Seelenrätsel. Wilhelm Walloth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Walloth
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Erzieher vollkommen recht.

      »Siehʼ, da ist Kato,« rief er dann mit jener der Jugend eigenen Verschmitztheit, auf ein angenehmeres Thema übergehend, eilte an das Fenster und that, als ob er draußen den Hund erblickte, der nirgends zu erblicken war. Der Förster hatte sich indessen vor das Bild gestellt, um es in Tabaksrauchwolken einzuhüllen, die er wohlbedächtig aus der kurzen Pfeife gesogen. Seine Augenbrauen, die sich über seinen lebhaften Augen wie zwei angeklebte, weiße Wattballen ausnahmen, hielt er mit wichtiger Miene zusammengezogen und, obgleich ihn die Arbeit seines Kindes höchlichst ergötzte, schüttelte er mißbilligend den grauen Kopf.

      »Hm! das gefällt mir nicht,« sagte er, sein Wohlgefallen unterdrückend, »so krumm darf kein Baum stehen in einer ordentlichen Waldung und das Unterholz da vorn dürfte ein gewissenhafter Förster auch nicht stehen lassen, der Weg hier läuft so sehr im Zickzack, daß ich mich schämen würde, wenn ich ihn angelegt.«

      »Lieber Vater,« wandte Eduard bescheiden ein, »das soll auch keine vorschriftmäßige Waldung sein mit schnurgraden Wegen und glatt angestrichenen Wegweisern.«

      Des alten Sanguinikers Augen hatten die Eigenschaft, sich von innen heraus zu entzünden, wenn er lebhafter wurde.

      »Mag sein, daß Du das Bild hübsch findest,« entgegnete er, »der wirkliche Wald ist mir lieber, als der gemalte – ich verstehe doch etwas davon, wie ein Wald aussehen muß – Louise sei still —« wandte er sich darauf zu seiner Frau, die auch eine Bemerkung mit einfließen lassen wollte, »Du verstehst gar nichts von der Sache – nun, Eduard, wenn sie Dir nur das Bild gut bezahlen. Kannstʼs brauchen. Wie viel erhieltest Du für Deine Gebirgslandschaft?«

      »Dreitausend Mark, Vater.«

      »Gar kein Geld, gar kein Geld,« sagte der Alte wegwerfend, konnte dabei jedoch nicht umhin, dem Sohn einen bewundernden Blick zuzuwerfen. »Dreitausend Mark, damit kannst Du kaum ein Jahr leben in München. Wer hat das Bild gekauft?«

      »Ein reicher Amerikaner.«

      »So, so,« schmunzelte der Vater, »hm! wir wollen uns zu Tische setzen. Louise sei nur still, die Suppe ist immer noch warm genug, brauchst nicht zu zanken. Fragʼ doch einmal den Hans, ob er die Hunde versorgt.«

      Als Antwort hierauf kam, als man sich eben zu Tisch begab, Kato, ein prächtiger Hühnerhund, zur Thüre herein und legte sich befriedigt zu den Füßen seines Herrn nieder. Der Förster, der es sich nicht eher schmecken ließ, als bis er seine Tiere versorgt wußte, langte nun tüchtig zu, einige Male wohlwollende Blicke zu Eduard hinüber und auf seinen Kato herabsendend. Wen er von beiden mehr liebte, würde in der That schwer zu entscheiden gewesen sein. Er freute sich über Eduards Talente, über seine schlanke Gestalt, seine städtischen Manieren, mit denen er das Brod brach oder das Fleisch zerlegte. Doch redete er, um sich absichtlich die Freude an seinem Sohn zu zerstören, nicht, wie er es so gern gethan, von ihm und seinen Arbeiten, sondern von allerlei unangenehmen Berufsgeschäften, Holzarbeitern, Pferden, oder dem Schaden, welchen das Wild auf benachbarten Feldern angerichtet. Dann trat ein Zeitpunkt ein, in welchem sich alle Anwesenden mit solcher Innigkeit den Genüssen der Mahlzeit hin gaben, daß, außer dem Gerassel der Messer und dem Geräusch der Kauwerkzeuge, kein Laut die dämmernde, sonniggrüne Stille des Gemachs störte. Ludwig konnte es natürlich nicht unterlassen, dem Hunde zuweilen die Überbleibsel seines Tellers zuzuschieben, was ihm auch einige Zeit hindurch ungestraft auszuführen gelang, bis endlich Eduard, durch die Unruhe des Tieres aufmerksam gemacht, die höchst verpönte Fütterung bemerkte und dem Missethäter einen Verweis erteilte. Da der Bann der Stille auf diese Weise gebrochen war, fand auf einmal jeder wieder Worte, es war, als sollte das Versäumte nachgeholt werden, so viel wußte jetzt jeder vorzubringen, bis die Stimme des Försters die der drei anderen übertönte. Mit einer gewissen verdrießlichen Behaglichkeit, durch die man die versteckte Liebe zu seinem Kinde durchklingen hörte, verbreitete er sich darüber, wie er es anfangen würde, ein Bild zu malen. Das sollte derber, stämmiger werden, meinte er, als dort jenes auf der Staffelei: Natürlich müßte es von Wild wimmeln, auf allen Ästen, im Gras, überall, wie denn auch ein Jäger schlechterdings nicht fehlen dürfe, dem man selbstverständlich ein Gewehr in die Hand geben müsse, welches Gewehr denn der eigentliche Glanz- oder Mittelpunkt des Gemäldes bildete. Daß es nach neuester Konstruktion gebaut ist, versteht sich von selbst. Auch die Feder, die jener Jäger auf dem Hute trüge, sei von Wichtigkeit. Eduard nickte, anfangs ein Gähnen kaum unterdrückend, zustimmend, konnte jedoch später sich eines Gefühls der Rührung nicht erwehren, als er des alten Mannes sorgsam unterdrückte Liebe zum Waldleben aus seinen Worten herausklingen hörte, aus den Augen hervorglänzen sah. Der alte Waldmensch (wie er sich selbst nannte), fand oft für diese Empfindung der Waldlust volkstümlich poetische Wendungen, die jedem Gebildeten würden Ehre gemacht haben, durch die Rauheit seines Charakters zitterte der Stolz, der Pfleger, ja der Erbauer dieser grünen Welt sein zu dürfen und man mußte ihm, wenn er von seinen Kindern, den Bäumen zuweilen im Ton eines kleinen Herrgotts sprach, diese Selbstüberhebung verzeihen. Eduard hob absichtlich seine Unkenntnis des Waldbaues hervor, um dem Vater die Freude des Berichtigens, des Erklärens bereiten zu können. Auf seine mannigfachen Fragen antwortete der Alte alsdann mit der Würde einer Autorität und Eduard war mit allem einverstanden, da der geringste Widerspruch einen Sturm würde heraufbeschworen haben.

      »Alles,« sagte der Förster, »alles sollen sie mir nehmen, nur meinen Wald mögen sie mir lassen. Ich hin darin geboren und unter dem grünen Dach sterbe ich fröhlicher, wie der Fürst unter seinem Thronhimmel.«

      Dann, als schäme er sich, sein Inneres so unverhüllt gezeigt zu haben, machte er seine Frau in rauhem Ton auf Eduard aufmerksam, der sich vom Tisch erhoben und an seine Staffelei gesetzt hatte, um die Palette zu reinigen. Diese Absonderung gefiel dem Förster schlecht, da sie ihn plötzlich eines aufmerksamen Zuhörers beraubte, er verbarg jedoch seine Mißstimmung, indem er erzählte, seines Brotherrn Tochter, Gräfin Isabella, sei auf Schloß Ibstein angekommen. Je mehr sich Frau Enger für diese Neuigkeit interessirte, desto weniger durfte sie sich das anmerken lassen, sie stieß nur ein verwundertes: Ach was! heraus und versuchte vermittelst erheuchelter Gleichgültigkeit den Förster zum Weitererzählen zu bewegen.

      »Wird wohl nur ein Gerücht sein,« sagte sie möglichst gleichgültig, indem sie das Tischtuch abnahm.

      »Louise,« fuhr der Alte auf, »laß mir das Dreinreden. Sie ist hier! Man sagt, ihr Vater, der Graf, wolle sie zu einer Heirat bewegen, von der sie nichts wissen will. Um ihr nun andere Gedanken in den Kopf zu bringen, schickt er sie auf Reisen. Weißt Du nichts von der Sache, Eduard,« wandte er sich an seinen Sohn.

      »Nein,« erwiderte dieser barsch.

      »Nein?« frug der Förster, »der Hans murmelte so etwas, als habe sie Dir beim Malen über den Rücken gesehen, er will es von weitem bemerkt haben.«

      »Unsinn,« murmelte Eduard kaum hörbar. Ludwig, der mit einem Farbenfläschchen gespielt, sah, sich über seines Erziehers schlechtes Gedächtnis wundernd, auf.

      »Ei, eine Dame« – kam es stotternd über seine Lippen – und er würde gewiß von jener Begegnung im Wald in seiner Weise berichtet haben, wäre ihm Eduard, der sich seiner Lüge schämte, nicht errötend zuvorgekommen.

      »Mag sein,« sagte der Maler, dem Knaben die Flasche hastig aus der Hand nehmend, »mag sein, daß der Hans recht hat, wenn ich beim Malen sitze, habe ich kein Auge für Gräfinnen. Doch halte nun in Frieden Deinen Mittagsschlaf, Vater,« fügte er rasch hinzu, um Ludwigs Gesprächslaune zu unterdrücken, »komm, mein Kind, wir verfügen uns in das Zimmer hier und sind recht still, damit der Papa schlafen kann.«

      Vater Enger hatte seine Kaffeetasse leer geschlurft, er sann noch einige Augenblicke still vor sich hin, lehnte sich in den Sessel zurück und breitete seiner Gewohnheit gemäß ein grünes Tuch über das Gesicht, um sich vor den Mücken zu schützen, die über den Speiseresten des Tisches summten.

      »Wird Arbeit geben,« murmelte er noch im Halbschlaf, »muß mich morgen im Schlosse vorstellen, sorge für die Uniform, Louise – neue Knöpfe – zu eng —«

      »Der Onkel schläft,« flüsterte Ludwig und legte den Finger auf den Mund, »nicht wahr, Tante?«

      »Ja, mein Kind,« lispelte diese,