c) Beteiligung
aa) Mittäterschaft
83Im Bereich der Mittäterschaft gelten im Ausgangspunkt keinerlei Besonderheiten. Liegen die Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 StGB vor, setzt diese insbesondere nicht die eigenhändige Begehung durch jeden Beteiligten voraus, solange |40|nur ein die Tatherrschaft begründender wesentlicher Tatbeitrag vorliegt, der auch schon im Vorbereitungsstadium geleistet werden kann.[171] Mittäterschaft kann bei § 211 StGB ferner auch in der Form begegnen, dass auf Seiten der Mittäter unterschiedliche Mordmotive erfüllt sind.[172]
84Liegen hinsichtlich der zum Tode führenden Handlung die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB vor, verwirklicht aber nur einer der Täter ein Mordmerkmal, ist es auf Grundlage der herrschenden Literaturansicht, die § 211 StGB als Qualifikation zu § 212 StGB betrachtet, ohne Weiteres möglich, den einen Tatbeteiligten wegen mittäterschaftlichen Totschlags und den anderen wegen mittäterschaftlichen Mordes zu bestrafen. Geht man mit dem BGH davon aus, dass es sich um selbständige Tatbestände handelt, ist dieser Weg demgegenüber nur gangbar, wenn man annimmt, § 25 Abs. 2 StGB setze nicht notwendig die Verletzung des gleichen Strafgesetzes voraus. Dies bejahte der 1. Strafsenat in einem Fall, in denen die Täter das Tatopfer gemeinschaftlich erschlugen, aber nur einer von ihnen aus Habgier handelte, während der andere kein Mordmerkmal erfüllte. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der »Verletzung unterschiedlicher Strafnormen […] um die gleiche Straftat [i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB] handeln [könne], wenn von jenem die eine vollständig in der anderen enthalten ist, die Täter insoweit also (auch) gemeinsam einen identischen Straftatbestand verletzen. Wird der von beiden Beteiligten erfüllte Tatbestand bei einem Täter, dem zusätzliche Merkmale zuzurechnen sind, durch einen weitergehenden Tatbestand verdrängt, so [bedeute] das nicht, daß auch bezüglich des gemeinsam erfüllten Delikts verschiedene ›Straftaten‹ begangen worden [seien] – es [handle] sich vielmehr um einen Fall von Gesetzeskonkurrenz. Die in beiden Tatbeständen gleichermaßen enthaltene einheitliche Straftat [könne] demnach in Mittäterschaft begangen werden.«[173] Somit gelangen Literatur und Rechtsprechung in den einschlägigen Fallkonstellationen zu identischen Ergebnissen, jedoch fügt sich allein der dogmatische Ansatz der Literatur problemlos in den Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB ein, während die Rechtsprechung eines Kunstgriffs bedarf, nach dem eine einheitliche Straftat im Sinne der Vorschrift trotz Verwirklichung mehrerer Delikte sui generis auch dann vorliegen soll, wenn der eine Tatbestand vollständig in dem anderen enthalten ist.
bb) Teilnahme
85(1) Teilnahme bei tatbezogenen Mordmerkmalen: Das unterschiedliche systematische Verständnis von Literatur und Rechtsprechung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen § 211 und § 212 StGB wirkt sich maßgeblich auf die Anwendung von § 28 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB bei mehreren Tatbeteiligten |41|aus. Unproblematisch gestalten sich in diesem Zusammenhang noch diejenigen Fallkonstellationen, in denen lediglich die Voraussetzungen eines tatbezogenen Mordmerkmals der 2. Gruppe erfüllt sind. Da insoweit kein »besonderes persönliches Merkmal« i.S.v. § 28 StGB vorliegt, kommt auch eine Akzessorietätslockerung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht. Demnach ist der Teilnehmer wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zu § 211 StGB zu bestrafen, wenn der Täter ein tatbezogenes Merkmal verwirklicht und der Teilnehmer auch insoweit vorsätzlich handelt. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH unter Berufung darauf, dass eine Strafbarkeit wegen Anstiftung nicht die Kenntnis aller Einzelheiten der Haupttat voraussetze, relativ geringe Anforderungen an den Anstiftervorsatz in Heimtückefällen stellt. So soll bedingter Vorsatz hinsichtlich einer heimtückischen Vorgehensweise immer schon dann anzunehmen sein, wenn der Anstifter »aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist«[174]. Dies hat zur Folge, dass ein hinreichend bedingter Vorsatz immer schon dann vorliegen soll, wenn der Anstifter hinsichtlich der eigentlichen Durchführung der Tat keine Vorgaben macht und nicht damit rechnet, dass die Tötung in offener Konfrontation ausgeführt werden wird.[175] Bedenkt man hingegen, dass der Anstifter wegen der nur begrenzten Einflussmöglichkeiten seinerseits regelmäßig die Möglichkeit vor Augen haben wird, dass der Täter die Tötung »hinterrücks« ausführt, erscheint es vor dem Hintergrund der gebotenen restriktiven Interpretation des Heimtückemerkmals angezeigt, höhere Anforderungen an den Anstiftervorsatz zu stellen.
86Handelt der Teilnehmer hinsichtlich des vom Täter allein verwirklichten tatbezogenen Mordmerkmales unvorsätzlich, ist er lediglich wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen. Erstreckt sich der Vorsatz eines Anstifters demgegenüber auf ein tatbezogenes Mordmerkmal, das vom Täter nicht erfüllt wird, steht die Tat nach §§ 212, 26 StGB in Tateinheit mit §§ 211, 30 StGB.[176] Da die versuchte Beihilfe nicht unter Strafe steht, verbleibt es in der entsprechenden Konstellation eines Gehilfen bei der Strafbarkeit aus §§ 212, 27 StGB.
87(2) Teilnahme bei täterbezogenen Mordmerkmalen: Die täterbezogenen Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe werden nahezu einheitlich als besondere persönliche Merkmale i.S.v. § 28 StGB eingestuft.[177] Geht man mit der vorherrschenden Literaturansicht davon aus, dass bei ihrer Verwirklichung ein qualifizierter Fall des Totschlags in Gestalt eines Mordes vorliegt, handelt es |42|sich bei den Mordmerkmalen der 1. und 3. Gruppe um Strafschärfungsgründe, mit der Folge, dass § 28 Abs. 2 StGB eingreift.[178] Demgegenüber wirken die Mordmerkmale nach der dogmatischen Konstruktion des BGH strafbarkeitsbegründend, mit der Folge, dass § 28 Abs. 1 StGB zur Anwendung gelangt.[179] Dieser unterschiedliche Ansatz wirkt sich solange nicht aus, wie ein bestimmtes täterbezogenes Mordmerkmal sowohl beim Täter als auch beim Teilnehmer vorliegt und der Teilnehmer hinsichtlich der Umstände, aus denen sich das Vorliegen des Mordmerkmals beim Täter ergibt, vorsätzlich handelt. In dieser Konstellation ist der Teilnehmer sowohl nach dem systematischen Verständnis der Literatur als auch nach demjenigen der Rechtsprechung aus §§ 211, 26 bzw. §§ 211, 27 StGB zu bestrafen.
88Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen Literatur und Rechtsprechung insbesondere in denjenigen Fällen, in denen ein täterbezogenes Mordmerkmal entweder nur beim Täter oder nur beim Teilnehmer vorliegt. Handelt der Teilnehmer vorsätzlich hinsichtlich eines vom Täter verwirklichten, aber von ihm selbst nicht erfüllten, täterbezogenen Mordmerkmales, bestraft ihn die Rechtsprechung wegen Teilnahme am Mord, nimmt aber aufgrund § 28 Abs. 1 StGB eine Strafmilderung vor. Im umgekehrten Fall, in dem nur beim Teilnehmer ein Mordmerkmal der 1. oder 3. Gruppe vorliegt, soll es demgegenüber bei einer Bestrafung wegen Teilnahme am Totschlag verbleiben.[180] In der letzten in Betracht kommenden Fallgruppe, in der zwar sowohl der Täter als auch der Teilnehmer ein täterbezogenes Mordmerkmal verwirklichen, es sich aber um unterschiedliche Mordmerkmale handelt, verneint der BGH unter dem Gesichtspunkt der »gekreuzten Mordmerkmale« die Anwendbarkeit von § 28 StGB. Handelt etwa der Täter aus Verdeckungsabsicht, während beim Teilnehmer lediglich ein Handeln aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund festzustellen ist, liegen zwar grundsätzlich die Voraussetzungen vor, unter denen die Strafe des Teilnehmers nach § 28 Abs. 1 StGB zu mildern ist, da das Merkmal, welches die Strafbarkeit des Täters i.S.d. dogmatischen Ansatzes des BGH begründet (d.h. die Verdeckungsabsicht) bei ihm selbst nicht vorliegt. Jedoch sei insoweit zu berücksichtigen, dass »die Verdeckungsabsicht ein Sonderfall niedriger Beweggründe ist, [so dass beim Teilnehmer] ein persönliches Merkmal gleicher Art wie bei [dem Täter vorliegt].«[181]
89Die vorzugswürdige Literaturansicht, die § 211 StGB als Qualifikation zu § 212 StGB einstuft, gelangt in sämtlichen der vorstehend skizzierten Fallkonstellationen über § 28 Abs. 2 StGB zu sachgerechten Ergebnissen.[182] Liegt ein |43|täterbezogenes Mordmerkmal nur beim Täter, nicht aber beim Teilnehmer vor, erfolgt hiernach eine Tatbestandsverschiebung zugunsten des Teilnehmers, mit der Folge, dass er wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen ist. In der umgekehrten Fallkonstellation, in der nur der Teilnehmer ein täterbezogenes Mordmerkmal erfüllt, erfolgt die Tatbestandsverschiebung in entgegengesetzte Richtung, d.h. der Teilnehmer ist wegen Anstiftung bzw.