Die SVR war das russische Äquivalent der CIA, operierte jedoch ohne die Restriktionen, die Langleys Einsätze oft behinderten. In ihr wurden die guten alten Traditionen der Spionage und Attentate im Ausland des KGB fortgeführt. Was die Staatssicherheit anging, hatte sich außer dem Namen und der Technologie in Russland kaum etwas verändert. So war es seit der Zeit der Zaren gewesen und so würde es auch weiterhin sein.
Die SVR bestand aus acht Abteilungen. Deputy Direktor Alexei Ivanovich Vysotsky leitete die Sektion S, zu der die Einsatzabteilung gehörte. Diese wiederum schloss eine spezielle Eingreiftruppe namens Zaslon ein. Offiziell existierte Zaslon allerdings nicht.
Alle Zaslon-Mitarbeiter waren Spetsnaz, die besten Kämpfer, die Russland zu bieten hatte. Jedes Mitglied von Zaslon war speziell für Auslandseinsätze trainiert und sprach mindestens drei Sprachen. Außerdem hatte sich jedes Mitglied mit herausragenden Leistungen in einer der verschiedenen geheimen Militäreinheiten gezeigt. Sie alle hatten im Gefecht ihren Mut unter Beweis gestellt. Ihre uneingeschränkte Loyalität galt der Rodina, ihrem Mutterland.
Zaslon fungierte als das Schwert des Mutterlandes. Kein Feind Russlands überlebte, wenn Zaslon nach ihnen ausgeschickt wurde.
Für die innere Sicherheit der Föderation sorgte der FSB, der Federalnaja sluschba besopasnosti, der im ehemaligen Hauptquartier des KGB auf dem Lubjanka, östlich des Roten Platzes, untergebracht war. Ein Punkt, der immer wieder für Spannungen zwischen der SVR und dem FSB sorgte, war der wachsende Einfluss krimineller Banden. Die Bandenchefs kontrollierten bereits viel zu viel von Russlands Vermögen. Dieses Vermögen wurde im Inland manipuliert, was es zu einem Problem für das FSB machte. Doch die Geschäfte dieser Banden erstreckten sich mittlerweile weit in die Welt hinaus. Bis nach Ost- und Westeuropa, sogar bis nach Amerika, und das machte sie auch zu Alexeis Problem.
Nicht selten schlugen selbst sorgfältigst geplante Operationen gegen diese Banden fehl, besonders dann, wenn sie Zviad Gelashvili betrafen. General Vysotsky vermutete eine undichte Stelle auf der Lubjanka. Gelashvili wurde langsam zu mächtig. Er war zu einer Gefahr für das Mutterland geworden. Deshalb war Alexei fest entschlossen, ihn zu Fall zu bringen.
Vysotsky war ein waschechter Patriot. Mit der neuen Regierung hatten die Dinge begonnen, sich zu ändern. Alexei hegte große Hoffnungen. Hoffnungen, dass Russland wiedergeboren werden würde, ohne dass korrupte Kriminelle die Zukunft gestalteten. Ein Russland, das von der Welt gleichermaßen respektiert und gefürchtet wurde.
Alexei war ein auf elegante, aber auch bedrohliche Weise gutaussehender Mann, aber er war nicht durch sein Aussehen zu dem geworden, was er heute war. Auch nicht durch seine Skrupellosigkeit – diese brachte sein Beruf einfach nur mit sich. Was ihn in seine jetzige Machtposition gebracht hatte, war sein Instinkt, ein echtes Gespür für die Gefahren, die dem Mutterland drohten.
In seiner Hand hielt er einen Bericht eines Agenten, der tief in der amerikanischen NSA eingebettet war. Der Bericht betraf den plötzlichen Tod dreier Wissenschaftler in Amerika. Während er ihn las, spürte er ein Kribbeln unter seiner Schädeldecke.
Rein oberflächlich betrachtet, schien es sich nicht um ein Sicherheitsrisiko zu handeln. Doch es kam ihm seltsam vor, dass alle drei Toten führende Wissenschaftler in der Erforschung von Viren gewesen waren. Der Bericht enthielt außerdem eine Übersetzung einiger Keilschrift-Tafeln und wies auf eine mögliche Verbindung zu den Schätzen Alexanders hin. Das Schreiben schloss mit der Vermutung, dass die Morde möglicherweise von Gier motiviert gewesen waren.
Keine unmittelbare Bedrohung, und doch spürte er dieses Kribbeln, ein warnendes Summen, irgendwo in seinem Kopf. Alexei hatte diesem Kribbeln immer Aufmerksamkeit geschenkt. Also entschied er sich dazu, dem Bericht nachzugehen.
Kapitel 6
Die Nachmittagssonne fiel auf eine Reihe von Hochglanzfotografien, die auf der L-förmigen Küchenanrichte in Nicks Apartment verteilt lagen. Sie zeigten eine neue luxuriöse, zum Verkauf stehende Eigentumswohnung in der Nähe des Dupont Circles und dem Convention Center in der Innenstadt von D.C. Ein Glas Cabernet stand ganz in Selenas Nähe. Nick goss sich gerade einen frischen irischen Whiskey ein. Sein dritter. Er hatte bereits einen kräftigen Brummschädel.
Selena deutete auf eine der Fotografien. »In dem Gebäude gibt es ein klasse Trainingszentrum und einen Pool auf dem Dach. Der Preis ist auch in Ordnung.«
Nick warf einen Blick auf den Kaufpreis, der diskret und ziemlich weit unten abgedruckt war. Siebenstellig, Finanzierung möglich. Drei Schlafzimmer, drei Bäder, eine gut ausgestattete Küche, ein Vorratsraum und ein riesiges Wohnzimmer. Von der Eigentumswohnung konnte man beinahe bis zu den Rockys hinüberblicken.
Wenn Selena sich dazu entschloss, sie zu kaufen, würde sie einfach einen Scheck ausfüllen. Das erinnerte Nick an die unüberwindbare finanzielle Lücke zwischen ihnen. Bis jetzt war das Thema zwar noch nicht oft zur Sprache gekommen, doch die wunderschön polierten Böden und der herrliche Ausblick auf den Bildern führten ihn seine kleinbürgerlichen Wurzeln nur allzu schmerzlich vor Augen.
»Ein Schnäppchen. Muss an der Wirtschaftsflaute liegen.«
Wenn Selena den ironischen Unterton in seiner Stimme bemerkt hatte, ließ sie es sich nicht anmerken.
»Jetzt, wo ich die ganze Zeit in D.C. bin, dachte ich, sollte ich mir etwas Dauerhaftes suchen. Die Zimmer im Mayflower sind zwar nett, aber das war immer nur als vorübergehende Lösung gedacht.«
»Was ist mit deiner Wohnung in San Francisco?«
»Oh, die behalte ich. Ich liebe sie. Ich werde vielleicht ein paar Kunstwerke mitnehmen und sie dann vermieten. Ich kenne da jemanden, der das für mich übernehmen würde. Im Moment brauche ich sie nicht, aber ich will sie auch nicht ganz hergeben.«
Einige der Kunstwerke, auf die sie sich bezog, waren unbezahlbar. Eines der Gemälde war ein Original von Paul Klee. Nick schätzte, dass es in Washington genauso gut aussehen würde wie in San Francisco. Er mochte Paul Klee. Sein Blick wanderte zu seinem Nachdruck eines Gemäldes von Klee, der über seiner Couch hing. Dieses hatte ihn jedoch nur neunundneunzig Dollar und fünfundneunzig Cent gekostet. Plus Versand.
»Ich denke, sie ist toll. Mir gefällt der Pool auf dem Dach.«
Selena griff nach ihrem Glas und nippte daran. Über den Rand hinweg betrachtete sie ihn. »Wir könnten auch zusammen dort leben.«
»Was stimmt denn nicht damit, wie es jetzt ist?«
»Wir verbringen viel zu viel Zeit damit, zwischen unseren Wohnungen hin und her zu fahren. Wieso die ganze Sache nicht vereinfachen? Das Apartment ist wundervoll. Es liegt zentral, verfügt über eine gute Sicherheitstechnik und besitzt eine private Garage. Ich kriege sogar zwei Parkplätze.«
Nick betrachtete die Aussicht auf einem der Fotos. »Es ist wirklich toll. Du solltest es kaufen, wenn es das ist, was du willst.«
»Du willst nicht bei mir einziehen.« Das war keine Frage. Er konnte die Enttäuschung in ihrer Stimme deutlich heraushören.
»Das ist es nicht.«
»Was dann?«
Er drehte sich zu ihr. »Es wird die Dinge zwischen uns verändern und es wird trotzdem immer deine Wohnung bleiben.«
»Es wird unsere Wohnung werden. Wir können sie doch dazu machen.«
Mit zwei Katzen auf dem Rasen, dachte er. Megans Geist. Aber Megan lebte nicht mehr. Wieso sträubte er sich nur so sehr dagegen?
»Ich habe meine Gewohnheiten und du hast deine. Glaubst du wirklich, wir könnten zusammenleben, ohne es zu vermasseln?«
»Wenn