Die Anzahl der Arbeitnehmer, welche eine Bruttoentgeltumwandlung über eine Pensionskasse über ihren Arbeitgeber durchführen, hat sich von 12/2001 bis 12/2013 sogar um 1.442 % erhöht.
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Die Pensionskassen haben daher – insbesondere im Hinblick auf die bisher vom Gesetzgeber eingeleiteten Reformen der Systeme der sozialen Sicherung – ihre Stellung im System der betrieblichen Altersversorgung nicht nur halten, sondern im Verhältnis zu den übrigen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung am deutlichsten ausbauen können.
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Aktiv Versicherte mit Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (nach Durchführungswegen)
Quelle: Endbericht TNS Infratest vom 24.11.2014, Trägerbefragung zur betrieblichen Altersversorgung 2013, S. 85.
5. Nachhaltige Alterssicherung durch Ausbau der betrieblichen Altersversorgung
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Mit dem eingeleiteten Umbau der Systeme der Alterssicherung nimmt auch die Verantwortung der an der Lebensstandardsicherung Beteiligten für deren Weiterentwicklung zu. Hierzu gehören in erster Linie die Beitragszahler, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, insbesondere aber auch der Gesetzgeber und die Tarifvertragsparteien. Diese müssen die arbeits- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die externe kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung einen nachhaltigen Ausbau erfährt. Hierzu gehört auch die Verantwortung dafür, dass vorrangig in der zweiten Säule tatsächlich auch eine nachhaltige Alterssicherung der Arbeitnehmer und deren Angehörigen durch lebenslange Leibrenten, Hinterbliebenen- und Invaliditätsschutz erfolgt. Dies ist vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion über einen Umbau der gesetzlichen Alterssicherungssysteme notwendiger denn je. Der weiterentwickelte neue Tarifvertrag in der chemischen Industrie zur Lebensarbeitszeit und Demografie gibt Zuversicht dafür, dass sich die Tarifvertragsparteien der ihnen von der Politik zugewiesenen gestalterischen Aufgaben annehmen werden.
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Rentenreform: Von der Lebensstandardsicherung zur ergänzenden Altersvorsorge
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Für Pensionskassen bedeutet die zunehmende Einbindung der betrieblichen Altersversorgung in die jeweils aktuelle sozialpolitische Willensbildung des Gesetzgebers korrespondierend steigende Anforderungen insbesondere an die Ausgestaltung der Bestimmungen der Leistungspläne und der Informationssysteme. Bei allen positiven Maßnahmen des Gesetzgebers zur Förderung der kapitalgedeckten Alterssicherung muss zunehmend darauf geachtet werden, dass die Eigenständigkeit der betrieblichen Altersversorgung, die sich insbesondere durch die Betriebsnähe, Transparenz und Effizienz auszeichnet, nicht verloren geht bzw. die Trennschärfe zu den Produkten der (bloßen) Vermögensbildung aufgegeben wird.
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Vor diesem Hintergrund gilt es, die aktuellen sozialpolitischen Herausforderungen, wie z. B. die Berücksichtigung der neuen Regelungen im BetrAVG auf Grund des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie (Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist, Änderungen bei den Auskunftspflichten etc.; siehe dazu auch Rdnrn. 804 ff.), die in Politik und Wirtschaft aktuell diskutierten Modelle zu tarifvertraglich ausgestalteten Systemen der betrieblichen Altersvorsorge (sog. Sozialpartnermodell) oder dem Vorschlag der hessischen Landesregierung für einen Deutschlandfonds oder Vorschläge zu Opting-Out-Systemen sowie die Umsetzung von Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene (z. B. Pensionsfondsrichtlinie) kritisch und konstruktiv zu begleiten. Die Pensionsfondsrichtlinie, oft auch als EbAV-Richtlinie (EbAV = Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge) oder IORP-Richtlinie (IORP = Institutions for Occupational Retirement Provision) bezeichnet, gibt auf europäischer Ebene die Rahmenbedingungen für die Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge vor. Wichtige Regelungsinhalte sind insbesondere die Vorgaben zur Eigenmittelausstattung, dem Ausfinanzierungsgrad der Versorgungsverpflichtungen, das Risikomanagement und die Information und Kommunikation im Verhältnis zu den Versorgungsempfängern. Die IORP-Richtlinie wird derzeit überarbeitet, der Gesetzgebungsprozess wird voraussichtlich Mitte/Ende 2016 abgeschlossen sein. Parallel hierzu wird von der EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) an neuen aufsichtsrechtlichen Richtlinien und Hinweisen zur Umsetzung der Richtlinien gearbeitet. Hervorzuheben sind hier das sog. Holistic Balance Sheet Modell zur Risikountersuchung und hierauf aufbauend die „europäischen“ Stresstests und durchgeführte quantitative Auswertungsstudien zu den neuen aufsichtsrechtlichen Modellen. Kritisch ist hierzu anzumerken, dass von Seiten der europäischen Aufsichtsbehörde der Ansatz eines „one single rule book“ sowohl für die Lebensversicherungen als auch die Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge verfolgt wird, obwohl für die Lebensversicherungsunternehmen seit Januar 2016 die sog. Solvency-II-Regelungen und damit inhaltlich andere Regelungen (z. B. bezüglich der Eigenmittelausstattung) gelten als für die Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge. Sachlich ist dies dadurch gerechtfertigt, dass die Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge im Gegensatz zu den Lebensversicherungsunternehmen nicht dereguliert sind. In diesem aufsichtsrechtlichen Spannungsverhältnis gilt es, den Charakter der Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge als soziale Einrichtungen als sachgerechtes Differenzierungsmerkmal für eine differenzierende aufsichtsrechtliche Betrachtung in den Gesetzesvorhaben zu verankern.
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Wie wichtig die aktive Einbindung der Interessengemeinschaften der betrieblichen Altersversorgung in die politische Diskussion ist, hat beispielsweise die Neufassung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG (Voraussetzungen für Entfall der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anpassung der laufenden Leistungen bei Abwicklung der Altersvorsorge über eine Pensionskasse) gezeigt. Mit der gesetzlichen Neufassung wurde die Diskussion darüber, ob die Voraussetzungen für den Entfall der Anpassungsverpflichtung nur dann erfüllt sind, wenn zur Berechnung der Deckungsrückstellung auf den nach dem VAG festgesetzten Höchstrechenzins abgestellt wurde, sachgerecht beendet (siehe dazu auch Schwind, Betriebliche Altersvorsorge 1/2011 S. 42 ff.).
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Doch nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene unterliegt die betriebliche Altersvorsorge dem steten Wandel der Gesetze, Richtlinien und sonstigen Vorschriften, welcher die betriebliche Altersvorsorge immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. So erarbeitet derzeit beispielsweise die seitens der EU-Kommission beauftragte Projektgruppe Track and Trace your Pension in Europe (TTYPE) einen Businessplan zur Schaffung eines europäischen Rentenaufzeichnungsdienstes. Zudem beabsichtigt die Europäische Kommission eine Verbesserung der Altersvorsorge im Allgemeinen und prüft, ob und inwieweit dies durch eine sog. Pan-European Personal Pension (PEPP) – eine private „Europa-Rente“, welche die bestehende nationale Lösungen zwar ergänzen (aber nicht ersetzen!) solle, erfolgen könnte. Die neuen Vorschläge der EU bergen jedoch häufig sehr hohe Hürden für die betriebliche Altersvorsorge und sind für diese nicht immer vorteilhaft. Beispielsweise sieht der Entwurf des europäischen Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) vor, dass Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge als Finanzinstitut einzuordnen und damit von einer entsprechenden Steuerpflicht