Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1. Bettina von Weerth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina von Weerth
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740940898
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du vor diesem Bild hängst. Schön, es hat dich schon immer fasziniert, aber jetzt …, findest du nicht, dass du da ein wenig übertreibst?«

      »Ich übertreibe nicht, sondern ich versuche zu ergründen, was mich stört, was an diesem van Veere anders ist.«

      Er legte ihr einen Arm um die Schulter.

      »Nichts ist anders, liebste Freundin. Er hängst seit Jahrhunderten an diesem Platz, und vermutlich wird es auch noch ewig so bleiben.«

      »Kann nicht sein, dass jemand …«

      Er ließ sie nicht aussprechen.

      »Oh nein, wenn du jetzt sagen willst, dass jemand den van Veere vertauscht hat oder etwas ähnliches, dann muss ich dich bitten, deinen klaren Verstand zu gebrauchen, deine Fantasie nicht mit dir durchgehen zu lassen … Leonie, überleg doch mal. Es ist ein riesiges Bild. Das steckt man sich nicht so einfach in die Tasche … Es gäbe einen großen weißen Fleck an der Wand, und den würde jeder bemerken. Außerdem ist es ein Meisterwerk, das kann nicht so einfach jemand kopieren …, und wieso auch kopieren? Wenn es jemandem gelingt, das Gemälde unbemerkt von der Wand zu nehmen, dann bringt er es unbemerkt weg. Da muss er doch nicht …«

      Er brach lachend ab.

      »Jetzt hast du mich schon angesteckt, und da will ich gar nicht erst hineingehen. Mit dem van Veere ist alles in bester Ordnung. Lass es los. Und damit es dir einfacher fällt, schlage ich vor, dass wir zwei jetzt einen Spaziergang zu den Ställen machen. Wir haben heute einen Neuzugang bekommen. Eine wunderschöne Schimmelstute, preisgekrönt, die Mutter ist Mariol, das grandiose Dressurpferd, der Vater Furio …, besser geht’s nicht.«

      Sogar beim Ankauf ihrer Pferde war den Ahndorfs eine erstklassige, lupenreine Abstammung wichtig, dachte Leonie. Das machte sie ein wenig traurig, weil sie aus eigener Erfahrung wusste, dass auch No-Name-Pferde wundervolle Kameraden sein konnten.

      Sie war froh, dass Florian sagte: »Franny ist wirklich ein wunderschönes Pferd. Ich hätte sie, im Gegensatz zu meinem Vater, auch ohne ellenlange Ahnentafel gekauft …, aber er kann wohl nicht anders, der gute Dad … Was nicht vielversprechend, hochtrabend klingt, ist nichts.«

      Seine Stimme hatte dabei so traurig geklungen, dass Leonie stehen blieb, ihn ernst ansah.

      »Florian, was ist los mit dir?«

      Wollte er etwas sagen? Er zögerte. Riss sich zusammen. »Was sollte los sein? Ich will mit dir in die Stallungen, um dir Franny zu zeigen.« Er hatte sich unter Kontrolle, hatte zugemacht, und Leonie wusste, dass sie ihn durch nichts dazu würde bewegen können, auszusprechen, womit er sich, und das war ganz offensichtlich, quälte.

      »Okay, zeig mir Franny«, sagte sie, und ihre Stimme klang ein wenig traurig.

      Früher hatten Florian und sie sich alles anvertraut, so manches kleine Geheimnis gehabt. Warum war das anders geworden?

      Es lag nicht an ihr. Sie hatte sich nicht verändert, und sie hatte ihm auch keinen Anlass gegeben, ihr nicht mehr zu vertrauen.

      Sie konnte nur hoffen, dass er sich besinnen würde.

      Tante Klara und sie waren ja gerade erst angekommen.

      Als sie über den gepflasterten Schlosshof in Richtung der großen Stellungen gingen, kam, wie unabsichtlich, Melanie aus einem der Nebengebäude heraus.

      Auch wenn sie sich bemühte, es nicht so aussehen zu lassen, war ganz eindeutig, dass sie ihnen aufgelauert hatte.

      »Oh, welch Zufall. Geht ihr zu den Pferden? Da will ich auch hin. Ich kann von Franny einfach nicht genug bekommen. Die Papiere von ihr sind exzellent. Wenn sie erst mal ausgebildet ist, kann man ein Vermögen mit ihr machen. Sowohl väterlicher als auch mütterlicherseits diese großartige Veranlagung. Zwei Dressurpferde, beide mit Olympiagold …« Sie redete, redete.

      Es stieß Leonie unangenehm auf, dass es Melanie eigentlich überhaupt nicht um das Pferd ging, sondern nur um die Papiere, das Geld, das man machen konnte.

      Es war unerträglich.

      Leonie war ein höflicher Mensch mit ausgezeichneten Manieren.

      Normalerweise hätte sie Melanie, die sich so einfach an sie herangemacht hatte, geduldet.

      Das ging jetzt nicht.

      »Du, Melanie, geh schon mal vor … Ich möchte mit Florian noch etwas besprechen …, etwas Persönliches.«

      Sie wartete ihre Antwort nicht ab, auch nicht einen Einwand von Florian, sondern zog ihn, vorbei an der verblüfften Melanie, mit sich fort.

      »Es ging nicht anders«, sagte sie, als sie außer Reichweite waren. »Ich finde sie von Mal zu Mal unerträglicher. Wie sie über das Pferd gesprochen hat, nicht wie ein Lebewesen, sondern etwas, was eine gewinnbringende Geldanlage ist. Ich kann durchaus verstehen, dass man, wenn man sich mit der Pferdezucht beschäftigt und auch davon lebt, kommerziell denken muss. Hier bei euch handelt es sich, wie bei euren anderen Pferden auch, um Tiere mit exzellenten Papieren, die aber zu einem privaten Zweck angeschafft wurden … Wenn Melanie über Geld spricht, über gute Geschäfte, über zu erwartenden Gewinn, dann bekommt sie gleich die Dollarzeichen in ihren Augen … Nervt es dich nicht manchmal, dass sie sich verhält wie die Schlossherrin, nicht wie eine Besucherin?«

      Er zuckte die Achseln.

      »Ich höre schon lange nicht mehr zu, wenn sie etwas sagt, und sie kann sich fühlen als was sie will … Gräfin Ahndorf kann sie nur werden, wenn ich sie heirate. Und das wird niemals – wirklich niemals – geschehen. Wenn ich hier einmal das Sagen haben werde, wird es auch keine Besuche mehr geben.«

      Er hatte das mit dem Sagen schon mal erwähnt.

      Stand ein Generationswechsel bevor?

      Sie blickte ihn an.

      Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht so, wie du denkst. Papa denkt noch lange nicht ans Aufhören, und das ist gut so. Solange er die Zügel in der Hand hält, kann ich hier und da einen kleinen Freiraum für mich herausschlagen. Einen Freiraum, den ich unbedingt brauche.«

      »Florian, hast du eine Freundin …, ich meine, eine Frau, die dir etwas bedeutet?« Leonie hatte diese Frage einfach stellen müssen.

      Seine Reaktion war nicht vorherzusehen gewesen. »Du nervst. Im Grunde genommen bist du keinen Deut besser als Melanie, die kann einen mit ihren Fragen auch durchbohren … Weißt du was, Leonie? Ich habe keine Lust mehr …, weder mit dir in die Stallungen zu gehen noch auf sonst was … Wir sehen uns dann später … Vermutlich treffe ich dich ja wieder vor dem van Veere … Ehe du mir komische Fragen stellst, solltest du mal in dich gehen und dich fragen, was es ist, was du da veranstaltest.«

      Er drehte sich einfach um und lief davon, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.

      Verblüfft sah Leonie ihm nach.

      Das war nicht der Florian, den sie kannte.

      Das war ein gequälter, zerrissener Mann, der nichts und niemandem mehr vertraute, nicht einmal seiner allerbesten Freundin.

      Das konnte nur eines bedeuten. Florian wollte jemanden schützen. Eine Frau … Klar!

      Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Es gab eine Frau in seinem Leben, eine Frau, die ihm viel, vermutlich sogar alles, bedeutete.

      Eine Frau, die keinen so lupenreinen Stammbaum hatte wie er, wie Melanie und wie das neue Pferd Franny.

      Armer Florian … Sie war nicht sauer auf ihn. In seiner Zerrissenheit konnte er nicht anders handeln. Sie würde seinem Geheimnis auf die Spur kommen. Genau so, wie sie das Rätsel um die Flusslandschaften lösen würde. Und das alles bald.

      Als sie merkte, dass sie in die Rolle der Kriminalschriftstellerin abglitt, die auf Recherche war, besann sie sich. Stopp!

      Sie schrieb keinen Roman.

      Hier ging es um das wahre Leben, und da konnte man nicht ein paar Zeilen oder sogar Seiten löschen, willkürlich verändern, da musste man behutsam