Sind z.B. bereits körperliche Sachen gepfändet worden, so können diese Sachen nach der Einstellung nicht mehr versteigert werden; sie bleiben aber weiter gepfändet. Die Einstellung erfolgt durch eine Erklärung des zuständigen Vollstreckungsorgans, dass die Zwangsvollstreckung nicht weiter durchgeführt werden soll. Stellt der Gerichtsvollzieher bei der Vornahme einer Vollstreckungshandlung ein, dann ist dies im Protokoll zu vermerken (§ 762); sonst genügt ein Vermerk zu den Vollstreckungsakten. Vielfach sind zur Durchführung der Einstellung weitere Maßnahmen nicht erforderlich; ist aber z.B. bereits ein Versteigerungstermin anberaumt, dann ist dieser aufzuheben. Der Vollstreckungsgläubiger darf ebenfalls keine weiteren Maßnahmen treffen, die zu seiner Befriedigung führen, z.B. Einziehung der hierzu überwiesenen Forderung[5] (anders bei Überweisung an Zahlungs statt, § 835!).
9.5
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt durch das Vollstreckungsorgan, z.T. auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung über die Einstellung. So hat z.B. der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, wenn ihm die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßnahme angeordnet ist (§ 775 Nr. 2). Zwischen der Anordnung der Einstellung (durch das Gericht) und der Einstellung selbst (durch das Vollstreckungsorgan) muss also unterschieden werden.
a) Einstellung auf Anordnung des Gerichts
9.6
Praktisch wichtige Fälle solcher – die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan rechtfertigender – gerichtlicher Beschlüsse sind: die Anordnung des Gerichts nach Einlegung eines Rechtsbehelfs (im weitesten Sinne) gegen den Titel (§§ 707, 719, 769; 321a)[6] oder nach Erinnerung und Drittwiderspruchsklage (§ 766 mit § 732 Abs. 2, § 771 und § 769), die Einstellung des Vollstreckungsgerichts bei überwiegendem Schutzbedürfnis des Schuldners nach § 765a, die sichernde Einstellung durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 InsO) sowie die Anordnung der Vollstreckungssperre nach dem StaRUG (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Der anordnende Beschluss des Gerichts entsteht wirksam mit Hinausgehen der Entscheidung, also vor der Zustellung an den Vollstreckungsgläubiger[7]. Der Schuldner kann sich gegen weitere Maßnahmen nach § 766 wehren[8]. Gegen Entscheidungen des Prozessgerichts nach § 769 ist in analoger Anwendung von § 707 Abs. 2 S. 2 die Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft. Ganz ausnahmsweise ließ jedoch die bisher h.M. die sofortige Beschwerde nach § 793 zu, wenn ein krasser Rechtsverstoß oder Ermessensfehlgebrauch behauptet wird[9]. Nach der Reform des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz mit Wirkung zum 1.1.2002 findet eine solche außerordentliche (Rechts-) Beschwerde zum BGH jedenfalls nicht mehr statt (§ 574 Abs. 1), vielmehr hat das Gericht, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat, nach der Rechtsprechung des BGH gegebenenfalls auf befristete Gegenvorstellung abzuhelfen – ansonsten bleibt nur die Verfassungsbeschwerde[10]. Zumindest bei Gehörsverletzungen bei Entscheidungen nach § 769 hat jetzt die Anhörungsrüge gemäß § 321a grundsätzlich Vorrang; bei anderen Verfahrensverstößen mit verfassungsrechtlicher Relevanz kommt Rüge analog § 321a in Betracht (Rn. 14.26, 18.12, 44.5)[11].
b) Einstellung ohne gerichtliche Anordnung
9.7
Ohne eine derartige gerichtliche Entscheidung darf das Vollstreckungsorgan nur in bestimmten Fällen von sich aus einstellen, z.B. dann, wenn es die Prozessunfähigkeit des Schuldners erkennt[12] oder wenn ihm ein Zahlungsbeleg über die Befriedigung des Gläubigers vorgelegt wird (§ 775 Nr. 4 und 5), der Erfüllung beweist[13]; ähnliche Fälle in § 775 Nr. 3, § 765a Abs. 2[14]. Bestreitet der Gläubiger die Erfüllung trotz Vorlage eines Belegs, so ist die Vollstreckung fortzusetzen und der Schuldner auf § 767 zu verweisen[15]; die bereits eingestellte Vollstreckung ist auf Verlangen des Gläubigers wieder aufzunehmen, den Schuldner schützt § 769[16].
9.8
Beispiel:
Auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, das G gegen S erwirkt hat, hat der Gerichtsvollzieher auf Antrag des G in der Wohnung des S ein Notebook gepfändet. S hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das LG (Prozessgericht) hat auf Antrag die Zwangsvollstreckung gemäß §§ 719, 707 gegen Sicherheitsleistung seitens des S in Höhe von 700 € einstweilen eingestellt. S legt dem Gerichtsvollzieher den Beschluss des LG und den Nachweis über die erbrachte Sicherheitsleistung vor, der Gerichtsvollzieher stellt die Zwangsvollstreckung durch einen Vermerk in seinem Protokoll ein und hebt einen – etwa schon anberaumten – Versteigerungstermin auf.
9.9
Meist ist die Einstellung von der Initiative des Schuldners oder eines beteiligten Dritten abhängig. Die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme (z.B. Rückgabe des gemäß § 883 weggenommenen Gegenstandes) bedarf gerichtlicher Anordnung (§§ 775 Nr. 1, 3, 776). Die bereits vollendete Pfändung gewährt grundsätzlich Absonderungsrechte (Bd. II Rn. 11.16). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Vollstreckungsverbot für die Verfahrensdauer (§ 89 InsO), das mit der Erinnerung beim Insolvenzgericht durchzusetzen ist (§ 89 Abs. 3 InsO, § 766)[17]. Die insolvenzrechtliche Rückschlagsperre mit Unwirksamkeitsfolge, die durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgelöst wird (§ 88 InsO) und ebenfalls amtswegig zu berücksichtigen ist, ist dagegen im Wege der Erinnerung beim Vollstreckungsgericht zu verfolgen (§ 766); das gilt auch für die Untersagung von Vollstreckungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 InsO im Eröffnungsverfahren[18]. Gleiches dürfte für die Anordnung der Vollstreckungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG gelten.
c) Fortgang nach Einstellung
9.10
Nach der einstweiligen Einstellung ist die Zwangsvollstreckung regelmäßig nicht von Amts wegen fortzusetzen, sondern nur auf Antrag des Gläubigers, wenn die Voraussetzungen für die Einstellung nicht mehr vorliegen[19]. Ist dagegen die Einstellung nur befristet erfolgt (z.B. nach § 769 Abs. 2), dann ist die Vollstreckung nach Ablauf der Frist ohne weiteres fortzusetzen.
2. Tatsächlicher Stillstand
9.11
Ohne eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kann ein Stillstand tatsächlich auch dadurch eintreten, dass der Gläubiger das Vollstreckungsorgan beauftragt, die Zwangsvollstreckung nicht weiter zu betreiben (s. Rn. 2.3, 6.6, 8.5), oder dass – was indessen nur unter ganz besonderen Umständen zulässig ist – das Vollstreckungsorgan mit der weiteren Durchführung der Zwangsvollstreckung wartet, so z.B., wenn bestimmte Umstände auf die Unzulässigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme hindeuten; es kann dann z.B. erforderlich sein, dass der Gerichtsvollzieher die Auszahlung des Versteigerungserlöses unterlässt[20].
3. Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen
9.12
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung wird nicht selten von böswilligen Schuldnern dazu missbraucht, die Vollstreckung hinauszuzögern. Auch eine nur kurzfristige Einstellung führt regelmäßig zu einer erheblichen Verzögerung; dies bedeutet, dass dem Gläubiger nach beendigtem Erkenntnisverfahren die praktische Rechtsverwirklichung vorenthalten wird. Die Einstellung darf daher nicht formularmäßig