Die Hohkönigsburg. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066111274
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baute und besserte mit Straßburgischen Werkleuten und Straßburgischem Gelde Jahre lang, ehe die Grafen von Thierstein mit ihren Familien, einem auserlesenen Gesinde und einer ansehnlichen Besatzung in die herrlich wieder erstandene Hochburg einziehen konnten. Und heute, kaum zwei Wochen nach deren Übersiedelung von ihrem Herrenhofe zu Straßburg, waren die Thore des alten Hohenstaufenschlosses laubgeschmückt und gastlich geöffnet, um die Menge der Geladenen einzulassen.

      Nur ein Thierstein'sches Familienglied fehlte bei dem heutigen Feste, Graf Oswalds einziger, noch unmündiger Sohn Heinrich, der als Edelknabe auf der Burg eines alten Adelsgeschlechtes in der Schweiz war, um dort, wie das so Brauch war, unter fremder Zucht und Obhut ritterliches Wesen und höfischen Dienst zu lernen.

      Die beiden Reisigen, die am Löwenthor die Ehrenwache hatten und reicher gekleidet und gewappnet waren als die Knechte an den unteren Thoren, waren Dienstleute aus der nächsten Umgebung des Schloßherren, der eine, Marx, der Falkonier, der andere, Herni, der Armbrustspanner des Grafen Oswald, der als der ältere der zwei Brüder Thierstein der eigentliche machthabende Lehensträger war. Der Dritte hier an dem Thore, der in Heroldstracht, Ottfried Isinger, nahm als Stallmeister eine Vertrauensstellung auf der Burg ein und kannte viele der Herren, die nach und nach mit ihren Gemahlinnen, Söhnen und Töchtern oder auch allein die Treppen heraufkamen. Er nannte seinen Gesellen die Namen von Fleckenstein, Müllenheim, Andlau, Geroldseck, Dürkheim, Kageneck, Zorn von Bulach, und der eine und der andere der Herren hatte ein freundliches Wort für ihn, aber die meisten schritten ohne Gruß durch das Thor und würdigten den sich tief Verbeugenden keines Blickes.

      Als nun wieder einmal eine Gesellschaft von Herren und Damen so achtlos eingetreten war, meinte Herni, der Armbrustspanner: »Es will mich bedünken, als kämen unsere vornehmen Gäste nicht alle mit fröhlichen Gesichtern. Manche schauen fast mürrisch und unzufrieden darein.«

      »Hab ich auch schon gemerkt,« stimmte der Falkonier ihm zu. »Und wißt ihr, was ich glaube? – sie gönnen uns die schöne, große Burg nicht; manch Einer von ihnen hauste gern selber hier oben als hochmögender Herr und Landvogt im Wasigen.«

      »Damit könntest Du Recht haben, Marx!« lachte Isinger. »Dieser und Jener mag auf das Lehen gehofft haben, denn keine von allen ihren Burgen ist so groß und stark wie diese außer Girbaden vielleicht, das den Müllenheim gehört. Aber unser Herr hat beim Kaiser einen Stein im Brett, denn er hat dem Haus Österreich gute Dienste geleistet, und Bischof Albrecht von Straßburg, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Bayern, hat als sein Fürsprecher beim Habsburger eine gewichtige Stimme.«

      »Wer waren denn die Letzten, die so hochnäsig vorübergingen?« fragte Herni. »Der Eine, der Gedrungene, Breitschultrige, sah Dich ganz übermeßlich an, Ottfried!«

      »Ja, der kennt mich, und ich kenne ihn auch,« erwiederte der Stallmeister mit besonderem Nachdruck. »Es war Herr Burkhard von Rathsamhausen mit seiner Sippe, die auf den beiden Ottrotter Schlössern sitzen.«

      »Aha!« machte Herni, »darum der böse Blick. Die haben auch einmal hier oben gesessen, vom Kaiser Wenzel mit der Burg belehnt. Es geht die Sage, ihrer sieben Rathsamhausen hätten sich einst, als sie hier die Herren waren, durch Handfeste unter einander gelobt und verpflichtet, daß kein Einziger etwas von seinem Besitz veräußern sollte ohne Willfahren aller Übrigen.«

      »So? woher weißt Du denn das?«

      »Hat mir unser Graf einmal auf einem Pirschgang erzählt.«

      »Ja, dann wird es sie wohl wurmen, daß sie nicht wieder die Belehnten sind,« meinte Isinger, »denn die Rathsamhausen sind das stolzeste Geschlecht im ganzen Wasgau.«

      »Stolz! Graf Oswald ist auch stolz, und das wahrhaftig nicht wenig,« sagte Marx.

      »Hat auch Ursach dazu als Schloßherr von Hohkönigsburg, aber so trotzig und starrköpfig wie Herr Burkhard ist er doch nicht. Das ist ein abenteuriger Mann und hat ein gar grimmig Gemüth; ich könnte euch mehr als ein verwegenes Stücklein von ihm erzählen.«

      »O, unser Graf läßt nicht mit sich spaßen,« bemerkte Herni. »Wer ihm steifnackig entgegentritt, den weiß er zu ducken, wenn's nöthig ist.«

      »Gewiß! aber in diesen letzten Tagen, wo ich viel mit ihm zu berathen hatte, wollte er mir garnicht gefallen. Er war unruhig, aufgeregt und schien sich auf das Bankett nicht recht zu freuen, als sorgte er um den Verlauf und das gute Gelingen.«

      »Dann konnte er es ja unterlassen,« sagte Marx.

      »Das ging nicht; er ist es sich und seiner Stellung schuldig, sich bei seinem Einzuge hier als Herr und Gebieter der mächtigsten Burg im Lande den anderen Edelleuten zu zeigen und ihnen seinen hohen Rang von vornherein klar zu machen. Begreifst Du das?«

      »Hm! deßhalb! ja natürlich!«

      Sie mußten das Gespräch abbrechen, denn jetzt nahte Seine Hochwürden der Abt von St. Pilt mit mehreren seiner Chorherren und einigen Chorknaben, die zur Weihe der Schloßkapelle geladen waren und von den Wachthabenden in schweigender Ehrfurcht gegrüßt wurden.

      Es war Nachmittag. Die Sonne stand noch ziemlich hoch über dem Walde, der mit seinen alten, mächtigen Tannen, seinen Eichen und Buchen die Berge und Thäler unabsehbar bedeckte und aus dem sich, hell beleuchtet, die benachbarten Burgen erhoben. Den schroffen Gipfel zur Rechten hielt Hohrappoltstein wie eine Wacht besetzt, zur Linken funkelte die Frankenburg und weiterhin am steilen Bergeshang die Scherweiler Schlösser Ortenberg und Ramstein. Tief unten aber, gradaus ergoß sich weit und breit mit Städten und Dörfern und Rebengeländen das Ried, die fruchtbare Ebene zum Rheine hin, dessen Spiegel man bei Breisach blitzen und blinken sah. Jenseits des Stromes lagerte deutlich das Kaiserstuhlgebirge, und im Hintergrunde schimmerten langgezogen und wolkenhoch die Umrisse des Schwarzwaldes. Aber die äußerste Ferne war dunstig, und die Alpen, die bei ganz klarem Wetter ihre schneeigen Häupter über den Horizont emporrecken, waren nicht sichtbar.

      So bot der Ausblick von hier oben ein herrliches Bild, und einer der Herren, die sich sammt ihren Damen soeben im Stallhof aus den Sätteln geschwungen hatten, schien es vom untersten Treppenabsatz über die Ringmauern hinweg so aufmerksam zu betrachten, als suchte er darin einen bestimmten Punkt. Es war der Graf Maximin, genannt Schmasman, von Rappoltstein, in dem Geschlecht der zweite seines Namens, der mit seiner Gemahlin Herzelande und seiner Tochter Isabella heraufgeritten war. Sie wohnten auf der St. Ulrichsburg über dem Städtchen Rappoltsweiler, und in ihrer Begleitung waren sein Bruder Kaspar und dessen noch junge Gemahlin Imagina, die von ihrem ganz nahe dabei befindlichen Felsenhorst Burg Giersberg den gleichen Weg mit ihnen hatten, während der dritte Bruder, der im Alter zwischen jenen beiden stand, Graf Wilhelm und seine Gemahlin von dem höher liegenden Hohrappoltstein noch fehlten oder vielleicht schon vor ihnen eingetroffen waren.

      Gräfin Herzelande trat zu dem Umschauhaltenden heran und fragte: »Wonach spähst Du, Schmasman?«

      »Mich verdrießt es,« erwiederte der Graf, »daß von Egenolf noch immer nichts zu sehen ist; er hätte heute pünktlich sein sollen.«

      »Unser lieber Sohn wird schon nachkommen,« suchte die Gattin den Grollenden zu beruhigen. »Ich habe ihm sein Festgewand bereit legen lassen, daß er nur hineinzuschlüpfen braucht, wenn er vom Gejaide heimkehrt.«

      »Schon den dritten Tag ist er von früh bis spät auf der Pirsch. Welches seltenen Wildes Fährte mag er so eifrig verfolgen, daß er Alles darüber vergißt?«

      »Ei, laß ihn doch pirschen, Schwager!« sprach mit anmuthiger Gebärde Gräfin Imagina und streichelte dem Familienoberhaupte die bärtige Wange. »Das edle Waidwerk ist nun einmal Egenolfs größte Freude.«

      »Die Freude gönn' ich ihm,« sagte der Graf, »aber heute mußte er Rücksicht nehmen. Die Thiersteiner werden denken, er früge nichts danach, bei dem Antrittsfest ihr Gast zu sein. Graf Oswald ist ohnehin mißtrauisch und wittert bald hier, bald dort einen Gegner und Neider.«

      »Es fehlt ihm auch wohl an solchen nicht,« fiel Graf Kaspar ein.

      »Mag sein,« antwortete der ältere Bruder. »Er hat keinen leichten Stand und wird noch um Gunst werben müssen, ehe es ihm gelingt, sich unter uns Alteingesessenen