Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1. Bettina von Weerth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina von Weerth
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740940898
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Signatur eine winzig kleine Sumpfdotterblume …, die fehlt auf dem Gemälde, das in der Halle hängt.«

      Auf einmal war es still.

      Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Die kleine Sumpfdotterblume …

      Aber ja, an die konnten die Ahndorfs sich natürlich erinnern. Selbst Klara von Rosenstein gab zu, sie gesehen und ganz entzückend gefunden zu haben.

      Wie auf Kommando standen alle auf, mit Ausnahme von Melanie.

      »Welch ein Schwachsinn«, rief sie. »Kleine Sumpfdotterblume …, ich habe mir das Bild auch hier und da mal angesehen, weil es ganz hübsch ist. Mir ist nichts aufgefallen, und euch wahrscheinlich auch nicht. Ihr glaubt …«, sie betonte das Wort, »etwas gesehen zu haben, weil Leonie versucht, euch das einzusuggerieren. Menschen manipulieren kann sie ganz vortrefflich, und wenn ihr nun …«

      Sie brach ihren Satz ab, weil sie erst jetzt merkte, dass niemand mehr im Raum war, dass alle bereits in die Halle gelaufen waren.

      Mist!

      Sie stand auf, trat an eines der doppelflügeligen hohen Fenster, schaute hinaus in den Park.

      Schmetterlinge, Insekten taumelten in das sanfte Licht der Laternen.

      Alles sah so friedvoll, so schön aus. Doch dafür hatte Melanie keinen Sinn. Sie presste ihre Stirn gegen die Fensterscheibe. Ihre Gedanken überschlugen sich.

      Am liebsten würde sie Leonie den Hals umdrehen.

      Warum war die mit ihrer schrulligen Tante gerade jetzt hier aufgetaucht?

      Und warum musste sie überall herumschnüffeln, ihre Nase in alles stecken?

      Sumpfdotterblume …

      Hatte es die auf dem Gemälde wirklich gegeben?

      Musste wohl so sein, sonst wären sie jetzt nicht alle hinausgelaufen. Ihr war sie auf jeden Fall niemals aufgefallen. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr.

      Sie musste cool bleiben.

      Das war nicht so einfach. Zum Glück achtete niemand mehr auf sie, denn als sie alle zurückkamen, gab es nur ein einziges Thema …, die Fälschung!

      Die Ahndorfs waren erschüttert, dass ihnen nichts aufgefallen war, ihnen vermutlich auch nichts aufgefallen wäre.

      Sie hätten weiterhin mit dieser Kopie gelebt, wahrscheinlich auch noch die nächste, die übernächste Generation.

      Aber was war mit dem Original geschehen?

      Wie war es ausgetauscht worden?

      Und wann?

      Viele Fragen, auf die derzeit noch keiner eine Antwort wusste, sie vielleicht auch niemals bekäme …

      *

      Von Leonies Vorschlag, die Polizei einzuschalten, wollte Graf Anton nichts wissen. Wie viele Familien, die einen großen Namen trugen, lebten sie ein standesgemäßes, aber unauffälliges Leben. Sie gaben nichts über sich preis und ließen Fotos nur zu, wenn es unumgänglich war, weil bei großen gesellschaftlichen Anlässen die Presse zugelassen werden musste, da ein öffentliches Interesse bestand.

      Graf Anton, ein Fan ihrer Kriminalromane, bat sie zu recherchieren, und weil auch Regina und Florian, ihre Tante natürlich auch, darauf bestanden, konnte Leonie nicht nein sagen, was sie am liebsten getan hätte.

      Sie stellten sich das alle sehr einfach vor. Dabei machte es einen gewaltigen Unterschied aus, ob man für einen Roman recherchierte, in dem man seiner Fantasie freien Lauf ließ oder für einen realen Fall.

      Leonie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte. Bilderfälschungen waren in ihren Kriminalromanen bislang nicht vorgekommen, und wenn, dann hätte sie den Fall auf unkonventionelle Weise gelöst, natürlich mit Hilfe des Kommissars Zufall.

      Das ging hier nicht.

      Auf Zufälle konnte sie nicht hoffen. Sie fühlte sich auch ein wenig unter Druck gesetzt, denn natürlich hatten die Ahndorfs eine Erwartungshaltung an sie, auch wenn sie nicht darüber redeten. Sie glaubten an sie und waren sich demzufolge sicher, dass sie diese Schweinerei aufdecken würde.

      Leonie recherchierte, machte sich über Fälschungen schlau, die in letzter Zeit aufgedeckt worden waren, sammelte Informationen über Fälscher, Hehler, Kunstsammler, die nicht zimperlich waren und auch gestohlene Kunstwerke kauften.

      Zu nichts führte eine Spur.

      Vielleicht eine winzig kleine zu Melanie. Da war sie sich allerdings nicht sicher, ob ihr Bauchgefühl sie irgendwohin führen würde oder ob sie, weil sie Melanie nicht leiden konnte, die so gern als Täterin sehen wollte.

      Merkwürdig war allerdings schon, dass Melanie die Einzige war, die andauernd versuchte, sie auszuhorchen. Das tat sonst niemand, nicht einmal ihre Tante Klara. Die hatte ihr nur auf die Schulter geklopft, ihr zugezwinkert und gesagt: »Du machst das schon, mein Kind. Ich bin überzeugt davon, dass du den Fall lösen wirst.«

      Gute, liebe Tante Klara. Es war rührend, wie sehr sie an sie glaubte.

      Als Leonie durch die Halle lief, um sich das Bild nochmals genau anzusehen, kam, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, Melanie auf sie zugeschossen. Sie schien ihr aufgelauert zu haben.

      Florian fühlte sich durch Melanie gestalkt. Diesen Eindruck hatte Leonie mittlerweile auch. Früher waren sie sich kaum begegnet, jetzt mehrfach am Tag.

      »Und, bist du weitergekommen, Leonie? Bist du dem Täter auf der Spur?«

      War sie nicht. Leonie wusste selbst nicht, welcher Teufel sie ritt, als sie sagte: »Ja, ich bin ihm schon sehr nahe gekommen oder …, äh …, ihr. Die endgültige Klarheit wird eine Profilerin bringen, die ich privat sehr gut kenne und die mir noch einen Gefallen schuldig ist. Wenn die einen laufenden Auftrag abgeschlossen hat, wird sie nach Ahndorf kommen.«

      Leonie bildete es sich nicht ein. Melanie war wirklich kreidebleich geworden, ihre Augenlider flatterten, ihre Augen waren schreckgeweitet.

      Sie hatte mit der Fälschung etwas zu tun!

      Da war sich Leonie auf einmal sehr sicher, und sie gratulierte sich insgeheim zu ihrer Idee, einfach mal ein wenig vorzufühlen. Sie kannte keine Profilerin, es würde demzufolge auch niemand aufs Schloss kommen.

      Leonie klopfte der noch immer wie versteinert dastehenden Melanie auf die Schulter.

      »Du, ich muss weiter an meinem Fall arbeiten«, jetzt nannte sie es auch schon so. Sie war Schriftstellerin, keine Kriminalistin. Nur die bearbeiteten ›Fälle‹.

      Wenn sie allerdings ehrlich wahr. Es machte sehr viel Spaß, es war ungeheuer spannend, sich mit einem realen Fall zu beschäftigen. Die echten Kripo-Beamten lösten in der Regel ihre Fälle, weil sie hinreichend Erfahrung hatten, entsprechend ausgebildet waren.

      War es nicht ein wenig vermessen von ihr zu glauben, es auch zu schaffen?

      Sie ließ Melanie stehen und ging zurück hinauf in ihr Turmzimmer.

      Miss Marple hatte ihre Fälle auch gelöst, ohne Kriminalistin zu sein. Sie schrieb immerhin Kriminalromane, hatte der alten Dame einiges voraus.

      »Der Original-VanVeere muss wieder dahin, wo er hingehört«, murmelte sie wie ein Mantra vor sich hin. Und auf einmal war sie davon überzeugt, dass sie es schaffen würde …

      *

      Normalerweise war es so, dass Graf Anton, wie ihre Tante Klara auch, die Menschen zu sich bat.

      Es war außergewöhnlich, dass er sich zu ihnen begab, und deswegen wusste Leonie sofort, dass etwas geschehen sein musste, als er ganz plötzlich in ihrem Turmzimmer stand.

      Er war sehr blass, und seine Hand, in der er ein gelbes Blatt Papier hielt, zitterte.

      »Onkel Anton, was ist geschehen?«, erkundigte Leonie sich besorgt. Obwohl sie nicht miteinander verwandt waren, nannte sie die Ahnfelds Onkel und Tante.

      »Bitte,