Lu die Kokotte. Artur Landsberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Artur Landsberger
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
– so schnell wie möglich – weit fort – wo Sie nichts erinnert.«

      Sie sah ihn mit Augen, in denen kaum noch Leben lag, an und sagte mit einer Stimme, die schwer und müde war:

      »Sie vergessen – ich kann nicht – ich bin gebunden!«

      Er wandte sich ab.

      »Steigt Ihnen nun der Ekel auf?« fragte sie. »Und wenn es ginge: es wäre zu spät.«

      Aber Aletto widersprach:

      »Kein Mensch, der fühlt, kann Sie verurteilen . . . Sie haben sich aufgeopfert!«

      »Gewiß!« sagte Luise. »Aber ich habe mehr getan: ich habe mich aufgegeben. Glauben Sie nur, es ist zu spät; ich weiß das – ich fühle das!«

      »Sie müssen vergessen!« sagte er. »Sie brauchen jemand, bei dem Sie sich alles vom Herzen weinen, bis die toten Gefühle wieder lebendig werden; einen Menschen, der Sie lieb hat, brauchen Sie.«

      Sie schüttelte den Kopf, sah ihn wehmütig an:

      »Sie sind ein Kind!« sagte sie.

      »Möglich; aber ich fühle, daß meine Liebe zu Ihnen stark genug ist.«

      Weiter kam er nicht. Sie sprang auf, stürzte auf ihn zu:

      »Aletto!« schrie sie; »wissen Sie, was Sie reden? Begreifen Sie, was das bedeutet? Bringen Sie mich nicht ganz um meinen Verstand.«

      »Ich liebe Sie!« wiederholte er mit großer Bestimmtheit.

      »Wollen Sie mich zu Ihrer Frau machen – sind Sie bei Sinnen? Ich sagte Ihnen doch, was mit mir vorgeht – daß ich für Geld – nicht einmal – Dutzende von Malen – daß ich beschmutzt bin, da – bis oben hin —«

      »Das sind Sie nicht!«

      »Ich bin es!« rief sie.

      »Nicht für mich«, gab er zur Antwort.

      »Aber für die Welt!«

      »Was liegt an der!« erwiderte Aletto.

      »Sie leben in ihr.«

      »Ich brauche sie nicht!«

      »Das ist eben Ihr Irrtum! Sie brauchen sie wie jeder andere auch. Ja! Eine Strecke lang – heute und morgen, da geht’s ohne sie. Aber eines Tages, da kommt die Reaktion. Bei einem früher, beim andern später! Aber sie kommt!«

      »Dann werde ich der erste sein!« beteuerte er.

      »Das hat schon mancher gedacht.«

      »Ich will doch sehen,« sagte er trotzig, »ob ich mir meine Eigenart der Welt gegenüber nicht erhalten kann!«

      »Schwärmer!« sagte Luise. »Bisher ist noch jeder daran gescheitert, der den Versuch nicht rechtzeitig aufgegeben hat.«

      Und nach einer kurzen Weile fuhr sie fort:

      »Das ist ja gerade die große Traurigkeit im Leben, daß Sie und ich und wir alle, die wir mit unserer Eigenart nicht recht hineinpassen in diese Welt, uns schließlich doch in irgendeiner Form in sie hineinzwängen müssen.«

      »Es gibt Ausnahmen!« warf Aletto ein.

      »Es gibt keine!« sagte sie bestimmt. »Wenn es je einen Menschen gab, der unbekümmert um die Welt sein Leben lebte, so war’s mein Vater. Sie kannten ihn. Und was war der Schluß?« Sie änderte ihre Stimme und sprach ruhig: »Ich hätte es nie geglaubt – aber als es darauf ankam, versagte auch er – so weit reichte sein Mut nicht, die öffentliche Ächtung ertrug er nicht.« – Sie machte eine Pause. – »Und was er zurückließ?« – Sie zuckte leicht zusammen und wies auf sich: »Es steht vor Ihnen – wenn er mich heut’ so sähe, ich glaube nicht, daß er gegangen wäre . . . Er würde die Welt mit anderen Augen sehen – wie ich sie anders sehe – seit jenem Tage . . . da ich das wurde, was ich heute bin.«

      Aletto wandte sich ab.

      »Und nun denken Sie, es wäre Ihr Kind, das so vor Ihnen stände, wie ich jetzt . . . das so wurde, weil Sie . . .« – weiter sagte sie nichts – »was würden Sie tun?«

      Aletto fuhr zusammen. »Ich würde mich umbringen!« schrie er leidenschaftlich.

      Um Luises Mund zuckte ein Lächeln. »Und die Frau wollen Sie zur Mutter Ihrer Kinder machen?« fragte sie bitter.

      Aletto blieb die Antwort schuldig.

      »Sehen Sie’s nun? Aber sprechen wir heute nicht weiter«, sagte sie.

      »Und morgen?« fragte er treuherzig.

      »Wenn Sie dann noch wollen; ich tue gern alles, um Ihnen über die Enttäuschung hinwegzuhelfen.«

      »Ich will!« sagte er mit großer Bestimmtheit. »Denn ich werde morgen nicht anders denken als heute.« Er griff nach ihrer Hand.

      »Einen Augenblick noch«, bat sie ihn. »Denn nun muß ich Ihnen auch sagen, weshalb ich Ihnen das alles erzähle.«

      Aletto verstand sie nicht.

      »Ich habe nämlich eine große Bitte«, sagte sie.

      »Sie dürfen von mir fordern, was Sie wollen«, erwiderte Aletto.

      »Sie besitzen Vermögen?« fragte sie ihn.

      »Genug, um ganz meiner Kunst leben zu können.«

      Luise war enttäuscht. »Dann wird es freilich kaum möglich sein«, sagte sie.

      Aber Aletto hatte längst ihre Gedanken erraten.

      »Es ist nicht nur möglich, es ist gewiß!« sagte er freudig.

      »Was?« fragte Luise erstaunt.

      »Ich gehe noch heute zu diesem Kommerzienrat! Ich übernehme alles! Sie sehen mich erst wieder, wenn das geordnet ist,« rief er ganz glücklich, nickte ihr zu und ging.

      Luise stand und sah ihm nach und rührte sich nicht.

      »Hätte ich doch an ihn gedacht!« schluchzte sie.

      IX

      Kommerzienrat Mohr saß in seinem Privatkontor und las in einem Brief, der schwarz umrändert war. Die letzte Seite las er laut. Er tat das stets bei Dingen, die ihm wichtig waren oder Freude machten.

      »Ich kann auch heute nicht schließen, ohne Ihnen für alles Gute, das Sie an uns tun, von Herzen zu danken.

      Wo wären wir heute ohne Sie! Ich muß es immer wieder bedauern, daß sich Menschen im Verkehr so wenig kennenlernen. Das kommt wohl daher, daß gerade die Besten selten aus sich herausgehen, wenn sie unter Menschen sind. Hätte meine Luise Sie früher gekannt – so, wie sie Sie heute kennt —, sie hätte schon damals freudig in Ihre Werbung gewilligt.

      Welch gütiges Geschick, daß Ihre Liebe standhaft blieb! Weiß ich doch mein Kind geborgen!

      Ihre dankbar ergebene

Frau Professor Fanny Kersten.«

      Er schnalzte mit der Zunge und schob den Brief in eine kleine Mappe, in der er die »Korrespondenz Professor Kersten« aufbewahrte. —

      Ganz schmerzlos wird das eines Tages kaum enden, dachte er. Ich hasse sentimentale Liebschaften; wenn aber die Gefühlswalze gar von der Mutter aufgezogen wird, dann geht’s selten ruhig ab. Er stand auf.

      Auf alle Fälle: es war der Mühe wert. So viel Stolz und Widerstand hatte ich selten bei einer Frau zu brechen. Und wie schnell sie den Wesenszug meines Charakters erkannt hat. Haß hat gute Augen. Seitdem müht sie sich ab, möglichst gleichgültig zu erscheinen. Und ich habe doppelte Arbeit.

      Er ging im Zimmer umher.

      Ein Diener kam und meldete Herrn Aletto aus Rom.

      Mohr zog die Schultern in die Höhe.

      »Darf ich ihn vorlassen, Herr Kommerzienrat?«

      »Unsinn! Ich kenne ihn nicht; wer hat ihn herbestellt?« fragte er wütend.

      »Er sagte, er käme in persönlicher Angelegenheit.«

      »Das kann jeder Esel sagen. In welcher?«

      »Darüber