Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eugenie Marlitt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026841036
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die Adam verlangt, Onkel – er will nichts anderes, als das auffallende Zusammentreffen von deiner Seite aus beleuchtet wissen,« rief Felix hinüber.

      Der Rat fuhr nach ihm herum. Er hatte ein großes graublaues Auge, das gewöhnlich durchdringend, mit dem Selbstbewußtsein eines Mannes, der nie um einen Schritt vom Rechtsboden weicht, in das Gesicht anderer Menschen sah; aber es konnte auch versteckt unter den überhängenden Brauen hervorglimmen, wie ein verhaltener Funke. Dieser halbverschlossene Blick glitt an dem Neffen empor, der hoch und schlank und sehr vornehm in seiner gewählten Eleganz auf der erhöhten Schwelle stand, und streifte dann vergleichend an der verschossenen Joppe nieder, die der Herr Rat selten mit einer besseren vertauschte.

      Die Bemerkung des jungen Mannes blieb unbeantwortet. Der Onkel lächelte nur sarkastisch; er schlug mit dem Taschentuche hängengebliebene Halme, Erd- und Kohlenreste von seinen Kleidern, die dicke Staubschicht von den Stiefeln, und dabei mit dem Kopfe nach Felix hindeutend, sagte er beißend zu seiner Schwester: »Er steht da, wie das leibhaftige Modenkupfer, Therese, so frisch vom Schneider weg, so glatt und geleckt! – Das flotte Röckchen da müßte sich famos in Scheuer und Kohlenschacht ausnehmen, Felix!«

      »Es ist auch nicht dazu gemacht, Onkel, – was gehen mich Scheuer und Kohlenschacht an?« versetzte Felix, seine Empfindlichkeit unter einem flüchtigen Lächeln verbergend.

      »Ach wie – so rasch und willig findest du dich mit der großen Wandlung in deinem Leben ab? – Da siehst du nun, Therese, was ich immer sage – diese idealen Köpfe sind reicher als wir; sie werfen Hunderttausende von sich wie Kieselsteinchen und verziehen keine Miene dabei. – Hm, mein kleiner Veit hat dir einen schlimmen Streich gespielt, Felix – das Klostergut ist kein Pappenstiel.«

      Das Ohr des jungen Mannes war von jeher peinlich geschärft für den Tonfall in seines Onkels an sich wohlklingender Stimme; er hörte auch jetzt einen fast wilden Triumph über die Geburt des Kindes, Schadenfreude und den Wunsch, ihn zu reizen, aus den Bemerkungen heraus.

      »Gott sei Dank, ich habe kein neidisches Herz – möchte das Kind zu deiner Freude heranwachsen!« sagte er ruhig, und sein schönes, offenes Gesicht trug das Gepräge der Wahrhaftigkeit, des reinen Bewußtseins. »Wenn du aber glaubst, Geld und Gut seien mir gleichgültig, dann irrst du – nie habe ich lebhafter gewünscht, ein reicher Mann zu sein, als gerade jetzt –«

      »Hast du Schulden?« fiel der Rat scharf ein und trat gespannt auf den Sprechenden zu. – Der junge Mann warf stolz den Kopf zurück und verneinte.

      »Nun dann – wozu? Hält dich deine Mutter zu kurz? Und möchtest du noch mehr solch überflüssigen Firlefanz in dein Knopfloch hängen, wie du ihn hier trägst?« – Er war auf die Türstufe getreten und fixierte die Anhänger an dem Uhrkettenring des Neffen. Mit spitzem Finger zog er ein kleines goldenes Rund hervor, von dem ein farbiges Funkeln ausging. »Alle Wetter, die Steinchen sind ja echt! – Ist das dein Geschmack, Therese?« rief er über die Schulter in die Küche zurück.

      Die Majorin hatte eben ihre blauleinene Küchenschürze abgenommen und hing sie an einen Nagel. Sie kam gelassen, ohne jedwedes äußere Zeichen von Interesse herüber. – »Ich kaufe nie dergleichen moderne Spielereien,« antwortete sie mit einem prüfenden Seitenblick auf das Schmuckstück; dann aber heftete sich ihr dunkles Auge durchdringend und forschend auf das wie mit Blut übergossene Gesicht des Sohnes. – »Von wem ist die Kapsel?« fragte sie kurz.

      »Von einer Dame –«

      »Mein Sohn, junge Mädchen haben selten so viel Geld zu verschenken,« warf der Rat ein, indem er das Steingefunkel wohlgefällig hin und her spielen ließ; – »will dir sagen, Felix, von wem das kostbare Andenken ist – von deiner alten Freundin, der Baronin Leo in Berlin; eine ehrwürdig graue Locke ist drin – wie?«

      »Nein, Onkel, eine glänzend braune,« entgegnete der junge Mann rasch, als sei ihm diese falsche Vorstellung unerträglich – ein stolz glückseliges Lächeln irrte dabei um seinen Mund; aber gleich darauf stockte ihm der Atem; er hatte die Entscheidung herbeigeführt ohne alle Vorbereitung, und nun standen ihm diese zwei Eisenköpfe gegenüber; der eine, nur Spott und Hohn auf den Lippen, und der andere mit dem unwillig überraschten, durchbohrenden Blick – nie war ihm die Wolframsche Familienseele in beiden Gesichtern so vernichtend entgegengetreten, als in diesem peinlichen Augenblick.

      »Ich möchte den Namen der Dame wissen,« sagte seine Mutter lakonisch und genau mit der Beichtigermiene, die sie vor Jahren angenommen, wenn ihr Knabe in Gesellschaft eines fremden Kindes betroffen worden war. Sie las in den Zügen ihres Sohnes mit der ganzen Schärfe ihres Verstandes und Urteils; sie sah auch jetzt, wie er mit qualvollen Gefühlen kämpfte, aber es blieb ihr auch kein Zweifel, daß er ihrer Nachsicht in bedeutendem Maße bedurfte, und das ließ sie ohne Rücksicht, unerbittlich vorgehen.

      »Mama, sei gut!« bat er weich und flehentlich; er ergriff ihre beiden Hände und zog sie gegen seine Brust. »Lasse mir Zeit –«

      »Nein!« unterbrach sie ihn entschieden und zog die Hände aus den seinen. »Du weißt, ich mache stets sofort reinen Tisch, wenn ich eine Differenz zwischen uns bemerke – und hier liegt eine bedenkliche! Glaubst du, ich lasse mich herbei, eine ganze lange Nacht über den dunklen Weg zu grübeln, den du offenbar gehst? – Ich will den Namen wissen!« –

      Die großen, blauen Augen des jungen Mannes funkelten auf in tiefverletztem Gefühl, aber er schwieg und strich sich, nach Fassung ringend, wiederholt mit der Rechten über die Stirne und die prachtvollen, aschblonden Haarwellen, die sie umrahmten.

      »Bist ja ein Hauptheld!« warf der Rat derb und ironisch hin; »tust ja gerade, als ginge es dir und dem braunen Lockenkopf an den Kragen. – Hm – ein Bettelmädchen ist's nicht, sie hat Brillanten zu verschenken; aber mit der Familie, mit der Herkunft hat es seinen Haken – wie? – Du hast alle Ursache, die Sippe zu verleugnen – du schämst dich –«

      »Schämen? Ich sollte mich meiner Lucile schämen?« fuhr der junge Mann rückhaltslos auf – um seine Selbstbeherrschung war es geschehen. »Lucile Fournier! – Fragt nach ihr in Berlin, und ihr werdet hören, daß ihr der ganze junge Adel zu Füßen liegt, daß sie sofort in eines der ersten Grafengeschlechter heiraten könnte, wenn sie es nicht vorzöge, mir zu gehören ... Aber ich weiß sehr gut, daß eine exotische Blume nicht in den deutschen Ackerboden paßt, ich weiß ebenso, daß alles, was Kunst heißt, auf dem Klostergute schlecht angeschrieben ist; ich habe mit hartnäckigen Vorurteilen zu kämpfen, und das machte mich für einen Augenblick befangen, nicht für mich selbst, sondern weil ich sicher bin, daß in der ersten Überraschung verunglimpfende Worte über mein Mädchen fallen werden – und die ertrage ich absolut nicht!«

      Er schöpfte tief Atem und sah jetzt fest und furchtlos in das Gesicht seiner Mutter, welche, die Hand auf die Tischecke gestemmt, die erblaßten Lippen in den Winkeln tiefgesenkt, starr wie von Stein, ihm gegenüberstand. – »Luciles Mutter ist eine berühmte Frau,« setzte er kurz und entschlossen hinzu.

      »So?!« sagte gedehnt der Rat. – »Und der Herr Vater? Ist der nicht berühmt?«

      »Die Eltern leben getrennt, wie –« der junge Mann wollte sagen: »wie die meinen« – aber ein wildes Auflodern im Auge der Majorin ließ ihn die letzten Worte verschlucken. Nach einem augenblicklichen Schweigen sagte er rasch, wie um der unsäglich peinlichen Spannung sofort ein Ende zu machen: »Madame Fournier ist die Ballerina–«

      »Ach was, sprich doch deutsch, Felix!« fiel der Rat mit zynischem Sarkasmus ein. »Sage: die Tänzerin, die mit kurzem Röckchen und nackter Brust abends über die Bretter fliegt – brr –« er schüttelte sich und lachte hämisch auf – »das wird die künftige Schwiegermama sein, Therese!« – Mit strengem Vorwurf erhob er den Zeigefinger gegen die Schwester, und sein scharfgeschnittener Kopf erstarrte förmlich in dem menschenfeindlich finsteren Gepräge, das seine Mitbürger an ihm haßten. »Weißt du noch, was ich dir vor fünfundzwanzig Jahren prophezeit habe?« fragte er. »Du wirst deine unverständige Wahl in deinen Kindern verwünschen – sagte ich nicht so, Therese? Da ist's nun – das ist sein Blut, das leichte Soldatenblut! – Nun schüttle das verhaßte Element ab, wenn du kannst!«

      »Das