2. Vollstreckungsorgane
5.4
Vollstreckungsorgane sind das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, der Gerichtsvollzieher, ausnahmsweise das Prozessgericht erster Instanz oder andere Behörden[1]. Welches Vollstreckungsorgan zuständig ist, richtet sich nach der Art der Zwangsvollstreckung, maßgebend sind Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte (Rn. 2.9 ff.; 6.47 ff.). So ist z.B. für die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in bewegliche Sachen der Gerichtsvollzieher zuständig; denn er muss sich in die Wohnung oder den Betrieb des Schuldners begeben, um dort eine Sache des Schuldners zu pfänden und zur Versteigerung abzuholen. Für die Zwangsvollstreckung in Forderungen oder andere Rechte ist dagegen das Vollstreckungsgericht zuständig; denn die Pfändung und Verwertung dieser Vollstreckungsobjekte lässt sich weitgehend ohne körperliches Einschreiten durch gerichtlichen Beschluss bewerkstelligen.
3. Betroffene Dritte
5.5
Dritte sind zwar keine Beteiligten im eigentlichen Sinne, aber die Vollstreckung kann sie doch in ihren Rechten beeinträchtigen (z.B. ihr Eigentum und ihren Besitz) oder besonderer Pflichtigkeit unterwerfen (z.B. als „Drittschuldner“ der gepfändeten Forderung).
1. Die drei Rechtsverhältnisse
5.6
Aus der Beteiligung des Gläubigers, Schuldners und des Vollstreckungsorgans ergeben sich drei Rechtsverhältnisse: das zwischen Gläubiger und Vollstreckungsorgan[2], das wir als Antragsverhältnis kennzeichnen (unten III.); weiter das zwischen Vollstreckungsorgan und Schuldner, dem wir die Bezeichnung Eingriffsverhältnis geben (unten IV.); schließlich das zwischen Gläubiger und Schuldner, das man gemeinhin, aber nicht sehr plastisch Vollstreckungsverhältnis nennt (unten V.).
Man kann sich dieses „Dreiecksverhältnis“ von vornherein verdeutlichen, wenn man sich etwa folgende Fragen stellt: Wann muss das Vollstreckungsorgan dem Antrag des Gläubigers auf Zwangsvollstreckung stattgeben? (Antragsverhältnis). Unter welchen Voraussetzungen darf das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner durchführen? (Eingriffsverhältnis). Handelt der Gläubiger rechtswidrig, wenn er auf Grund eines Vollstreckungstitels die Zwangsvollstreckung betreibt, obwohl die in dem Titel verbriefte materiellrechtliche Forderung bereits erloschen ist? (Vollstreckungsverhältnis).
2. Das „Vollstreckungsrechtsverhältnis“
5.7
Im Erkenntnisverfahren des Zivilprozesses entspricht es dogmatischer Tradition, die Beziehungen zwischen Kläger, Beklagtem und Gericht unter dem Begriff des „Prozessrechtsverhältnisses“ zusammenzufassen[3], das die h.M. als dreiseitiges Rechtsverhältnis charakterisiert[4]. Dementsprechend wird vielfach die Dreierbeziehung zwischen Gläubiger, Schuldner und Vollstreckungsorgan als „Vollstreckungsrechtsverhältnis“ bezeichnet[5]. Die Zusammenfassung unter diesem Begriff birgt zwar die Gefahr der Verwechslung mit dem „Vollstreckungsverhältnis“ zwischen Gläubiger und Schuldner in sich, bringt jedoch zutreffend zum Ausdruck, dass die Vollstreckungsbeteiligten wie die Prozessbeteiligten des Erkenntnisverfahrens durch eine öffentlichrechtliche Sonderrechtsbeziehung miteinander verbunden sind. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Rechte und Pflichten in der jeweiligen Zweierbeziehung des Dreiecks, sodass der Zusammenfassung zum mehrseitigen Rechtsverhältnis praktische Bedeutung selten zukommen wird[6]. Die Beschränkung des Vollstreckungsrechtsverhältnisses auf Parteien und Vollstreckungsorgan wird der Position betroffener Dritter nicht voll gerecht (z.B. bei Pfändung von Gegenständen Dritter, Drittschuldner bei Forderungspfändung)[7].
1. Der Antrag und seine Bescheidung
5.8
Ein Vollstreckungsverfahren kommt nur auf Antrag des Gläubigers in Gang; es gibt im privatrechtlichen Bereich keine Vollstreckung von Amts wegen. Andererseits ist es nicht dem Belieben des staatlichen Vollstreckungsorgans überlassen, ob es dem Antrag des Gläubigers auf Durchführung der Zwangsvollstreckung stattgeben will oder nicht: Vermag der Gläubiger die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen (insbes. das Vorliegen eines Vollstreckungstitels) darzutun, so hat er ein Recht auf Vornahme des Vollstreckungsakts. Wird ihm dieses Recht verweigert, so stehen ihm Rechtsbehelfe zur Seite, mit deren Hilfe er ein Tätigwerden des Vollstreckungsorgans erzwingen kann, nämlich die Erinnerung nach § 766, die sofortige Beschwerde nach § 793 und gegebenenfalls die Rechtsbeschwerde nach § 574. Erleidet der Gläubiger durch unterlassene, verzögerte, fehlerhafte Zwangsvollstreckung einen Schaden, den er auch durch Gebrauch der genannten Rechtsbehelfe nicht abzuwenden vermag, so kann er ihn aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung gegen den Staat geltend machen (§ 839 BGB, Art. 34 GG).
2. Der Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Antragsverhältnissen
5.9
Die Parallele zum Anspruch des Einzelnen gegen den Staat auf Erlass eines Verwaltungsaktes liegt nahe, was natürlich nicht bedeuten soll, dass die Zwangsvollstreckung in den Bereich der Verwaltung gehört; sie ist Teil der streitigen Zivilgerichtsbarkeit[8]. Ist die Behörde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen verpflichtet, den Verwaltungsakt zu erlassen, so kann der durch die Weigerung oder Untätigkeit der Behörde in seinem Recht Beeinträchtigte verwaltungsgerichtliche Klage (Verpflichtungsklage – Untätigkeitsklage, §§ 42, 75 VwGO) erheben. Freilich bestehen Unterschiede insofern, als die Rechtsbehelfe der Zwangsvollstreckung nicht als Klagen gestaltet sind und nicht das Vollstreckungsorgan als Beklagter, sondern der Schuldner als Gegner des Rechtsbehelfs angesehen wird.
3. Vollstreckungsanspruch und verfassungsmäßiger Justizgewährungsanspruch
5.10
Dem verwaltungsrechtlichen Problem, ob die Position des Antragstellers als sog. subjektives öffentliches Recht anzusehen ist, entspricht das vollstreckungsrechtliche Problem, ob dem Gläubiger ein gegen den Staat gerichteter Vollstreckungsanspruch zusteht[9]. So wie die Ablehnung eines Verwaltungsaktes Grundrechte verletzen und zur Verfassungsbeschwerde berechtigen kann, so kann die Ablehnung von Vollstreckungsmaßnahmen den verfassungsmäßigen Justizgewährungsanspruch und damit Grundrechte beeinträchtigen, wobei dann nach Ausschöpfung der ordentlichen Rechtsbehelfe ebenfalls Verfassungsbeschwerde in Frage kommt[10].
4. Vollstreckungsanspruch und vollstreckbarer Anspruch
5.11
Mit dem Vollstreckungsanspruch darf der sog. vollstreckbare Anspruch nicht verwechselt werden: Damit bezeichnet man den im Vollstreckungstitel „verbrieften“, als vollstreckungsfähig bezeichneten prozessualen Anspruch, der in der gegen den Schuldner gerichteten Zwangsvollstreckung verwirklicht werden soll und dem seinerseits einer oder mehrere materiellrechtliche Ansprüche zugrundeliegen[11]. Während sich also der „Vollstreckungsanspruch“ gegen den Staat richtet und ein Handeln der Vollstreckungsorgane erzwingen will, ist der vollstreckbare Anspruch nichts anderes als der prozessuale Anspruch des Gläubigers, wie er aus dem Erkenntnisverfahren und seiner Streitgegenstandslehre bekannt ist, im Stadium der möglichen zwangsweisen Verwirklichung.