Sie wartete.
»Du weißt doch, womit wir unser Geld verdienen. Gottverdammt, Selena, ich habe Angst, dass man dich eines Tages umbringen wird. So wie Megan. Ich kann das nicht noch einmal durchmachen.«
»Ich bin aber nicht Megan.«
»Nein, das bist du nicht.« Er geriet ins Stocken und versuchte es noch einmal. »Als die Bombe hochging, dachte ich nur, dass ich dir nie gesagt habe, was ich für dich empfinde.«
Sie musste ihn nicht fragen, welche Bombe er meinte. Vielmehr interessierte sie, was er damit sagen wollte. Aber sie schwieg.
Gottverdammt, wieso war es so schwer, mit allem herauszurücken? Wovor hatte er eigentlich solche Angst? Weil sich die Dinge ändern würden, wenn er die Worte sagte. Seine Hand umklammerte das Glas. Hinter seinem linken Auge pulsierte ein dumpfer Schmerz. Zur Hölle damit.
»Ich liebe dich, Selena! Seit Megan habe ich das zu niemandem mehr gesagt.«
Sie erstarrte, mit ihrem Weinglas auf halbem Wege zu ihrem Mund. Seine Worte waren wie ein Stromschlag, der durch ihren Körper fuhr. Sie hatte sich bereits damit abgefunden, dass er es niemals aussprechen würde, und nun hatte er es einfach getan.
»Brauchte es echt eine Bombe, um mir das sagen zu können? Du hast es mir nicht sagen können, weil du Angst hattest, dass ich sterben könnte?«
»Ja.«
Selena stellte ihr Glas auf den Küchentresen. »Das ist so ziemlich das Dümmste, was ich je von dir gehört habe. Was ist, wenn du getötet wirst? Was glaubst du, wie ich mich dann fühlen würde?« Sie atmete tief ein. »Wenn wir uns lieben, sollten wir zusammenleben.«
»Dann liebst du mich also auch?«
»Nick, manchmal bist du wirklich schwer von Begriff.«
Sie streckte die Hände nach ihm aus und küsste ihn. Ein langer, inniger Kuss. »Kapierst du es jetzt? Ja, natürlich liebe ich dich.«
Nach einer Weile wich sie ein wenig von ihm zurück. Ihre Gedanken hatten sich überschlagen.
»Also, was ist mit der Wohnung?« Sie deutete auf die auf dem Tresen ausgebreiteten Fotografien.
Nick warf noch einmal einen Blick darauf. Ihm schossen gerade viel zu viele Gedanken durch den Kopf. »Sie ist teuer.«
Ihr Onkel war ein sehr wohlhabender Mann gewesen und hatte ihr eine Menge vererbt. Nick hatte sie nie danach gefragt und sie hatte nie darüber gesprochen. Bis jetzt.
»Ich kann sie mir leisten. Etwas von dem Geld, das mein Onkel mir vermacht hat, ist mit der Wirtschaftsflaute über den Jordan gegangen. Ein Teil wird noch von den Gerichten zurückgehalten. Die Chinesen sind etwas schwierig, was seine Investitionen bei ihnen anbelangt, aber der Rest ist hier angelegt. Die Hälfte davon geht an wohltätige Zwecke und von der anderen Hälfte lebe ich. Es ist immer noch genug da.«
»Es fühlt sich aber einfach nicht richtig an. Ich sollte meinen Anteil daran auch bezahlen.«
»Heißt das, du möchtest es nicht tun? Mit mir zusammenziehen?«
Nick spürte, wie sich bei ihm Kopfschmerzen ankündigten. Vielleicht musste er es wirklich darauf ankommen lassen, ob es funktionieren würde oder nicht.
»Ich bin mir nicht sicher. Lass mich eine Weile darüber nachdenken.«
»Du musst ja nicht gleich so enthusiastisch werden.«
Er stellte sein Glas ab und legte ihr seine Arme um die Taille. »Ich kann ziemlich enthusiastisch sein.«
Ihr Kuss schmeckte nach Wein. Ein paar Minuten später waren sie bereits im Schlafzimmer. Sie ließen die Kleider auf den Boden und sich aufs Bett fallen. Er küsste sie, zog sie fest an sich, spürte ihre Wärme, ihren Herzschlag und ihre Brüste unter seinem Kinn. Mit seinen Fingern strich er durch ihre Haare und dann über ihren Körper. Sie packte seine Pobacken und drückte fest zu.
»Nett«, flüsterte sie, ihr warmer Atem in seinem Ohr. Dann drang er in sie ein.
Sie ließen sich Zeit. Irgendwie fühlte es sich dieses Mal anders an, mit ihr zu schlafen. Vielleicht lag das an den Worten, die er endlich ausgesprochen hatte.
Kapitel 7
Elizabeth Harker dachte über die Folgen der Morde nach. Die Tötungen waren binnen vierundzwanzig Stunden erfolgt. Nur eine straff organisierte Gruppe wäre zu so etwas fähig gewesen.
Das gesamte Team mit Ausnahme von Lamont Cameron hatte sich nun in ihrem Büro versammelt. Lamont weilte noch in Bethesda und unterzog sich einer letzten Untersuchung seines Armes, der vor einigen Monaten in Khartoum von einer Kugel zertrümmert worden war.
Ronnie Pete war gerade nach einer Woche Aufenthalt im Reservat der Navajo zurückgekehrt. Er trug eines der hawaiianischen T-Shirts aus seiner Sammlung. Dieses war schwarz und mit unzähligen weißen Blüten des Tempelbaums bedruckt. Geradezu dezent, für Ronnies Verhältnisse.
Ronnies Haut besaß eine hellbraune Färbung, mit einer Spur von Rot darin. Seine Augen waren braun und mit ihnen konnte er im gleißenden Licht der Wüste einen Hasen ausmachen, wo andere nur Steine und Kakteen sahen. Seine Fähigkeiten im Fährtenlesen galten bei den Marine Recon als legendär. Seine große Nase hätte auch eine Büste aus dem alten Rom zieren können. Ronnie war breitschultrig, mit schmalen Hüften, und schien mit seinen einhundertachtzig Pfund nur aus Sehnen und steinharten Muskeln zu bestehen.
Elizabeth griff nach ihrem Füllhalter.
»Selena, wie geht es mit der Übersetzung voran?«
Selena trug ein eng geschneidertes Outfit aus einem grünlichen Material, welches leicht schimmerte, wenn sie sich bewegte. Ihre Garderobe wirkte bequem. Harker fragte sich, wie sie das immer wieder hinbekam. Manchmal verspürte sie tatsächlich einen Anflug von Neid. Niemand sollte so gut aussehen dürfen, dachte sie. Ich wette, dafür kann sie nicht kochen.
»Sie ist fertig.«
»Und?«
»Ein Teil davon ist eine Auflistung der Schätze von Darius dem III. Darin werden Gold- und Silbermünzen erwähnt, goldene Statuen und die besagte goldene Urne. Diese Urne soll angeblich den Fluch der griechischen Göttin Demeter in all seinem Zorn enthalten. Alexander wies einen Mann namens Aetolikos an, den Schatz zurück nach Griechenland und die Urne an ihren Platz in Demeters Tempel zu bringen. Als Belohnung erhielt er dafür einen Teil des Schatzes.«
»Nette Bezahlung, wenn man sie denn wirklich bekommt. Ein Teil des größten Schatzes der Menschheitsgeschichte. Was hat es mit dem Fluch der Demeter auf sich?«
»Darauf wird in einem anderen Teil eingegangen. Es ist ein Fragment aus einem langen Epos aus dieser Zeit, eine Variation von Persephones Reise in die Unterwelt.«
»Einen Moment«, unterbrach sie Nick. »Wer ist Persephone?«
Nick trug ein leichtes graues Sportsakko, ein dunkelblaues Hemd und eine schwarze Hose. Keine Krawatte. Lässige Kleidung. Dabei wirkte er allerdings alles andere als lässig oder entspannt. Er sah eher so aus, als stünde er mehr unter Spannung als eine Stahlfeder, aber so sah er immer aus. An seinen Bewegungen konnte Elizabeth erkennen, dass ihm sein Rücken wieder Probleme bereitete. Seit seinem Absprung über Tibet meldeten sich die Schmerzen immer wieder in unregelmäßigen Abständen.
»Persephone ist die Göttin der Toten, die Tochter Demeters. Sie wurde von Hades entführt und vergewaltigt, dem König der Unterwelt. Manchmal wird sie mit Sexualität und Krieg in Verbindung gebracht. Das schwarze Pferd auf der Urne war eines ihrer Symbole. Das englische Wort Nightmare hat darin seinen Ursprung.«
»Sex und Krieg, das passt ja. Hat ja beides irgendwie miteinander zu tun.«
»Du bist echt ein hoffnungsloser Fall.« Selena schüttelte den Kopf. »Die Vergewaltigung zog