Holyoke kannte ja den Weg.
Er wusste ja, in welchem Zimmer Jenny vor ihrer Heirat mit ihm gewohnt hatte.
Er wankte durch