Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Bruns
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811487208
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in die Vermögens- und Persönlichkeitssphäre und damit die Grundrechtssphäre[1] des Schuldners. Das Gesetz stellt daher an den Vollstreckungsakt eine Reihe von Anforderungen. Sie sind „typisiert“, „formalisiert“ („Formalisierungsgrundsatz“; Rn. 6.53); denn den Vollstreckungsorganen kann nicht zugemutet werden, die materielle Rechtslage zu prüfen; dies ist Sache der Gerichte im Erkenntnisverfahren. Freilich musste der Gesetzgeber diese typisierten Voraussetzungen so bestimmen, dass in einem hohen Prozentsatz der Zwangsvollstreckungsakte das Vorgehen der Vollstreckungsorgane auch der materiellen Rechtslage gerecht wird, dem Schuldner also – gemessen am materiellen Recht – kein Unrecht geschieht.

      Beispiel:

      Ist B durch ein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts (Vollstreckungstitel) zur Zahlung von 500,– € an K verurteilt worden und hat das Amtsgericht außerdem bestätigt, dass dieses Urteil vollstreckbar ist (Vollstreckungsklausel), so kann man im Normalfall davon ausgehen, dass B dem K 500,– € nach materiellem Recht schuldet und auch noch schuldet, wenn der Gerichtsvollzieher vollstreckt. Freilich kann es sein, dass B inzwischen bezahlt hat, die Schuld also erloschen ist. Dann muss B die Möglichkeit haben, gegen die Vollstreckung aus dem Titel vorzugehen. Dies tut er mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767; Rn. 45.1 ff.), über die aber nicht das Vollstreckungsorgan, sondern wieder das Amtsgericht als Prozessgericht entscheidet.

      Die Grundlagen des Vollstreckungsakts sind meist im Vollstreckungsrecht, also im 8. Buch der ZPO geregelt, einige aber auch im allgemeinen Zivilprozessrecht. Die Darstellung beginnt mit den sich aus dem Vollstreckungsrecht ergebenden Voraussetzungen (II., III.) und behandelt dann die sich aus dem allgemeinen Prozessrecht ergebenden Erfordernisse (IV.).

      12.2

      Unabdingbare, stets von Amts wegen zu prüfende Voraussetzungen jeder Vollstreckung sind der Vollstreckungstitel (unten §§ 13–16) und die Vollstreckungsklausel (unten §§ 17, 18). Im Vollstreckungstitel (Hauptfall: das Urteil) ist der zu vollstreckende Anspruch verbrieft, die Vollstreckungsklausel ist eine „amtliche“ Bescheinigung darüber, dass der Titel auch vollstreckbar ist und dass der Gläubiger unmittelbar bei den einzelnen Vollstreckungsorganen selbst konkrete Vollstreckungsmaßnahmen beantragen kann (dezentralisierte Vollstreckung, Rn. 6.47).

      Titel und Klausel bezeichnet man als Vollstreckungsvoraussetzungen. Fehlt der Vollstreckungstitel, so ist der Vollstreckungsakt nichtig (s. Rn. 11.3)[2]; das Vollstreckungsorgan hat ihn von Amts wegen oder auf Erinnerung des Schuldners hin (§ 766) aufzuheben, eine Maßnahme, die nur klarstellende Bedeutung hat. Dagegen kommt dem Fehlen der Vollstreckungsklausel kein solches Gewicht zu, dass die Folge der Nichtigkeit eintritt; der Vollstreckungsakt ist anfechtbar (Rn. 11.3, 27.12).

III. Voraussetzungen des Beginns der Vollstreckung und Vollstreckungshindernisse

      12.3

      Andere Voraussetzungen betreffen nicht die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung schlechthin, sondern nur den Beginn der Zwangsvollstreckung (s. Rn. 21.1 ff.). So darf die Zwangsvollstreckung erst beginnen, wenn der Titel zugestellt ist (§ 750 Abs. 1): der Schuldner soll unterrichtet sein, wer die Zwangsvollstreckung betreibt[3] und aus welchem Rechtsgrund[4]. Ist dem Gläubiger eine Sicherheitsleistung auferlegt, so muss sie vor Beginn der Zwangsvollstreckung erbracht sein und dem Vollstreckungsorgan nachgewiesen werden (§ 751 Abs. 2). Die Vollstreckung kann von dem Eintritt eines Kalendertages (§ 751 Abs. 1) oder bei Verurteilung zur Leistung Zug um Zug entweder von dem Leistungsangebot des Gläubigers oder vom Verzug des Schuldners abhängig sein (§§ 756, 765).

      Das Vollstreckungsorgan hat auch diese Voraussetzungen von Amts wegen zu beachten. Ihr Fehlen macht den Vollstreckungsakt mit der Erinnerung anfechtbar (§ 766).

      12.4

      Vollstreckungshindernisse sind Umstände, die dem Beginn oder der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung im Wege stehen. Hierher rechnen: die in § 775 aufgeführten Fälle (s. Rn. 9.17 ff. und Rn. 14.19 ff.); die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (§ 89 InsO[5]); Vollstreckung durch Nachlassgläubiger in das private Vermögen des Erben bzw. Vollstreckung durch Eigengläubiger in den Nachlass vor Annahme der Erbschaft (§ 778; hierzu Rn. 20.7) und vollstreckungsausschließende Verträge[6].

      Kein Vollstreckungshindernis ist z.B. die spätere Pfändung der titulierten Forderung[7], vielmehr muss sich der Drittschuldner gemäß § 767 wehren[8]. Die Pfändung einer vorher bereits abgetretenen Forderung bleibt völlig wirkungslos[9]. Die Fristversäumnis beim Arrest (§ 929 Abs. 2, 3) führt zur Nichtigkeit des Vollstreckungsaktes[10].

      12.5

      Das Vollstreckungsorgan braucht Vollstreckungshindernisse nur zu beachten, wenn sie ihm nachgewiesen sind (§ 775) oder wenn sie ihm bekannt werden (Insolvenzeröffnung). Nichtbeachtung des Hindernisses führt nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Vollstreckungsakts.

      Zu unterscheiden sind:

a) das Vollstreckungshindernis selbst (z.B. ein Beschluss des Gerichts über die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769),
b) die darauf beruhende Maßnahme des Vollstreckungsorgans (z.B. die Einstellungsverfügung des Gerichtsvollziehers nach § 775 Nr. 2); s.a. Rn. 9.18.

      12.6

      Schließlich ergeben sich Besonderheiten (§§ 19, 20), wenn die Zwangsvollstreckung gegen mehrere Personen erfolgen soll oder wenn sonstige Mitberechtigungen Dritter bestehen. Beispiele: Vollstreckung gegen die Mitglieder einer Gesamthandsgemeinschaft (§§ 736, 740 Abs. 2, 747) – Vollstreckung gegen Ehegatten (§§ 739–745) – Vollstreckung in nießbrauchbelastetes und verwaltetes Vermögen (§§ 737, 748).

      12.7

      Aus dem allgemeinen Zivilprozessrecht ergeben sich folgende Voraussetzungen:

      12.8

      Das Vorliegen deutscher Gerichtsbarkeit ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit des Vollstreckungsaktes (Rn. 27.12).

      Zu beachten ist, dass der „Fiskus“ (genauer: Bund, Länder, Gemeinden usw.) der deutschen Gerichtsbarkeit und damit auch der Zwangsvollstreckung unterliegen. Jedoch ist die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen