»Sie werden mich nicht abweisen!« sagt er bestimmt; »ich bin . . .«
»Das werden wir sehen«, unterbrach ihn Mohr; »was ist das für eine Kühnheit! Hier meldet man sich an – dazu sitzt mein Sekretär im Vorzimmer und verteilt Besuchszeiten . . . Sie befinden sich hier in keinem Trödelladen, wo jeder ein- und ausgeht, wie’s ihm paßt.«
»Ich muß Sie sprechen«, wiederholte Aletto; wenn möglich noch bestimmter als zuvor.
»Das ist doch eine seltene Dreistigkeit«, schrie Mohr zum Diener gewandt; der sah verlegen zur Erde, zog leicht die Schultern in die Höhe und flüsterte:
»Meine Schuld ist es nicht, Herr Kommerzienrat.«
»Sagen Sie, bitte, dem Diener, daß er sich entfernt«, forderte Aletto.
»Das wird ja immer besser!« brüllte Mohr. »Wer sind Sie?«
»Das werde ich Ihnen sagen, sobald der Diener draußen ist.«
Mohr gab dem Diener wütend ein Zeichen, und er ging.
»Also!!« sagte er und zitterte vor Wut.
»Ich heiße Aletto, bin Kunstmaler und habe die Absicht, Fräulein Kersten zu heiraten«, sagte er ruhig und sicher.
Mohr fuhr zusammen; einen kurzen Augenblick; dann fragte er ziemlich bestimmt:
»Was geht das mich an?«
»Man sagte mir, daß Sie der Vormund sind«, erwiderte Aletto und ließ ihn nicht aus den Augen.
Der Kommerzienrat biß die Lippen aufeinander – schnalzte mit der Zunge – überlegte – bot Aletto einen Stuhl an – ging an seinen Schreibtisch und setzte sich.
»Danke! Ich stehe!« sagte Aletto kurz.
»Wie Sie wollen«, erwiderte Mohr.
»Ich sagte Ihnen bereits,« begann Aletto, »aus welchem Grunde ich bei Ihnen bin.«
»Wollen Sie mir, bitte, noch einmal Ihren Namen nennen«, bat der Kommerzienrat.
»Aletto, Sohn des verstorbenen Akademieprofessors Henrico Aletto, Kunstmaler aus Rom.«
»Ich danke«, sagte er kurz und machte eine Bewegung, aus der Aletto entnahm, daß er entlassen sei.
»Was bedeutet das?« fragte er lebhaft.
»Ich werde Erkundigungen über Sie einziehen und je nachdem diese ausfallen, Ihnen Nachricht zukommen lassen, ob es Zweck hat, auf diese Angelegenheit zurückzukommen. Das wird, denke ich, in drei bis vier Wochen möglich sein.«
»Ich bedaure!« erklärte Aletto. »Ich betrachte Ihre Einwilligung nur als Formalität . . .«
»Erlauben Sie mal«, unterbrach ihn Mohr.
Aber Aletto fuhr unbekümmert fort: ». . . die das Gesetz nun mal verlangt.«
»Und die ich, falls es das Interesse meines Mündels fordert, verweigern werde.«
Er wollte weitersprechen; aber Aletto trat dicht an ihn heran, sah ihm fest in die Augen und wiederholte:
»Es ist lediglich Formsache, ich sagte Ihnen das schon, wenn ich um Ihre Einwilligung bitte. Denn wir werden uns heiraten – verlassen Sie sich darauf – auch gegen Ihren Willen.«
Den Kommerzienrat reizte die Entschiedenheit, mit der Aletto für seine Liebe focht. Zweifellos liebte Luise diesen Menschen und begehrte ihn. Und je mehr sich ihre Leidenschaft zu Aletto vertiefte, um so bestimmter mußte sich alles gegen ein Zusammensein mit ihm auflehnen. Der Gleichmut, mit dem sie jetzt alles ertrug, und gegen den er erfolglos kämpfte, war dann gebrochen. Und deshalb war ihm dieser Aletto durchaus willkommen. Er peitschte die Gefühle Luises auf, riß sie aus ihrer Empfindungslosigkeit und Stumpfheit; brachte alles wieder in Bewegung, rief in ihr wieder jenen wilden, ungestümen Trotz wach, der gerade nachzulassen drohte, und den er bei ihr über alles liebte. Ja, Kommerzienrat Mohr war ein Gourmet in Liebesdingen. Dieser Aletto, das erkannte er deutlich, bedeutete für ihn einen Glücksfall sondergleichen. Nun hieß es, gescheit sein, geschickt operieren und sich nicht durch unüberlegtes Handeln um die Vorteile dieses Zufalls bringen.
»Ich sage ja nicht nein«. lenkte Mohr ein. »Aber Sie werden zugeben, daß es meine Pflicht ist, mich genauer über Sie zu informieren. Wie gesagt, ich stehe Ihrem Plane, mein Mündel zu heiraten, durchaus nicht ablehnend gegenüber. Nur will ein derartiger Schritt in so jugendlichem Alter doch bedacht sein. Ich weiß nichts von Ihrem Lebensgang, Ihrer Familie, Ihren Verhältnissen, Sie werden zugeben . . .«
Aletto erinnerte sich jetzt, daß der eigentliche Zweck, aus dem er hier war, ja die Regelung des Finanziellen war. Daß der Kommerzienrat so sprach, fand er durchaus natürlich. Im Grunde konnte es für diesen Halunken ja gar nichts Günstigeres geben, als wenn er Luisen, die er auf dem Gewissen hatte, in eine gesicherte Ehe half. Und daß er obendrein noch sein Geld zurückerhielt, mußte ihm diese Wendung nur um so willkommener machen. Viel besser also, dachte Aletto, schon Luises wegen, wenn sich alles in Ruhe erledigt. Und er kämpfte allen Haß, der ihn immer von neuem packte, wenn er diesem Menschen in die Augen sah, gewaltsam nieder.
»Ich verstehe Sie durchaus,« sagte Aletto, »und da ich die Auskünfte nicht zu scheuen brauche, so habe ich gegen Ihren Vorschlag nichts einzuwenden. Nur möchte ich bei dieser Gelegenheit eine Regelung in Vorschlag bringen, die für mich so wichtig ist, daß ich von ihr meine Werbung abhängig mache!«
Der Kerl ist fabelhaft, dachte Mohr. Ein verbindliches Wort – ja, nicht einmal das, nur mein veränderter Tonfall genügt ihm, und er knüpft Bedingungen an seine Werbung, ohne noch zu wissen, ob sie mir überhaupt genehm ist . . . Aber er sprach es nicht aus. Im Gegenteil: er blieb verbindlich, machte eine kurze Handbewegung und sagte:
»Bitte!«
Und Aletto begann.
»Meine Braut«, sagte er, und Mohr gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, »hat mir mit großer Offenheit erzählt, daß die Zuschüsse, von denen sie augenblicklich leben, nicht von der Familie, sondern von Ihnen fließen.«
Der Kommerzienrat setzte sich gerade und nickte zustimmend.
»Ich weiß nicht, ob Ihnen mein Mündel auch gesagt hat, daß Herr Professor Kersten ohne einen Pfennig Vermögen zu hinterlassen . . .«
»Ich weiß«, wehrte Aletto ab.
»Man kann daher nicht gut von Zuschüssen sprechen; es ist in Wirklichkeit denn auch so, daß ich den Unterhalt der Familie bestreite.«
»Eben, eben!« warf Aletto ein. »Das muß ein Ende nehmen, und zwar von heute ab.«
Mohr sah ihn groß an und staunte.
»Wie denken Sie sich das?« fragte er ihn.
»Indem ich das von heute ab übernehme – natürlich in der gleichen Form, in der es bisher von Ihrer Seite aus geschah.«
»Sie wollen . . .?«
»Desgleichen werde ich Ihnen diejenigen Summen zurückerstatten, die Sie bisher verauslagt haben.«
»Ich kenne Ihre Verhältnisse nicht, Herr Aletto; . . . aber im übrigen: das alles sind Dinge, die sich dann ganz von selbst finden werden.«
»Wann?« fragte Aletto.
»Nun, ich meine, wenn es sich zeigt, daß ich Ihrer Werbung meine Zustimmung geben kann, dann würde ich mit Rücksicht auf die Jugend meines Mündels und auf die besonderen Verhältnisse im Hause Kersten auf alle Fälle dafür sein . . .«
»Bitte!« warf Aletto ungeduldig ein.
». . . daß mit der offiziellen Verlobung noch ein Jahr gewartet wird.«
»Das ist vollständig ausgeschlossen!« rief Aletto erregt. »Dafür liegt nicht die geringste Veranlassung vor.«
»Das dürfte sich so im Augenblick schwer entscheiden lassen«, erwiderte Mohr in aller Ruhe.
Aletto aber verlor seine Haltung.
»Ich