»Warte nur, dir breche ich die Zähne einzeln aus!« zischte der Bandit leise hinter ihm her.
*
Die Bürger kamen zurück.
Sie gingen in ihre Häuser und blieben dort. Jeden Augenblick erwarteten sie den Ruf: »Fire!«
Aber es brannte nicht in der Stadt.
Nur in den Hirnen der Männer, die diese Stadt besetzt hatten, da brannte es.
Mannen Clements saß mit seinen Brüdern, Shanghai-Pierce und Frank McMurray bis spät in die Nacht in Wynn Porters großem Saloon und beriet.
Das heißt: er bestimmte.
Und Shanghai-Pierce suchte mit raffiniertem Geschick Mannen nur das befehlen zu lassen, was er, der Viehhändler, für richtig hielt.
Aber Abel Pierce war nicht dumm genug, sich einzubilden, daß er ewig hierbleiben könne. Er wußte, daß sich die gewaltsame Besetzung einer so bekannten Stadt nicht auf die Dauer halten ließ. Das konnte bei kleinen Ansiedlungen, auf einer großen Ranch oder in einem Fort glücken, nicht aber in einer solchen Stadt. Nein, er träumte den Machttraum des Mannen Clements nicht mit, der gerissene Viehhändler Abel Pierce. Er hatte andere Gedanken. Er wollte lediglich aus dem Kuchen dicke Rosinen herauspicken.
Und so verstand er es auch, Clements dahingehend zu beeinflussen, gleich morgen große Abgaben in Form von Steuergeldern bei den Bürgern einzutreiben.
Er würde sie schon ausquetschen, die Gold-Möpse. Und zwar so schnell wie möglich. Er mußte sein Schäfchen im Trockenen haben, wenn Wichita erwachte. Jedenfalls bevor irgend etwas geschah, das den Machtrausch Mannen Clements zerstören würde.
Sicher, mit seinen vielen Reitern konnte der Texaner die Stadt schon halten. Aber wie lange ließ sich so eine große Stadt halten, wenn sie dauernd und ständig bewacht werden mußte? Wenn die Bürger keinen anderen Gedanken hatten als den, ihre Freiheit zurückzugewinnen?
In dieser Zeit mußte der große Geldkoffer, den der vertrackte Wyatt Earp völlig geleert hatte, wieder gefüllt sein. Und zwar gedachte Abel Pierce ihn diesmal auf eine mühelose und ungefährliche Art zu füllen.
*
Schon in der Frühe des nächsten Morgens zogen die Steuereintreiber durch die Straßen.
Und es gab niemanden, der sich ihnen widersetzte.
Mannen Clements hatte in der Drukkerei große Plakate anfertigen lassen, worauf er verkündete, daß das Geld zum Wohl der Stadt benötigt würde. Und gleichzeitig – ein Kuriosum ohnegleichen – versetzte er Wyatts Waffenverbot in der Stadt wortgetreu unter den obigen Text. Daran fügte er die Worte:
Nur meine Leute tragen Waffen – zum Schutze Wichitas.
Mannen Clements, Marshal.
Yeah, das stand dick und groß unter der Bekanntmachung. Noch heute liegt ein solches Plakat im Museum von Kansas City zur Ansicht aus.
Der Cowboy Eddie Rino hatte Mannens Worte nicht sonderlich ernst genommen. Während er das Steuergeld in der River Street eintrieb, sah er in einem Hof ein sechzehnjähriges Mädchen. Er rannte ihr nach und holte sie vor einer Schuppentür ein.
Gellend schrie das Mädchen um Hilfe.
Sein Vater kam in die Hoftür. Er sprang hinzu und schlug wie wild auf den Banditen ein.
Rino schleppte ihn auf die Straße.
Er hatte Pech, daß Joe Clements draußen war.
Nach kurzem Verhör befahl Mannen im Office, daß der Kuhtreiber Eddie Rino aus San Antonio sofort gehängt werden sollte.
Gyp Clements hielt es nicht für unter seiner Würde, den Befehl seines großen Bruders eigenhändig auszuführen.
Das sollte ein Exempel sein.
Aber zwei Stunden später ließ Clements den zweiten seiner Leute hängen: Rif Cervola, einen kurzbeinigen, schielenden Burschen, der ebenfalls einer Frau nachgestellt hatte.
Die beiden Erhängten in der Mainstreet schreckten die Banditen jedoch nicht vor weiteren Schandtaten ab.
Mannen Clements mußte noch zwei seiner Genossen sterben lassen, ehe seine Leute besonnener wurden.
Noch am gleichen Abend sollte die große Verhandlung gegen die »Verschwörer« stattfinden.
Yeah, Clements hatte die Stadtväter, die er samt und sonders Verschwörer nannte, einsperren lassen. Da die Zellen im Marshal Office eine so große Anzahl von Gefangenen nicht aufnehmen konnten, hatte Clements sie in das Papierlager der Druckerei drüben einsperren lassen.
Im Office selbst waren nur Kid Kay, Doctor Croft und der Mayor Jim Hope eingesperrt.
Aber nicht nur die Stadträte waren festgenommen worden, sondern auch eine Reihe anderer wohlhabender Bürger wie John Rifflin, dessen Festnahme übrigens Shanghai-Pierce veranlaßt hatte.
Die große Verhandlung sollte um acht Uhr in der City-Hall stattfinden.
Die Banditen hatten mehrere Tische aneinandergeschoben, um so eine Art Richtertisch für ihren Boß zu schaffen.
Unten in der River-Street fanden sich einige Männer zusammen, die mit Gewehren durch die Douglas Avenue in die Mainstreet einritten.
Aber sie hatten keine Chance.
Mannen Clements’ Leute schossen sie von zwei Straßenseiten aus in einem wilden Feuergefecht hoffnungslos zusammen.
Drinnen in seiner Zelle knurrte der alte Arzt: »Dieses verdammte Schwein…«
Mannen Clements, der in der Tür des Offices gestanden hatte, kam langsam durch den Raum. Seine großen Sporen sangen klirrend über die Dielen.
»Hör zu, Doc – du wirst der letzte sein, den ich aufknüpfen werde. Der allerletzte. Du wirst dabeistehen und ansehen, wie sie ausröcheln, die andern…«
Wie ein gereizter Tiger sprang der alte Arzt an das Gitter, preßte seine großen roten Fäuste darum und brüllte den Banditen an: »Das kannst du tun, Clements! Es macht mir am wenigsten aus. Ich bin ein Mensch, der viele hundert Menschen hat sterben sehen. Schließlich bin ich Arzt. Noch vor zehn Jahren habe ich auf den Schlachtfeldern des hirnverbrannten Krieges bei unzähligen Toten gestanden. Aber du – du armseliger, dreckiger Kuhtreiber aus dem schönen, stolzen Texas, du wirst selbst baumeln! Das schwöre ich dir. Ich, der alte grauhaarige Doktor Croft. Ich schwöre dir, daß Wyatt Earp dich greifen wird!«
Der Bandit wich einen Schritt zurück. »Sprich nicht von ihm, Doc! Ich zerschieße dir sonst jetzt schon deine Knochen.«
Der Arzt wandte sich ab. Schwer ließ er sich auf seine Pritsche fallen.
Kid hockte neben ihm. Er sagte schon lange nichts mehr. Nicht, weil er wußte, daß er sterben mußte, sondern weil er fühlte, daß es sinnlos war.
Clements ließ sich auf den großen Stuhl hinter dem Schreibtisch nieder und lehnte sich zurück.
Draußen sank die Dämmerung nieder. Geschäftig rannten die Cowboys hin und her, um alles für die große Verhandlung und die anschließende Exekution vorzubereiten.
Clements beugte sich vor und zog die Schubladen auf. Da fand er unter einigen Papieren eine lange schwarze Zigarre. Er biß die Spitze ab und suchte nach einem Zündholz.
»Diese verdammte Ratte!« knirschte der unbeugsame Arzt. »Jetzt stiehlt er auch noch Wyatt Earps Zigarren.«
Wie ein giftiges Insekt schleuderte der Verbrecher die Zigarre von sich, stemmte die Ellbogen auf die Tischplatte und warf einen Blick auf die Wanduhr.
Halb acht.
Eine halbe Stunde noch.
Da ging seitlich hinter Mannen fast lautlos die Hoftür auf, und der Schatten eines