Lu die Kokotte. Artur Landsberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Artur Landsberger
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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bringe ein Opfer, das fast über meine Kraft geht – das höchste, das ich bringen kann. Ich gebe mich auf! Denn ich werde mich diesem Manne geben, gegen den sich alles, was Weib in mir ist, auflehnt.

      Seit acht Tagen lebe ich in dieser Vorstellung; und jedesmal, wenn ich in Gedanken das durchmache, was mir bevorsteht, gerate ich in Zustände, die unbeschreiblich sind.

      Ach, Harry, wieviel froher und leichter wäre mir, könnte ich mit meinem Leben erwirken, daß uns geholfen wird!

      Aber es geht nicht! Alles, was sonst in Frage kommt, genügt kaum, um für die Mutter zu sorgen, deren Herz sich durch den Auftritt mit dem Professor arg verschlimmert hat. Der Geheimrat ist für Davos. – Davos! Wenn er ahnte, wie es bei uns aussieht!

      Aber du darfst: ja nicht denken, Harry, daß ich voll Bitterkeit dies Opfer bringe. Wenn es mir auch schwer fällt. Ich könnte laut heulen, wenn ich daran denke. Sieh mal, ich werde ja nicht seine Frau sein. Weißt Du, wie ich das meine? Dir erscheint das wahrscheinlich nur um so verächtlicher; mir hat es den schweren Entschluß erleichtert. Lach’ mich nicht aus! Ich habe nun mal so eine Art heiliger Vorstellung von allem, was mit der Ehe zusammenhängt. Es ist vielleicht töricht, was ich da empfinde; aber mir ist, als vollzöge sich damit erst die Weibwerdung des Mädchens; das Recht, Mutter zu werden; wenigstens dem Kinde gegenüber! Das gilt natürlich nur für Menschen, die aus Liebe zusammengehen. Und das bedeutete mir alles Glück, das ich für mich vom Leben erhoffte. Die Aussicht auf dies Glück begrabe ich nun für immer. —

      Aber ich weiß auch, wieviel mehr ich leiden würde, wenn ich mir dies Bild aller Glückseligkeit durch eine Ehe mit diesem Menschen für immer zerstörte. Das Ideal, dem ich nun doch wenigstens in Gedanken und, wenn Gott es gut mit mir meint – bitte, Harry, lach’ nicht! Ich glaube in diesen Stunden mehr denn je an ihn! – auch in meinen Träumen nachgehen kann, bleibt mir! Und was ich tue, fasse ich rein als einen physischen Vorgang . . . Nein, nein! Harry, ich lüge, ich kann das alles nicht von meiner Seele trennen; da ich es niederschreibe, um mich zu beruhigen, zu stärken, zu ermutigen, bäumt sich alles in mir auf, und ich fühle, wie ich mich belüge . . . wie ich zu schwach zu dieser Lüge bin. – Ein Geschäft ist es, das ich mit ihm schließe, werde ich ihm ins Gesicht schreien, wenn er die Arme nach mir ausstreckt – aber ich werde zerbrechen . . . und zugrunde gehen . . .«

      Sie legte die Feder fort, zerriß den Brief; strich sich das Haar aus der Stirn; fuhr mit der Hand über das heiße Gesicht . . . ihr war leichter; und sie konnte weinen.

      Nebenan schlief die Mutter. Wenn die ihr Schluchzen hörte, wachte sie auf; kam und fragte, und sie mußte lügen. So schlich sie langsam zur Tür, die Treppe hinunter, lief in den Park weit hinein und heulte sich aus.

      Matt kam sie wieder ins Haus, schlich die Treppen hinauf, setzte sich wieder an den Tisch, schob die Fetzen des Briefes beiseite, nahm eine Karte und schrieb:

»Mein lieber Harry!

      Mir ist nun schon viel besser, und ich fühle mich freier. Alles, was ich jetzt tue, geschieht ohne Furcht, denn ich habe Dich lieb und glaube mit all der Kraft, deren ich fähig bin, an Dich. Denke an unseren lieben, guten Vater; aber in Freuden, so wie er es wünschte! Denke viel an ihn, dann werden sich unsere Gedanken oft begegnen.

      Ich habe so viel Liebe im Herzen, Harry! Sie gehört ganz Dir, der Mutter und der Erinnerung an »ihn«. Ich werde nie einen anderen lieben als Euch! Denn ich müßte sonst unglücklich werden. So aber werden wir alle vielleicht noch einmal froh.

Deine Schwester Luise.«

      Diesen Brief trug sie am nächsten Morgen selbst zur Post.

      Dann nahm sie einen Bogen und schrieb:

Herrn Kommerzienrat Mohr!

      Sie haben recht behalten: morgen nachmittag um 3 Uhr bin ich bei Ihnen. Und ich werde Gott danken, wenn man mich als Leiche von Ihnen trägt.

Luise.«

      IV

      Gegen Abend des nächsten Tages suchte Kommerzienrat Mohr den Universitätsprofessor Mallinger auf, mit dem er im dritten oder vierten Grade durch dessen Frau irgendwie verwandt war.

      Als das Mädchen ihn meldete, drehte sich der Professor langsam an seinem Schreibtisch um und befahl mit sonorer Stimme:

      »Sagen Sie dem Herrn Kommerzienrat, daß ich mich zwar für mein morgiges Kolleg noch nicht vorbereitet habe, daß ich ihn aber trotzdem bäte, abzulegen und näherzutreten.«

      Der Professor mochte ihn nicht; kannte ihn kaum; hatte trotz der vielen Jahre, die er in seinem Hause verkehrte, kaum fünf Worte mit ihm gewechselt.

      Das lag daran: Mohr galt als Lebemann. Man sprach sogar von einem Verhältnis, das er seit Jahren unterhielt. Einen rechten Begriff vermochte der Professor zwar damit nicht zu verbinden. Aber er hatte es im Gefühl, daß es etwas Anstößiges war, etwas, was der Ehe, der Institution des Staates, ins Gesicht schlug. Und das genügte ihm, um ihm diesen Menschen unsympathisch zu machen. Hinzu kam: für Mohr lag der tiefste Sinn des Lebens im Geldverdienen. Das an sich nahm er ihm nicht übel. Im Gegenteil! Aber daß er das Geld so leicht wieder unter die Leute brachte, anstatt es zusammenzuhalten, daß er es oft sogar in Lokalen ließ, in denen Frauen zweifelhaften Rufes verkehrten, verurteilte er scharf. Was aber das Schlimmste war: dieser Mohr sah in einem Universitätsprofessor durchaus keinen Honoratioren, der ihm besonderer Verehrung wert erschien; ja, es hatte sich ereignet, daß er auf einem Diner beim Hofbankier Walther zuerst den Oberlehrer Sasse und dann erst ihn begrüßte.

      Alles das trat wieder in seine Erinnerung, als das Mädchen jetzt seinen Namen nannte; dennoch stand er auf und ging ihm entgegen!

      »Was führt denn Sie, Herr Kommerzienrat, zu so ungewohnter Stunde in die Arbeitsstube eines Gelehrten?« fragte er ihn, als er eintrat.

      »Sie gestatten wohl, daß ich mich setze?«

      »Ich hatte nicht die Absicht, Sie stehen zu lassen,« sagte der Professor, »obschon meine Zeit beschränkt ist, da ich morgen um acht Uhr Kolleg und nachmittags Stadtverordnetensitzung habe, bei der ich gelegentlich des Müllabfuhrverbots den Standpunkt meiner Fraktion zu vertreten habe, ohne mich bisher mit der für die Kommune wie im besonderen für die Hausbesitzer äußerst wichtigen Materie mit der nötigen Gründlichkeit befaßt zu haben.«

      Dem Kommerzienrat war das, obgleich er selbst Häuser besaß, ohne freilich je über die Müllabfuhr nachgedacht zu haben, höchst gleichgültig. Wie gut, daß Leute da waren, die sich über solche Dinge den Kopf zerbrachen, dachte er. Wozu so ’n Professor nicht alles gut ist! Aber er sprach es nicht aus. Da der Professor jedoch eine Antwort erwartete, so tat er interessiert und sagte:

      »Gewiß, verehrter Professor, in einer Stadt wie Berlin muß die Müllabfuhr ja eine bedeutende Rolle spielen.« Was zur Folge hatte, daß der Professor sich leidenschaftlich über dies Thema ausließ, worauf Mohr ihn mit den Worten unterbrach:

      »Sehr interessant, Herr Professor, aber der Grund, aus dem ich hier bin und es wage, Ihre Zeit in Anspruch zu nehmen, ist ein anderer.«

      »Bitte, bitte!« sagte der gekränkt. »Ich weiß ja, daß die Politik nicht in Ihr Fach schlägt; ich bin in der Tat sehr beschäftigt, also bitte.«

      »Ich hatte das Thema ja nicht angeschlagen,« erwiderte Mohr bissig, »ich weiß auch nicht, ob Sie aufmerksam wären, wenn ich von meinen Angelegenheiten sprechen würde.«

      Entsetzt wehrte der Professor ab.

      Nun ja, das fehlte gerade, daß er ihn in seine Abenteuer einweihte. Ihm genügte, was ihm seine Frau gelegentlich beim Schlafengehen erzählte; die bezog ihre Nachrichten von der Dame, die Mohr seit Jahren das Haus führte; auf Details verzichtete er gern; ließ sie sich nicht einmal von seiner Frau erzählen, der er erst kürzlich jedes Gespräch mit »dieser Person«, die solche Dinge um sich duldete und sie weitertrug, verboten hatte. Seine Frau freilich war ihm über den Mund gefahren, hatte ihn verächtlich von der Seite angesehen und gesagt:

      »Es ist schlimm genug, daß ich mich seit zehn Jahren mit diesen Geschichten begnügen muß. Dein Verhalten mir gegenüber als Ehemann ist nicht derart, daß du das Recht hättest, mir dies harmlose Vergnügen zu verbieten.«

      Und