Dubrovnik Turboprop. Sebastian Fust. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sebastian Fust
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783903005563
Скачать книгу
der Rezeption und am Rezeptionisten vorbei (der uns jetzt für jeden verständlich freundlich angrinste), schaute raus aus dem Hotel, durch die gläserne Eingangstüre.

      »Draußen«, sagte ich.

      »So. Ach, das sind …«, sie gab den beiden Mädchen einen Wink, »… meine Töchter. Anne und Franceska.«

      Die Töchter gaben mir, eine nach der anderen, höflich die Hand und zierten sich dabei fast ein wenig – ich wusste nicht warum, aber es hatte den Anschein, als hätten sie kurz darüber nachgedacht, einen Knicks zu machen, einen Knicks!, als hätten sie das vorher eingeübt und als wären sie sich jetzt nicht mehr sicher, denn wozu einen Knicks machen, in der Lobby, vor dem kostümierten Rezeptionisten und vor jemandem, den sie nicht kannten, vor mir – dachte ich und dachte, was ich mir denn einbilden würde, überhaupt zu denken wagen würde, das, so was! gedacht haben zu können, aber jedenfalls, egal warum, da war etwas gewesen, oder nicht? Ein kurzes Zögern, eine Unsicherheit, ein Innehalten und Abbrechen, das Nichtausführen einer geplanten Bewegung … Ja, so kam es mir vor, aber die Frau, Maria, war schon an mir vorbei und die beiden Töchter folgten der Mutter schnurstracks (wie kleine Entchen), eilten durch die gläserne Türe (und das beinahe wortwörtlich, denn fast hätte sie sich nicht schnell genug geöffnet, automatisch-magisch geöffnet, die Türe) und hielten kurz dahinter abrupt an, wobei sie scheinbar zwanglos, ganz natürlich ihre Reihenfolge aufrechterhielten (Mutter vorne, Töchter in kurzem, höflichem Abstand dahinter: quak, quak) – die Elektronik der Schiebetüre traute sich nicht, die beiden Glashälften zu schließen –, bauten sich dort auf, standen kurz still und dann rief Maria:

      »Ach, hallo! Hallo! Da sind Sie ja!« und eilte auf den metallicbraunen Mercedes 200D zu. Die beiden Töchter blieben unschlüssig stehen. Ich drängte mich artig und höflich an ihnen vorbei, denn der Ivo öffnete gerade der Großmutter die Wagentüre, während Frau Dresenkamp sich selbst zu helfen wusste. Imre öffnete bereits unter sanfter Gewaltanwendung den Kofferraum. Wohin ich auch eilen mochte, es schien, ich wäre für alles zu spät, als wäre mir alles oder irgendetwas zu spät eingefallen, zu helfen, beispielsweise. Ja, so muss es ausgesehen haben und so kam es mir plötzlich auch selbst vor. Ich stürzte dann, nach kurzem Abwägen, zu Imre, um den Rollstuhl der Großmutter entgegenzunehmen – aber keine Chance, da war Imre pflichtbewusst (beinahe angegriffen in seiner Taxifahrerehre), und so schüttelte er den Kopf und verdeckte mit der mir zugewandten Schulter meinen Griff hin zum Kassenrollstuhl.

      »Wie lange –!«

      »Ja!«

      »Hallo!«

      »Schön ist – «

      »Schön, ja – «

      Maria und die feine alte Dame.

      Ich versuchte das Gepäck auszuladen, aber auch hier war Imre schneller und verwehrte mir das Gepäckausladen durch eine unmissverständliche Handbewegung. Na gut! Dann fahre ich eben den Rollstuhl zur Großmutter, dachte ich, doch Frau Dresenkamp strich bereits das darauf befindliche Sitzkissen zurecht und rollte ihn dann selbst zur Großmutter, und diese, die Großmutter, zu der ich als nächstes eilte, wurde bereits vom höflich zuvorkommenden Ivo gestützt, der lächelnd und rauchend und also bereits stützend neben ihr stand, wie verabredet. Derweil setzten die Großmutter und Maria ihre freudige Begrüßung fort:

      »Ach.«

      »Ja.«

      »Willkommen!«

      »Schön.«

      Küsschen links, Küsschen rechts, Küsschen links.

      »Willkommen!«

      Frau Dresenkamp hatte mit dem Rollstuhl neben der Großmutter angehalten, war aber übersehen worden in der Wiedersehensfreude. Als sie nun höflich wartend von der feinen alten Dame bemerkt wurde, wehrte diese ihre Hilfe ab:

      »Nein, nein.«

      Gestützt an Ivos Arm, so aufrecht und sicher wie es ihr möglich war, ging sie auf das Hotel zu, als habe jemand Geburtstag, nur ich kam mir vor, als sei ich dazu nicht eingeladen worden, seltsam. Sie gingen auf den Eingang, die Treppe zu, langsam, keine Eile, stolz und als ob es etwas zu beweisen gäbe, Schritt für Schritt, mit beiden Händen an Ivos Arm schritt sie auf die Treppe zu, und Maria nahm Großmutters anderen Arm, ebenfalls stützend – aber die feine alte Dame hielt sich mit beiden Händen nur an Ivos Arm (als könne sie nicht davon lassen, als wäre er ihre einzige Sicherheit, ihre einzige Rückversicherung – der Arm, der Ivo –, bloß: wofür?) und sagte:

      »Es geht schon. Geht schon. Nur eben langsam.«

      Sie lächelte Maria an und Maria sagte, dass sie das prima mache: »Prima machen Sie das!«, und dass das, die beiden Mädchen, die da oben (etwas verloren) auf dem Treppenabsatz stünden, dass das – »Anne! Franceska!« – ihre beiden Töchter seien, welche nun, immer noch unsicher auf dem Treppenabsatz stehend, einen Wink ihrer Mutter bekamen, die Treppe halb hinunterschritten, grazil, fast etwas kokett, und der feinen alten Dame die Hand reichten, ihr nacheinander, die Jüngere zuerst, die Hand gaben und das Ganze mit einem kleinen Knicks betonten, aufwerteten, meine Großmutter aufwerteten – und eben: Ich hatte es geahnt, aber vorher nicht gewusst, dass da etwas gewesen war, dass was im Busch (wie man so sagt) gewesen war, und hatte jetzt das Gefühl, es zu wissen, vielleicht, zumindest, also mutmaßlich, aber jetzt hatte ich also ganz bestimmt das Gefühl oder vielmehr das bestimmte Gefühl, meiner Großmutter bei der nächstmöglichen Gelegenheit eine ähnliche Gunst erweisen zu müssen.

      »Mensch, seid ihr groß geworden!«

      Mit dieser Erkenntnis, dem nun endlich benennbaren Gefühl dessen, was ich wohl offensichtlich verabsäumt hatte zu tun, stand ich noch etwas alleine da, schaute mich verlassen um und trottete dann der Gruppe wie unnütz hinterher. Nicht einmal meinen eigenen Koffer, nicht einmal meine Umhängetasche durfte ich selbst tragen.

      »Nein, nein, die tragen wir für Sie!«, sagte der Concierge, der die Boys, die Laufburschen, rief, die in ihren roten Uniformen gelaufen kamen und alles Gepäck (Koffer, Taschen, Geschenke), welches der Imre inzwischen die Treppe hinaufgetragen hatte, in zwei Hotelgepäckwagen verstauten und damit wegfuhren, aber einen anderen Weg einschlugen als die feine alte Dame am Arm des Ivo und der Maria, gefolgt von Frau Dresenkamp und den Töchtern (auf halber Strecke hatte sich die alte Dame dann doch in den Rollstuhl gesetzt – oder hatte sie sich bereits vorher schon gesetzt oder von Ivo setzen lassen?), jetzt von Ivo, dem treuen Ivo, dem sie doch immer Carepakete geschickt hatte, geschoben, und ich wusste im ersten Augenblick nicht, welcher Gruppe ich folgen durfte, wollte oder sollte, weil ich für einen kurzen Moment unaufmerksam gewesen war (»Das Hotel, was für eine seltsame Architektur! Gab es für den Entwurf eine öffentliche Ausschreibung? So weiß, so verspiegelt? Oder gibt es noch mehrere dieser Hotels, nur an anderen Orten, handelt es sich um eine sozialistische Einheitsarchitektur?«, fragte ich mich in Anbetracht des Kreuzfahrthotelschiffes), kurz den Laufburschen (leuchtend rote Uniformen: Wie kriegen die das hin? Neu?) hinterhergetrottet war, nicht bemerkt hatte, dass sie sich von der anderen Gruppe (Großmutter, Ivo, Imre, Maria und Entlein) getrennt hatten, den Irrtum dann aber feststellte, dabei jedoch nicht sicher war, ob es tatsächlich ein Irrtum sein konnte, weil ich mir in diesem kurzen Moment meines Platzes nicht bewusst war, dann aber wieder kehrt machte und mich der mutmaßlich richtigen Gruppe (immerhin) selbst hinterhertrug.

      Das Zimmer, von dem meine Großmutter sagte, es wäre das »Zimmer wie immer« (was ihr von Maria mit »Natürlich. Selbstverständlich. Für Sie. Wie immer.« bestätigt wurde), befand sich im siebten und letzten Stock des Hotels, zum Meer hin, das Zimmer, das kein Zimmer war, sondern eine Suite in plüschigem Rosa, loftartig mit breiter Fensterfront zum Meer hin, raus zur Dachterrasse, und dahinter lag das Meer, weit, mit sanftem Wellenspiel, das Meer, und darüber Möwen und dahinter, hinter dem Meer, Italien, irgendwo, unsichtbar, und in der Ferne, am Horizont, kurz vor dem Horizont, vor dieser Linie, hinter der alles aufzuhören scheint, aber dennoch weitergeht, auch wenn es nicht so aussieht, sodass man in diesem Fall seinen Augen nicht trauen darf, kurz davor kündigte sich ein Gewitter an – am Horizont über dem Meer war es schon sichtbar, von dort wehte ein frischer, salzig riechender, angenehm kühler Wind durch die offene Glasschiebetür, die Frau Dresenkamp nun sanft