So standen sie eine Weile stumm nebeneinander. Vom Indian Creek her kam ein leichter Wind und strich über ihre glühenden Gesichter.
»Das ist ein ganz verdammter Spuk!« knurrte Saunders. »Yeah, ein Spuk, sage ich. Ich habe doch ganz genau gesehen, daß die Kugel hinten seine Jacke aufriß. Mit einem so placierten fünfundvierziger Geschoß reitet man doch nicht durch die Landschaft!«
»Halt’s Maul!« krächzte Folgerson.
Seld schluckte und rieb sich die rötliche Bartstoppeln. »Vorwärts, wir fangen an.«
Die Angst vor Yellow Jim überwog alles andere. Die drei Verbrecher machten sich an die Arbeit.
In dem Augenblick, in dem Cass Saunders’ Spaten mit einem dumpfen Geräusch auf etwas Hartes stieß, zuckten sie alle drei zusammen.
Es war Seld, der sich zuerst wieder faßte. »Vorwärts, schaufelt den Kasten frei.«
Als auch das getan war, hielten die drei Outlaws wieder inne und starrten auf den vernagelten Sargdeckel.
»Aufmachen!« kommandierte Saunders.
Seld warf den Kopf zu ihm herum. »Hast du hier auch schon etwas zu sagen, he?«
»Nun tut schon, was er sagt!« drang da eine metallische Stimme an die Ohren der drei Verbrecher.
Stocksteif standen sie da. Keiner von ihnen wagte sich umzudrehen. Dann hörten sie das Knacken eines Revolverhahns.
»Umdrehen!« befahl der Missourier.
Ganz langsam wandten die drei sich um.
Der Marshal stand nur etwa sechs Yards vor ihnen zwischen den Gräberreihen. In seiner linken Hand lag ein großer Revolver mit einem überlangen sechskantigen Lauf.
Seld spürte, daß sein Herz bis in den Hals hinauf hämmerte.
»Wie kommen Sie… Sie hierher, Sheriff?«
Wyatt wies mit der Rechten auf den Sarg. »Ich hatte noch keine Lust, da drinnen zu liegen; ich stehe hier besser.«
Fassungslos stierten die Banditen ihn an. Niemand sprach ein Wort.
Da sprangen die Lippen des Marshals auf. »Verschwindet!«
Seld machte einen zögernden Schritt zur Seite. Saunders folgte ihm nach. Dann erst setzte sich der Schlaks Folgerson in Bewegung. Und dann liefen sie los, als wenn der Teufel hinter ihnen her wäre. Sie warfen ihre Schaufeln und Hacken von sich, sprangen über Grabhügel und Pfade und hetzten zum Ausgang des Graveyard.
Wyatt blickte hinter ihnen her und schob seinen Reolver ins Halfter zurück.
Als er eine Viertelstunde später wieder in die Mainstreet ritt, machte er vor dem Post Office halt.
Der kleine Joe Bliff war langsam aufgestanden. »Mister…, ich…, wer sind Sie…?«
»Haben Sie mir die Nachricht geschickt?«
Eine Glutwelle flog über das faltenreiche blasse Gesicht des Postmasters. »Ich? Yeah…, sind Sie…, sind Sie wirklich…, damned, ich wage es gar nicht auszusprechen…«
»Ich bin Wyatt Earp!«
»Wyatt Earp! All thousand devils! Wyatt Earp, der Marshal von Dodge!« Mit einem Satz jumpte der betagte Bursche über das Schalterbrett und rannte auf den Missourier zu. Er streckte ihm die Hand hin.
»Ich bin Joe Bliff!«
Wyatt drückte die Hand des wackeren Mannes.
»Wo ist mein Bruder?«
Bliff flüsterte, als könne er sogar hier in seinen vier Wänden belauscht werden: »Draußen auf der Liston Ranch. Die beiden Flanagans haben ihn nach der Schießerei hinausgebracht.«
»Wissen Sie, wie es ihm geht?«
»Nicht genau. Ich habe Doc Collins heute morgen gefragt, der wußte nichts. Aber But Flanagan war eben hier, er sagte, daß es ihm schon etwas besserginge. Er soll über den Berg sein. Heavens, dieser Zigan hat ihn hinten links in den Rücken geschossen. Aus dem Hinterhalt, dieser feige Halunke.«
»Wie heißt der Mann?«
»Griffith. Zoltan Griffith.«
»Wo finde ich ihn?«
»Da, wo Morgan ihn hingeschickt hat. Auf dem Graveyard.«
»Er ist tot?«
»Yeah!« Bliff rieb sich die Hände. »Er ist tot. Der Sheriff hat ihn im allerletzten Augenblick noch abgefangen und ausgelöscht. Und das war das einzige, was uns hier hochgehalten hat. Aber leider macht ein Mann mehr oder weniger bei der Bande nichts aus. Well, jetzt sind Sie ja da. Heiliger Himmel, Wyatt Earp in Orange City!«
Bliff hielt inne und sah den Marshal an. »Damned, Sie sind ihm zum Verwechseln ähnlich!«
»Ich weiß. Break und die andern halten auch mich für Morgan. Und ich möchte sie zunächst in diesem Glauben lassen.«
»All right, Marshal. Sie können sich auf mich verlassen!« versicherte der alte Bliff.
»Wer weiß noch von Ihrer Nachricht an mich?«
»Niemand, Mister Earp«, versetzte der Postmaster stolz. »Ich arbeite seit drei Jahrzehnten für die Post und kann meinen Schnabel halten.«
»Das ist gut. Ich danke Ihnen, Mister Bliff.«
Der Marshal reichte dem Kleinen noch einmal die Hand. Dann wollte er zur Tür.
Bliff hielt ihn auf. »Aber Marshal, was wollen Sie allein gegen diese Horde unternehmen? Ich glaube, es sind ihrer immer noch sechs oder gar sieben. Genau weiß das niemand hier. Sie haben Verstärkung bekommen.«
Wyatt winkte ab. »Lassen Sie das nur meine Sorge sein, Mister Bliff. Und halten Sie weiterhin ihren Mund!«
»Rechnen Sie auf mich, Marshal. Aber vielleicht wäre es gut, wenn wir die wenigen Leute, die zu Ihrem Bruder gestanden haben, noch einweihen würden.«
»Und wer wäre das?«
»Zunächst Doc Collins.«
»Wie alt ist er?«
»Yeah, er ist zwar fast achtzig, aber winken Sie nicht ab. Der lederne Bursche ist mit seiner Flinte gleich hinter Morgan auf die Schenke zugegangen. Ich habe es selbst von hier aus beobachtet. Er ist Feldarzt gewesen, obgleich er auch damals schon wie Methusalem gewesen sein muß. Und dann sind da noch die beiden Flanagans. Zwei prächtige Jungens, sie haben hier eine Tischlerei in der Stadt. Die können Ihnen bestimmt von Nutzen sein.«
Wyatt überlegte einen Augenblick. Dann nickte er. »Well, verständigen Sie die drei Männer, aber nehmen Sie ihnen bitte das Versprechen ab, Stillschweigen zu bewahren.«
»Wird gemacht, Marshal!«
Joe Bliff sah in die Augen des Missouriers. »Das wird ein schweres Stück Arbeit werden, Mister Earp. Break ist ein mit allen Hunden gehetzter Kerl. Und Jimmy Hunter steht ihm nicht viel nach. Saunders, Folgerson und Seld sind auch nicht zu unterschätzen. Und dann die anderen, die ich nur ein-, zweimal gesehen habe. Alles Brüder, die todsicher vor einer Reihe von Steckbriefen herlaufen.«
Wyatt nickte und ging hinaus.
Der Postmaster blickte gedankenvoll hinter ihm her. In seinem Gesicht stand deutlich die sorgenvolle Frage geschrieben: Wie will er das schaffen?
Wyatt suchte das Office auf und brachte sein Pferd in den Stall. Nachdem er es versorgt hatte, sah er sich im Office um.
Ja, es war ganz sicher ein schweres Stück Arbeit, das hier vor ihm lag. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
Gordon Jim Break war ihm kein Unbekannter. Der Mann war oben in Montana unter dem Namen Yellow Jim bekannt und gefürchtet. Mochte der Teufel wissen, was ihn hierhergebracht hatte.
Als Doc Collins informiert war, kam er sofort