»Erst trennt Anna mir den Pulswärmer auf, dann zerdrückt mir die Sabine die Kommode. Ach, es ist schrecklich!«
Zu schade, daß es sein Leid der Tante nicht klagen konnte. Aber das Geschenk war doch eine Überraschung, von der Frau Bender nichts wissen durfte. –
Am Spätabend desselben Tages ging Frau Bender nochmals durch das Haus. Sie sah nach, ob alle Fenster und Türen gut geschlossen waren, denn draußen tobte ein heftiger Sturm. Er riß an den Ästen der Bäume und bog die beiden Tannen, die am Eingang zum Garten standen, hin und her.
Pommerle, das bereits in seinem Bettchen lag, horchte auf.
»Puh, Tante, wie der Wind heute bläst! Wenn er auch so tüchtig an der See bläst, spritzen die Wellen hoch auf. Ich habe das oft gesehen. Höre doch mal, Tante, es klingt, als ob die Ostsee rauscht.«
»Schlaf' nur ein, Pommerle, es ist schon spät.«
Noch einmal warf sich das Kind unruhig im Bett umher, dann senkte sich trotz des heulenden Sturmes der Schlaf auf die Lider Pommerles hernieder. –
Pommerle hob den Kopf. Was war das? Alles war finster, und doch war es nicht so still wie sonst. Sogar im Hause hörte man sprechen. Es rief nach der Tante, dem Onkel, doch es erfolgte keine Antwort. Da kletterte das Kind aus dem Bett und eilte ins Nebenzimmer. Wie sah denn das Zimmer aus, alles in rotes Licht getaucht, die Betten der Pflegeeltern waren leer, und von unten her tönte immer lauter werdendes Rufen.
Im Hemdchen lief die Kleine auf den Flur hinaus. Hier war das elektrische Licht eingeschaltet, unten eilten Leute hin und her.
»Tante – Onkel!«
Pommerle eilte die Treppe hinab. Die Tante, die unten im Flur stand, sah das Kind.
»Aber, Pommerle, du kannst dich erkälten. Geh rasch wieder hinauf!«
»Was ist denn los?« fragte das Kind, unruhig werdend.
»Ein schreckliches Unglück ist geschehen, Pommerle, das Haus von Frau Hanke brennt.«
Frau Hanke! Pommerle kannte die alte Dame genau; sie hatte nebenan das hübsche Holzhaus mit dem großen Garten.
»Geh hinauf, Pommerle, und lege dich wieder ins Bett.«
»Du mußt bei mir bleiben, Tante – ich fürchte mich!«
»Deine Tante hat jetzt viel zu tun, sie muß helfen. Die Leute bringen die Sachen von Frau Hanke in unser Haus. Die Feuerwehr ist auch schon gekommen.«
»Da möchte ich auch helfen, Tante!«
»Vor allem ziehe dich an, Kind.« Frau Bender hielt es für das beste, daß das Kind munter blieb. Bei dem herrschenden Sturme konnte niemand wissen, wie sich das Feuer ausdehnte. Zwar stand der Wind nicht nach dem Hause des Professors zu, die Feuerwehr hatte erklärt, für den Benderschen Besitz sei keine Gefahr, um so mehr aber für das Grundstück auf der anderen Seite des brennenden Hauses. Selbstverständlich durfte das Kind sich nicht nach der Brandstelle begeben. Es sollte im Hause bleiben. Es konnte an der Seite der Tante auf die Sachen achtgeben, die die Feuerwehrleute und andere hilfsbereite Menschen heranbrachten.
Als Pommerle das brennende Nachbarhaus sah, erschrak es. Der Anblick war für das Kind ungewohnt und schaurig. Wenn es gar daran dachte, daß der freundlichen, alten Dame alles verbrannte, was sie besaß, tat Pommerle das Herz weh.
Hastig kleidete sich das Kind an, warf alles durcheinander, nur um recht rasch fertig zu werden, und kam dann herunter in das Wohnzimmer, in dem Möbel, Betten, Kisten und Kasten standen, und immer noch trug man weiteren Hausrat heran, der vor dem Feuer in Sicherheit gebracht werden sollte.
Wieder wagte sich das kleine Mädchen hinaus in den Hausflur. Es lauschte. Was war das für ein Jaulen und Heulen, das aus der Küche kam? Das Kind eilte sogleich hinüber. Auch in der Küche brannte Licht. Drei ganz kleine, reizende Hunde waren an langer Leine am Küchentisch festgebunden. Sie jammerten wohl nach ihrer Herrin.
»Oh, ihr süßen Tierchen«, jubelte Pommerle, kniete nieder und strich ihnen zärtlich über das zottige Fell. »Habt ihr auch Angst vor dem Feuer? Aber fürchtet euch nur nicht.«
»Geh hinaus!« ertönte eine Stimme.
Pommerle fuhr zusammen. Wer hatte eben gesprochen? »Geh hinaus!« Verwundert schaute sich Pommerle um. Dort in der Kammer, neben der Küche, stand ein großer Käfig, darin saß ein schöner Papagei. Er legte den Kopf auf die Seite und rief zum drittenmal: »Geh hinaus!«
»Ein Papagei – und einer, der so schön sprechen kann! – Oh, ihr süßen Tierchen«, sagte Pommerle, »wie schön ist es, daß ich euch hier habe!«
Aber den drei Hunden schien es gar nicht zu gefallen. Sie rissen an den Leinen und wollten sich mit Gewalt frei machen.
»Die armen Tierchen werden sich erwürgen«, meinte Pommerle. »In der Küche ist es so kalt. Ich glaube, ich muß sie in die warme Stube nehmen.«
Pommerle knotete die Leinen vom Tisch ab, die drei Hunde umbellten das Kind freudig.
»Habt ihr Hunger? – Hier ist es viel zu kalt für euch!«
Zuerst wollte Pommerle die drei Hunde ins Wohnzimmer bringen, doch darin lag so viel, daß kein rechter Platz mehr vorhanden war. So entschloß sich das Kind nach kurzem Überlegen, die süßen drei Hündchen hinauf in die warme Schlafstube zu nehmen. Dort brauchten sie nicht an der Leine festgebunden zu sein. Sie machte die Tür fest zu, dann konnten die Hündchen frei umherlaufen und würden sich nicht mehr ängstigen.
So stieg Pommerle mit den drei Hunden die Treppe empor und brachte die Tierchen in sein kleines Zimmerchen.
»Ja, das glaube ich, hier gefällt es euch, hier ist es auch schön warm.«
Das eine der Tierchen sprang zutraulich an dem Kinde hoch, als es von der Leine gebunden war. Pommerle nahm den Hund auf den Arm, ihn zärtlich streichelnd. Die beiden anderen schienen darüber neidisch zu sein, sie wollten gewiß auch spielen.
So saß das kleine Mädchen mitten zwischen den Hunden, hatte Feuer und alle anderen Aufregungen vergessen und fand es herrlich, des Nachts solch lieben Besuch zu haben. Schade, daß es nicht auch den Papagei heraufbringen konnte! Auch dem armen Vogel würde es dort unten zu kalt werden. Vielleicht fand sie die Anna, und diese konnte den Käfig heraufbringen.
»Ihr kleinen, süßen Hündchen bleibt jetzt allein. Ich bringe euch noch einen Spielgefährten.«
Sorgsam schloß Pommerle die Türe, daß die drei Hunde nicht heraus konnten. Aber Anna war nirgends zu finden. Dagegen stand die Tante wieder im Flur.
»Tante, ich glaube, der Papagei friert. Kannst du ihn mir nicht herauftragen?«
»Laß nur die Tiere in Ruhe, sie sind in Sicherheit.« Und schon war die Tante wieder fortgegangen. Beim Durchschreiten des Flures sah Pommerle gerade, wie ein glühender Funkenregen zum nächtlichen Himmel hinaufstieg. Das fesselte erneut seine Aufmerksamkeit. Wie sehr das hübsche Haus brannte – es war schrecklich anzusehen. Aus mehreren Schläuchen spritzte man Wasser in die Flammen; dicker, weißer Rauch stieg auf; doch das Feuer kam nicht zum Stehen.
Plötzlich erblickte Pommerle den Jule. Mit ausgebreiteten Armen lief es ihm entgegen. Der Jule schleppte auf dem Rücken einen großen Packen daher und warf ihn in den Flur.
»Hast du gesehen, Jule, es brennt!«
»Ja, es ist schrecklich!«
»Willst du mir nicht den Papagei herauftragen?«
»Ich habe jetzt keine Zeit.«
Nach wenigen Minuten war der Jule schon wieder da. Wieder trug er eine schwere Last. Und dann kamen viele andere, Männer und Frauen.
Endlich wurde es draußen ruhiger. Von dem Nachbarhause stand nicht mehr viel; nur das gemauerte Fundament war zu sehen, aus dem es stark rauchte und qualmte. Aus zwei Schläuchen gaben die Männer noch immer Wasser, damit auch die letzten Flammen