Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1. Bettina von Weerth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina von Weerth
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740940898
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Aufmerksamkeit … Tja, und Leonie …, ich weiß nicht. Die halte ich ein bisschen für … Wie soll ich es sagen …, die ist mit ihren Gedanken immer irgendwo anders. Mag sein, dass es an ihrem Beruf liegt. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sie mich nicht leiden kann.«

      Gräfin Regina widersprach sofort.

      »Das bildest du dir ein, mein Kind. Selbst wenn es so wäre, würde Leonie es nicht zeigen. Dazu ist sie viel zu gut erzogen.«

      Melanie hätte ihr jetzt gern von der Ohrfeige erzählt, die sie von der gut erzogenen Leonie bekommen hatte und die sie noch jetzt auf ihrem Gesicht zu spüren glaubte.

      Doch so wie sie die Gräfin kannte, würde die das nicht auf sich beruhen lassen, Leonie zur Rede stellen. Und dann kämen auch die unschönen Worte ans Licht, die sie Leonie an den Kopf geworfen hatte.

      Also besser nichts sagen.

      »Nun, vielleicht hast du recht, und ich irre mich …, aber wir müssen jetzt nicht über Leonie sprechen. Ich denke, da gibt es interessantere Themen, beispielsweise das zuckersüße, wunderschöne Pferdchen in den Ställen. Die Papiere sind ja der Hammer, eine Abstammung, wie man sie sich besser nicht wünschen kann.«

      Graf Anton und Gräfin Regina waren nicht nur ausgesprochene Pferdeliebhaber, sondern auch noch hervorragende Reiter.

      Auf das Thema sprangen sie an, und Melanie tat ihr Bestes, um bei den Beiden einen hervorragenden Eindruck zu hinterlassen.

      Sie war eine großartige Schauspielerin, und das, was sie jetzt hinlegte, war eine oscarreife Leistung.

      Tief in ihrem Herzen hätte Gräfin Regina ja Leonie gern als ihre Schwiegertochter, aber sollte das nicht klappen, dann war Melanie auch eine gute Wahl.

      *

      An diesem denkwürdigen Tag der Entdeckung der Fälschung war an Arbeiten nicht zu denken.

      Leonie war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen brauchbaren Satz zu formulieren.

      Es war ja nicht nur interessant, etwas über den Fälscher zu erfahren, denjenigen, der die Fälschung in Auftrag gegeben hatte.

      Sie musste fortwährend daran denken, wie es jemandem gelungen sein konnte, die Bilder auszutauschen ohne aufzufallen.

      Schloss Ahndorf war groß.

      Es gab viel Personal, es kamen Besucher, Geschäftsfreunde. Auch die Grafenfamilie selbst lief ständig hin und her, kurzum …, in der Halle war man selten allein.

      War die Aktion nachts erfolgt? Selbst dann konnte man Gefahr laufen, gesehen zu werden. Der Austausch war nicht der Akt einer Minute.

      Wie auch immer, der Täter – oder waren es mehrere?, musste Nerven wie Drahtseile haben und unglaublich skrupellos sein.

      Als sie glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, war Leonie zur Suite ihrer Tante gelaufen, um die schon mal einzuweihen.

      Sie hatte die alte Dame schlafend vorgefunden, sie war beim Lesen in ihrem Sessel eingenickt, und Leonie hatte sie nicht wecken wollen.

      Sie hatte die Stunden bis zum Abendessen mit allem unsinnigem Kram vertan, war wie ein gefangener Tiger herumgelaufen und hatte das Gefühl gehabt, die Zeit verginge nie.

      Doch dann endlich war es so weit.

      Sie hatte sich extra chic gemacht, doch gegen die aufgedonnerte Melanie verblasste sie, was ihr allerdings nichts ausmachte. Sie fragte sich nur, mit wie vielen Schrankkoffern Melanie wohl angereist sein mochte. Zu jeder Mahlzeit trug sie ein neues Outfit.

      Leonie war aufgeregt, bemühte sich jedoch, sich das nicht anmerken zu lassen, was ihr auch recht gut gelang.

      Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, erst beim Nachtisch oder danach über ihre Entdeckung zu reden. Doch weil das Gespräch sich ziemlich zäh dahinzog, entschied sie sich, die Bombe platzen zu lassen, nachdem der Hauptgang serviert worden war, und das Personal den Raum wieder verlassen hatte.

      »Wie Ihr wisst, liebe ich die Flusslandschaft von van Veere seit meiner Kindheit über alles. Und wie Ihr auch wisst, hatte ich vom ersten Betrachten des Bildes an diesmal ein ganz komisches Gefühl, ohne es definieren zu können. Etwas an dem Bild kam mir anders vor.«

      »Was ich, liebe Leonie, als ausschließlich dein subjektives Empfinden abtat«, wandte Florian ein. »Und das sehe ich auch heute noch so … Vermutlich hat sich deine Einstellung zu den Dingen im Allgemeinen, zu diesem Gemälde im Speziellen verändert.«

      Er ärgerte sich, dass sie schon wieder von dem Bild anfing, was jetzt vermutlich eine vollkommen fruchtlose Diskussion auslösen würde.

      Er wollte dieses Essen so schnell wie möglich hinter sich bringen und dann verschwinden. Er hatte noch etwas zu erledigen, was keinen Aufschub duldete.

      Leonie schaute alle der Reihe nach an.

      »Seit heute weiß ich, dass in der Halle eine Kopie hängt, die gegen das Original ausgetauscht wurde …, und das kann ich auch beweisen … Ich bin selbst nicht gleich darauf gekommen. Dabei hätte ich es sofort sehen müssen.«

      Auf einmal war es totenstill im Raum. Eine Stille, die nur durch das Zerspringen von Glas unterbrochen wurde.

      Melanie hatte trinken wollen, bei Leonies Eröffnung war ihr das Glas aus der Hand gefallen. Rotwein machte sich auf der kostbaren Damastdecke breit, die ruiniert sein würde, kümmerte man sich nicht darum, die Flecken zu beseitigen. Daran dachte keiner.

      Nach der ersten Schrecksekunde sprachen sie alle durcheinander, bis auf Melanie, die mit einem verschreckten Gesichtsausdruck auf ihrem Platz saß.

      Sie war es gewesen, dachte Leonie mit beinahe untrüglicher Sicherheit, oder sie war daran beteiligt, hatte die entscheidenden Hinweise gegeben, was für jemanden wie sie nicht schwer war. Sie ging seit Jahren im Schloss ein und aus.

      Melanie spürte Leonies Blick, ahnte wohl auch etwas von deren Gedanken. Oder es war nur ihr schlechtes Gewissen, das sie etwas ahnen ließ.

      »Einen solchen Schwachsinn habe ich noch niemals zuvor gehört«, kreischte sie. »Der van Veere eine Fälschung … Was bist du, Leonie, eine Kunstexpertin? Dann solltest du das Schreiben deiner Romane lassen und dich auf dem Gebiet betätigen … Mag ja auch sein, dass du eine Hellseherin bist – noch besser, damit verdient man noch mehr Geld.«

      Graf Anton hatte sich wieder gefangen, vom ersten Schreck erholt.

      »Leonie, Melanie hat recht …! Woher willst du wissen, dass der van Veere eine Fälschung ist? Ich meine, wir leben hier, ich sehe das Bild mein Leben lang. Es hing nie anderswo als an diesem Platz. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich es nicht andauernd ansehe, wäre mir eine Veränderung sofort aufgefallen.«

      Tante Klara war süß. Leonie wäre am liebsten zu ihr gelaufen, um sie dankbar zu umarmen.

      »Wenn Leonie sagt, dass der van Veere eine Fälschung ist, wird es wohl so sein. Und wie ich mein Mädchen kenne, werden wir von ihr auch gleich die Erklärung bekommen, die ihren Verdacht … Äh, nein …, ihre Erkenntnis beweist.«

      Alle waren auf einmal still, starrten Leonie erwartungsvoll an, Melanie mit einem spöttischem Grinsen im Gesicht. Sie schien sich ihrer Sache sehr sicher zu sein, oder aber …, das war nicht auszuschließen, weil ihr Mitwirken noch nicht bewiesen war.

      »Es gibt eine Kleinigkeit, die das Original von der Kopie unterscheidet. Die hat der Fälscher, vielleicht war es auch eine Fälscherin, übersehen. Die Fälschung ist ganz ausgezeichnet, auf den ersten Blick zumindest. Wenn man sich das Bild ganz genau ansieht, wenn man in es hineinspürt, dann merkt man, dass nicht mit Herzblut gemalt wurde, dass dem Bild die Seele fehlt.«

      Melanie begann hysterisch zu lachen.

      »Liebe Leonie, du solltest das Schreiben von Kriminalromanen lassen und dich auf das Schreiben von Liebesromanen verlegen. Herzblut … Seele … Wenn du so weiterredest, wirst du uns vermutlich gleich noch weismachen wollen, dass der Original-Van Veere sprechen konnte.«

      Leonie