Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
Скачать книгу
betrachtete das Kreuz. Die Dellen und Kratzer waren deutlich zu erkennen.

      »Was soll ich dazu sagen?« fragte er. »Wie ist das denn passiert?«

      Blasius Eggensteiner holte tief Luft.

      »Ich wär’ schon gestern gekommen«, erklärte er. »Aber da hatte ich eine Trauerfeier; die alte Frau Seltzmann. Ist der Kerl noch da?«

      Der Bergpfarrer verstand immer noch nicht.

      »Welcher Kerl?« wollte er wissen. »Von wem redest’ denn eigentlich?«

      »Von dem Landstreicher«, gab der rundliche Pfarrer erbost zurück. »Dem Kirchenschänder. Erst hat er sich im Hause Gottes umgeschaut und als er nix fand, das zu stehlen lohnte, hat er randaliert. Den Altar geschändet, die Vase zerbrochen, das Kreuz auf den Boden geworfen. Man sieht jetzt noch den Abdruck auf den Fliesen. Also, wo steckt er?«

      »Sag’ mal, redest’ etwa von dem Mooser-Sepp?« fragte Sebastian kopfschüttelnd.

      »Was weiß ich, wie der Kerl heißt. Jedenfalls hat er hinterher am Pfarrhaus geklingelt und um etwas zu essen gebettelt. Er scheint sich aber im Ort geirrt zu haben, weil er offenbar hierher wollte. Jedenfalls sprach er meine Haushälterin mit Frau Tappert an.«

      Der gute Hirte von St. Johann verstand allmählich.

      »Also, jetzt mal langsam«, meinte er beschwichtigend. »Hast du Beweise, für deine, immerhin schwere, Anschuldigung? Ist der Sepp denn gesehen worden, als er in die Kirche ging oder herauskam?«

      »Was braucht man da noch Beweise?« ereiferte sich Blasius Eggensteiner. »Die Sachlage ist doch ganz offensichtlich. Es war ja sonst niemand anderer da.«

      Sebastian warf einen Blick auf die Uhr. Die Hochzeitsgesellschaft konnte jeden Moment kommen, und die Zeit drängte. Aber natürlich konnte er die Sache nicht so einfach auf sich beruhen lassen – zumal Sepp Mooser noch immer drüben im Pfarrhaus war – und schon gar nicht auf die pauschale Anschuldigung seines Amtsbruders hin.

      Daß der manchmal gern übers Ziel hinausschoß mit seinen Verdächtigungen, wußte Sebastian Trenker aus eigener, leidvoller Erfahrung…

      »Du hast den Mann also auch net gesehen«, stellte er fest. »Nur deine Haushälterin. Aber auch net, als er angeblich aus der Kirche kam. Wo warst du denn überhaupt?«

      Blasius Eggensteiner schluckte aufgeregt, sein Adamsapfel hüpfte hoch und runter.

      »Wo…, wo ich war?« fragte er. »Was geht dich denn das an?«

      Das fehlte noch, daß er diesem aufgeblasenen Pfarrer eine Rechtfertigung dafür gab, was er tat oder nicht!

      »Ich hatte zu tun«, gab er dennoch zurück.

      Diese Erklärung hatte auszureichen. Schließlich mußte nicht jeder wissen, daß er an dem bewußten Nachmittag im Wirtshaus zu Waldeck gegessen und ein großes Stück Apfelkuchen mit Sahne verzehrt hatte. Zumal er dazu ein Kännchen ›richtigen‹ Kaffee getrunken hatte!

      Herrlich hatte es geschmeckt!

      Blasius Eggensteiner leckte sich unwillkürlich die Lippen, als er daran dachte. Natürlich war seine Haushälterin verärgert gewesen, als er zum Abendessen nur eine Tomate – ohne Salz, wegen des Blutdrucks – aß. Aber zu fragen, ob Hochwürden woanders bereits gegessen habe, wagte sie nicht.

      »Na ja, es spielt ja auch keine Rolle«, sagte Sebastian. »Es wär’ nur vielleicht hilfreich gewesen, wenn du etwas gesehen hättest. So steht Aussage gegen Aussage, denn natürlich wird der Mooser-Sepp bestreiten, etwas damit zu tun zu haben. Und ich glaub’s auch net. Der Mann macht einen grundehrlichen Eindruck. Er hat ein bissel Pech gehabt im Leben, aber er ist kein schlechter Kerl.«

      Allerdings war die Angelegenheit mit dem beschädigten Altarkreuz ein Vorfall, der aufgeklärt werden mußte.

      »Am besten gehst’ zu meinem Bruder und zeigst die Sache an«, schlug der Bergpfarrer vor. »Max wird sich dann darum kümmern.«

      Blasius Eggensteiner war davon weniger begeistert. Er war hergekommen, weil er gehofft hatte, den Übeltäter noch im Pfarrhaus anzutreffen. Der Geistliche von St. Anna hatte vermutet, daß sein Amtsbruder ihn für ein paar Tage aufnehmen würde. In seinen Augen eine völlig überflüssige Gefühlsduselei; man wußte ja, daß solche Menschen nie wieder richtig auf die Beine kamen. Sie wollten in der Regel gar kein anderes Dasein und arbeiten schon gar nicht. Sonst würden sie ja nicht auf der Straße leben.

      Aber so sehr es ihm auch mißfiel, eine andere Wahl hatte er wohl nicht. Die Angelegenheit mußte aufgeklärt werden. Zumindest in diesem Punkt war er zum ersten Mal mit seinem Amtsbruder einer Meinung.

      Sebastian hatte den Besucher geschickt zur Tür gedrängt.

      »Es tut mir leid, wenn ich dich jetzt so abfertigen muß«, bat er um Entschuldigung. »Aber ich hab’ gleich eine Trauung, wie du unschwer am Schmuck in der Kirche hast erkennen können. Es würd’ mich aber freuen, wenn wir bald mal zusammensitzen, und uns weiter über die Angelegenheit unterhalten könnten.«

      Blasius Eggensteiner murmelte ein paar unverständliche Worte und trollte sich davon. Sebastian schaute ihm kopfschüttelnd hinterher.

      Was war das denn nun schon wieder für eine Geschichte? Hatte tatsächlich jemand die Kirche geschändet, oder steckte etwas ganz anderes dahinter?

      Der gute Hirte von St. Johann kam nicht mehr dazu, weiter über den Vorfall nachzudenken. Die ersten Gäste der Hochzeitsgesellschaft kamen eben den Weg herauf. Begleitet von zahlreichen Neugierigen, Frauen und Madeln zumeist, die natürlich gespannt waren, zu sehen, wie das Brautkleid ausschaute.

      *

      Der Organist spielte den Hochzeitsmarsch, und die Gäste erhoben sich von den Bänken, als die Braut, am Arm ihres Vaters, die Kirche betrat. Tobias Brenner stand schon vorne am Altar und blickte seiner Frau lächelnd entgegen. Fritz Berger gab die Hand seiner Tochter an den Schwiegersohn und nahm neben seiner Frau Platz. Dann ertönte ein Glöckchen, und Pfarrer Trenker, in sein festliches Ornat gekleidet, kam, begleitet von zwei Meßbuben, aus der Sakristei.

      Vollkommene Stille herrschte, als der Geistliche das Brautpaar, die Eltern und die Gäste begrüßte. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, und noch viele andere Leute, die sich die Zeremonie nicht entgehen lassen wollten, standen bis zur Tür.

      Es wurde gesungen, der Bergpfarrer hielt seine Predigt, in der er von guten und schlechten Tagen sprach, wobei er dem jungen Paar wünschte, daß die guten überwiegen mögen. Die meisten Frauen schluchzten ergriffen, als Sebastian Christel und Tobias fragte, ob sie sich auch vor Gott zu Mann und Frau nehmen wollten. Sie bejahten, und der gute Hirte von St. Johann schloß den Bund fürs Leben.

      Kathrin Sonnenleitner biß sich auf die Lippen, als sie sah, wie das Paar vor dem Altar kniete und den Segen empfing. Sie freute sich, wie die anderen Gäste, mit ihnen und fragte sich insgeheim, wie es wohl einmal bei ihrer eigenen Hochzeit sein würde.

      Unter Orgelklängen marschierte die Gesellschaft nach draußen. Schon bei der Begrüßung hatte Pfarrer Trenker ein paar Worte mit der jungen Frau gewechselt und versprochen, die Unterhaltung später bei der Feier fortzusetzen.

      Kathrin war indes auch ein wenig enttäuscht, denn Ingo Bruckner, ihr Tischherr, war weder zur standesamtlichen, noch kirchlichen Trauung erschienen. Christel hatte erzählt, daß Tobias’ Cousin erst später zum Brennerhof kommen würde.

      Dabei hätte sie ihn doch so gerne endlich kennengelernt!

      Für die Braut gab es dann noch eine Überraschung. Christel hatte sich gewundert, warum Tobias und ihr Vater einstimmig erklärt hatten, daß das mit dem Blumenschmuck für das Hochzeitsauto schon in Ordnung gehen würde. Eigentlich hatte sie sich selbst darum kümmern wollen, aber sie war auch froh gewesen, daß ihr diese Aufgabe abgenommen wurde. Natürlich hatte sie sich gedacht, daß die beiden Männer sich etwas ganz Besonderes ausgedacht hätten, doch was sie jetzt sah, übertraf alle ihre Erwartungen.

      Unten auf der Straße wartete eine