Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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unmündig betrachtete.

      Um ihren Ärger ein wenig zu dämpfen, beschloß sie, erst einmal zu duschen und sich umzuziehen. Als sie später vor dem Spiegel stand und kritisch Hose und Pulli begutachtete, in die sie geschlüpft war, da stellte sie sich vor, wie sie Thomas gegenüberstehen würde.

      Ob er sie hübsch fand?

      Eigentlich litt Bianca Lennard nicht an einem Minderwertigkeitskomplex. Sie wußte, daß sie gut aussah und besaß ein gesundes Selbstbewußtsein. Doch seit ihr Thomas Brandmayr begegnet war, schien das alles dahin.

      Während sie im Kaffeegarten des Hotels zusammengesessen hatten, überlegte sie ständig, ob er sich mit ihr verabreden wollte, weil er sie mochte, oder ob es nur war, weil er sonst niemanden hier kannte.

      Was hätte sie darum gegeben, seine Gedanken lesen zu können.

      Dabei hätten ihr die Blicke, die er ihr zuwarf, eigentlich die Antwort geben müssen. Aber sie waren ja nicht allein. Mit den Eltern an der Seite konnten wohl kaum romantische Gefühle aufkommen.

      Bianca bürstete sorgfältig ihr Haar. Auf Schminke verzichtete sie, und ihr Herz klopfte erwartungsvoll, als sie hinter den Eltern zum Wirtshaus ging.

      Würde sie ihn wiedersehen?

      Das Hotel ›Zum Löwen‹ besaß neben dem Restaurant auch eine einfachere Wirtsstube. Zwar wurde hier nicht schlechter gegessen, dafür aber günstiger. Die Speisekarte enthielt einfache, lokale Spezialitäten, und nicht nur die Einheimischen kamen gerne her, sondern auch viele Touristen, die meistens in Pensionen und Privatunterkünften wohnten, in denen es, außer dem Frühstück, sonst keine Speisen gab.

      Als Franz Lennard, der voranging, das Lokal betrat, sank seine Laune gleich wieder auf einen Tiefpunkt. Wie es schien, waren alle Tische besetzt oder bereits reserviert. Die Haustochter, die sie begrüßte, bestätigte seine Ahnung.

      »Tut mir leid«, lautete die Antwort auf die Frage des Familienvaters nach einem Tisch für drei Personen. »Es ist alles reserviert. Da hätten S’ vorher anrufen müs-sen.«

      Franz sah Frau und Tochter ratlos an.

      »Was machen wir denn jetzt?«

      Achselzucken war die Reaktion der beiden.

      Gerade wollten sie die Gaststube wieder verlassen, als sich an einem der Tisch jemand erhob und ihnen zuwinkte.

      Thomas! durchfuhr es Bianca.

      Der Journalist kam zu ihnen.

      »Guten Abend«, sagte er lächelnd. »Sie haben wohl nicht reserviert, was? Setzen Sie sich doch zu mir. Es wär’ mir eine Freude.«

      »Gern«, nickte das Madel.

      »Ach, das ist aber sehr freundlich«, freute sich Heidrun Lennard.

      Nur ihr Mann schien unschlüssig. Allerdings war sein Hunger größer als seine Abneigung gegen den jungen Mann, der Bianca ganz offensichtlich den Kopf verdreht hatte, und so willigte er schließlich ein.

      »Ich hab’ noch net bestellt«, sagte Thomas und richtete es geschickt ein, daß Bianca neben ihm saß. »Sie können also noch in aller Ruhe aussuchen.«

      Franz Lennard quittierte die Tatsache, daß seine Tochter neben dem Mann Platz genommen hatte, mit einem Stirnrunzeln, sagte aber nichts weiter. Die Haustochter brachte drei weitere Speisekarten und erkundigte sich nach einem Aperitif.

      »Wenn Sie erlauben«, sagte Thomas, »dann würd’ ich Sie gern dazu einladen.«

      Zu ihrem Erstaunen nickte der Vater, und Bianca schöpfte die Hoffnung, daß es ein schöner Abend werden würde.

      Der Journalist bestellte vier Gläser Sherry, und dann wurde das Essen ausgesucht.

      »Zum Wohl«, prostete Thomas ihnen zu, als das Hausmädchen den Sherry gebracht hatte. »Auf einen schönen Abend, einen herrlichen Urlaub und darauf, daß wir uns kennengelernt haben.«

      Und bei den letzten Worten hatte er sich Bianca zugewandt und ihr tief in die Augen geschaut.

      *

      Das Essen war hervorragend, das mußte auch Franz Lennard zugeben. Und wie es schien, taute Biancas Vater allmählich auf.

      Die Ursache dafür war indes nicht eine plötzliche Sympathie für den jungen Mann, der neben seiner Tochter saß, sondern mehrere Gläser Enzian und Bärwurzschnaps, die Thomas bestellt hatte. Jedenfalls wurde die Stimmung schnell locker, und man unterhielt sich angeregt.

      Inzwischen waren an die drei Stunden vergangen.

      »Sagen S’, Herr Lennard«, wandte sich der Journalist an den Familienvater, der ihm gegenübersaß, »hätten S’ denn was dagegen, wenn Bianca und ich morgen zum Schwimmen an den Achsteinsee fahren?«

      Er hob beschwichtigend die Hände, als Franz Lennard ihn aus glasigen Augen musterte.

      »Ich versprech’ Ihnen auch, daß ich gut auf Ihre Tochter aufpassen werd’.«

      »Was sagst du denn dazu, Mutter?« fragte Franz seine Frau.

      Bianca, deren Herz bei Thomas’ Frage einen Hüpfer getan hatte, blickte ihre Mutter erwartungsvoll an. Sie atmete erleichtert auf, als diese zustimmend nickte.

      »Warum net?« sagte Heidrun. »Der Herr Brandmayr scheint mir ein verantwortungsvoller junger Mann zu sein. Ich glaub’, daß wir uns auf ihn verlassen können.«

      »Ganz bestimmt, gnädige Frau«, versicherte Thomas.

      »Aber wir wollten doch eine Bergtour machen«, meinte Franz Lennard. »Was ist denn damit?«

      »Ja, also, das ist so eine Sache«, warf Thomas ein. »Als ich heut’ nachmittag herumspaziert bin, da hab’ ich mich erkundigt. Im Moment schaut’s schlecht aus; die ganzen Bergführer sind ausgebucht. Vor der nächsten Woche wird’s nix mit einer Tour.«

      Bei seinem Bummel durch St. Johann war der Journalist auch am Rathaus vorbeigekommen, wo sich die Touristeninformation befand. Eigentlich eher interessehalber hatte er sich nach der Möglichkeit einer Führung erkundigt. Er besaß soviel Erfahrung, daß er sich zutraute, eine kleine Tour auch alleine zu unternehmen.

      »Na, dann hat’s sich ja ohnehin erledigt«, meinte Heidrun. »Und vielleicht ist’s auch besser, wenn wir zwei uns morgen erst einmal ausruhen und ein bissel akklimatisieren.«

      »Na schön«, brummte Franz und schaute auf sein leeres Bierglas.

      Er hob die Hand, um nach der Bedienung zu winken, doch seine Frau schüttelte den Kopf.

      »Laß gut sein«, bat sie. »Für heut’ reicht’s. Außerdem bin ich müd’ und möcht’ ins Bett.«

      Thomas nickte beifällig.

      »Sie haben recht, Frau Lennard«, sagte er. »Es ist auch schon spät geworden. Man merkt gar net, wie schnell die Zeit vergeht.«

      Er schaute zu Bianca.

      »Aber ich hab’s wirklich genossen.«

      Die Gymnasiastin lächelte. Auch für sie war es ein wunderschöner Abend gewesen. Die Nähe zu Thomas, ihre Blicke, die sich immer wieder begegneten, die leichten Berührungen, wenn sie sich gegenseitig etwas anreichten – das alles war so aufregend gewesen, und Bianca wußte, daß sie so verliebt war, wie nie zuvor in ihrem Leben.

      Manchmal hatte sie ihre Hände auf die Knie gelegt, und am liebsten hätte sie dann und wann verstohlen nach der seinen gegriffen. Es prickelte so herrlich im Körper, und im Bauch tanzten unzählige Schmetterlinge.

      »Dann gleich morgen früh, nach dem Frühstück?« fragte sie.

      Thomas nickte.

      »Gern.«

      Und dabei lächelte er sie liebevoll an.

      Ein Lächeln, das Biancas Mutter nicht entging.

      Hoffentlich hat’s der Franz net gesehen,