»Ich verstehe nichts!«, knurrte der Schießer.
»Das kommt gleich«, begann Hopkins wieder. »Nicht sehr weit von hier ist die Earp-Farm. Wir haben sie in Augenschein genommen.«
»Dagegen kannst du nichts haben«, warf Bing ein.
»Halt endlich dein ungewaschenes Maul!«, zischte Hopkins ihn an. »Ich begreife nicht, wie ich so lange mit einem so dämlichen Kerl durch die Savanne krauchen konnte!«
»Drei Jahre«, bemerkte Bing Long kichernd.
Hopkins stieß einen Fluch durch die Zähne.
»An der Geduld, mit der ich diesen Ochsen dulde, kannst du sehen, wie groß meine Ausdauer ist, Hal«, erklärte er. »Gib acht. Wyatt Earp ist um elf Uhr in der Stadt fertig. Dann übernimmt der alte Marshal den Dienst. Wyatt reitet dann heim. Es hat wenig Sinn, ihm aufzulauern, wie ich schon erwähnte, denn selbst wenn wir ihn an die Erde brächten – was verteufelt schwierig sein könnte – hätten wir morgen todsicher seine Brüder an den Fersen. Wie gesagt: Es muss ein Abwaschen sein. Der Ordnung halber. Das siehst du ein. Aber dazu brauchen wir dich.«
»So?«
»Yeah – hör zu. Die Earps haben drei Blockhäuser draußen. Der Alte zählt nicht mehr. Er ist im Krieg schwer verwundet worden. Und die Brut schläft unter einem Dach. Wenn wir schnell an das kleine Haus herankommen, haben die Halunken kaum eine Chance. Selbst wenn sie wie die Teufel schießen. Wir machen sie fertig. Hinten auf meinem Gaul ist genug Pulver, um den Laden mit einem hübschen Knall hochgehen zu lassen. Damit sind sämtliche Earps, die uns noch gefährlich werden könnten, in die Hölle verfrachtet. Wäre das nicht ein hübscher Gedanke?«
Flanagan rieb sich das Kinn. Er war ein misstrauischer Mann.
»Das Ganze kommt mir haarig unsinnig vor! Wenn die Brüder des Constablers auch nur halb so gut mit der Bleispritze umgehen können wie er selbst, kann das ein böses Ei werden.«
»Kann es eben nicht«, versetzte Hopkins grinsend. »Weil du nämlich nicht weißt, was wir wissen. Wir haben die Farm nämlich wirklich gründlich beobachtet, ehe wir in die Stadt kamen. So kleine Farmen gehören nun mal zu unserer Kundschaft.«
Flanagan kniff die Augen ein.
»Ihr seid also nicht nur Tramps, sondern auch Buschkriecher und Räuber.«
»Äh!«, machte Bing Long. »Wer wird denn so unschöne Worte gebrauchen. Du hast bestimmt mehr Jungens unter die Erde gebracht als wir beide zusammen, wenn wir achtzig würden. Es ist doch so wie Bing sagte: Wir müssen leben. Mit dem Spiel wird es immer schwerer, weil die Sheriffs sich immer mehr darum kümmern, was an den Spieltischen geschieht. Und zudem gibt es zu viele Burschen, die mit gezinkten Karten und Double-Assen kassieren gehen. Deshalb haben wir unser Gebiet etwas erweitert. Auf den kleinen Farmen, wo die Siedler Federvieh züchten, ist immer noch etwas zu holen. Und da gibt es die wenigsten Gewehre und die größte Angst.«
»Da habt ihr Schlauköpfe euch ausgerechnet die Earps ausgesucht!« Flanagan schob sich den Hut aus der Stirn. »Glaubt ihr allen Ernstes, mich für so eine Dummheit gewinnen zu können?«
»Wir sind sogar überzeugt davon«, antwortete Steve Hopkins. »Du weißt nämlich immer noch nicht alles. Es geht nicht nur darum, diesem Wyatt Earp eins auf die Nase zu geben. Da ist noch etwas anderes …«
»Gold!«, unterbrach Long kichernd. Hopkins versetzte ihm einen derben Stoß.
»Wenn du dein Maul noch einmal ungefragt auftust, war es das letzte Mal, Brother!« Sich an den Texaner wendend, fuhr er fort: »Dieser Ochse hat es also schon gesagt, womit ich dich überraschen wollte: Der alte Earp hat eine kleine Goldkiste. Um es genauer zu sagen: Wir sind eigens deswegen hierhergekommen.«
Flanagan war dem Lachen nahe.
»Und da stellt ihr euch so geschickt an, gleich dem gefährlichsten der Sippe in die Quere zu kommen! Sehr klug, muss ich schon sagen.«
»Du bist ein schneller Mann, Hal Flanagan«, sagte Hopkins nun etwas verärgert, »aber dir fehlt die wertvolle Gabe, zuhören und abwarten zu können.«
»Das ist es«, tat Bing noch seinen Senf dazu, was ihm jedoch augenblicklich einen Fußtritt seines prächtigen Freundes eintrug.
»Sie kommen aus Monmouth in Illinois, die Earps. Der Alte, ein himmelschreiender Geizkragen, hat nach dem Krieg zusammen mit Wyatt Siedlertrecks hinüber nach Kalifornien geführt. Mitten durch das Indianerland, durch die Sioux, die Cheyennes, die Pawnees und die Shoshonen. Dass die beiden heil aus diesen Gegenden herausgekommen sind, will schon etwas sagen …«
»Das musst du zugeben!«, unterbrach Bing und brachte sich augenblicklich außer Reichweite der Füße seines Kumpanen.
Hopkins sprach weiter: »Oben in Quincy erzählte uns ein auslaufendes Whiskyfass, dass der alte Earp eine hübsche kleine Kiste mit blanken Zwanzigdollarstücken gesammelt hat. Du musst zugeben, dass diese Mitteilung eine Reise nach Missouri wert ist. Der Kerl, der mehr Whisky als Blut in den Adern hatte, war gerade einmal nüchtern, als Bing und ich das aus ihm herausquetschten.«
»Du wolltest sagen, als ihr ihn unterwegs überfallen habt!«
»Du hast doch einen helleren Kopf, als ich dachte«, fand der vierschrötige Tramp Steve Hopkins. »Well, genauso war es. Aber der Alte hatte selbst nichts auf der Naht. Außer dieser Weisheit.«
»Er wird euch einen gewaltigen Bären aufgebunden haben!«
»Das wollte ich ihm nicht raten, denn wir haben ihm versprochen, ihm eine Handvoll Goldstücke mitzubringen, wenn wir zurückkommen. Er wohnt nämlich in Quincy, mit Tochter und Enkelkind. Und er weiß, dass wir Reisende sind, die so lange reisen würden, bis sie ihn gefunden hätten, falls er Mehl gerührt hat.«
»Yeah – das steht fest!«, glaubte Bing bekräftigen zu müssen.
Hopkins machte eine kleine Pause. Schließlich zertrat er seinen Zigarettenrest und fuhr fort: »Die Sache hat also Sohlen und Absätze, Flanagan. Ja, sie hat sogar dazu passende Stiefel, denn der Alte, der einmal auf einem Treck mit den Earps gezogen ist, wusste sogar, wo die nette kleine Kiste zu finden ist. Und das erleichtert den Job ungemein, wie du einsehen wirst.«
»Wo ist die Kiste denn?«, fragte Flanagan rau.
Bing lachte blechern. Und Steve Hopkins schüttelte den Kopf.
»No, Brother, es reicht, dass wir es wissen. Wenn du deine Arbeit tust, ist dein Anteil immer noch groß genug – und bei Weitem größer, als wenn du zehn deiner heißen Aufträge ausgeführt hättest.«
Der Ohrfeige, die Flanagan dem untersetzten Tramp zugedacht hatte, entging der durch eine flinke Kopfbewegung.
»Du bist mir entschieden zu hastig, Hal. Ich weiß nicht, ob ich dich für den Job anwerben soll.«
Flanagan fühlte, wie ihm das Blut in die Schläfen stieg.
»Hört mal zu, ihr beiden Halunken. Ich bin ein Coltman. – All right. Aber ihr seid Banditen. Ganz dreckige kleine Banditen. Wenn ihr glaubt, einen Hal Flanagan eingarnen zu können, sitzt ihr im falschen Sattel. Wie heute schon einmal ein Kerl im falschen Sattel saß. Ich bin kein Landstreicher und werde nie einer sein. Aber ich glaube, es ist nicht schade, wenn ich die Gegend von solchem Gelichter wie ihr seid, reinige. Ihr werdet mir jetzt ganz schnell sagen, wie das mit der Kiste ist, Boys, sonst …«
Das metallene Geräusch eines knackenden Revolverhahns zerriss misstönend das leise Gespräch.
Der dumme lang aufgeschossene Bing Long war zwei Schritte zurückgewichen. Ganz steif stand er da. In seiner Rechten blinkte der Lauf eines langen Revolvers.
Steve Hopkins meinte seelenruhig: »Well, du siehst es schon wieder von der falschen Seite, Flanagan. So kleine Kälber sind wir nun auch wieder nicht, wie du annimmst, sonst baumelten unsere Knochen längst einige Yards über dem Erdboden, irgendwo an einem kahlen Ast. Du bist sicher schnell mit dem Colt, aber