77(2) Verdeckungsabsicht: Kennzeichnend für die Verdeckungsabsicht ist, dass es dem Täter gerade darum geht, sich durch die Tathandlung der Entdeckung wegen einer vorangegangenen Straftat zu entziehen.[162] Insoweit kann die Absicht zunächst darin bestehen, die Aufdeckung der Tat als solche zu verhindern. Geht der Täter davon aus, dass die Tat bereits entdeckt ist, kann die erforderliche Verdeckungsabsicht aber ebenfalls vorliegen, wenn es dem Täter darum geht, seine Beteiligung an dieser zu verschleiern. »Auch nach Bekanntwerden einer Straftat kann ein Täter dann noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er als Täter dieser Straftat verdächtigt wird, die genauen |37|Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind […]. Verdeckungsabsicht ist aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Glaubt er mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrechterhalten oder seine Lage verbessern zu können, so reicht das für die Annahme der Verdeckungsabsicht aus, selbst wenn er bereits als Täter der Vortat verdächtigt wird […], da die Tatumstände – nach seinem Wissen – noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt waren […]. Verdeckungsabsicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat als solche bereits entdeckt ist, dem Täter es jedoch noch darauf ankommt, seine eigene Täterschaft zu verbergen; Voraussetzung ist jedoch, dass er sich oder seine Tat noch nicht voll erkannt bzw. nicht voll überführungsfähig glaubt und daher mit der Vorstellung von Entdeckungsvereitelung handelt.«[163]
78Literatur und Rechtsprechung gehen überwiegend davon aus, dass es dem Täter nicht zwingend darum gehen muss, sich der Strafverfolgung zu entziehen, vielmehr soll die Absicht genügen, außerstrafrechtliche Konsequenzen der anderen Straftat zu vermeiden. Insofern soll die erforderliche Verdeckungsabsicht insbesondere auch dann anzunehmen sein, wenn es dem Täter allein darum geht, einen Verlust der aus der Vortat erlangten Vorteile zu verhindern. Zur Begründung führte der BGH aus, dass der Mord »in keiner Begehungsform ein gegen Belange der Rechtspflege gerichtetes Delikt [darstelle]. Qualifikationsgrund der Verdeckungsmodalität [sei] vielmehr die Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter […]. Eine solche Verknüpfung [könne] auch vorliegen, wenn der Täter einen anderen zur Vermeidung außerstrafrechtlicher Folgen seiner Straftat tötet, etwa um sich […] im Besitz der Beute zu halten, die ihm durch die Straftat zugeflossen ist […]. Um den Erhalt der Beute [könne] es auch gehen, wenn der Täter zwar weiß, daß der Geschädigte sich zur Rückforderung nicht der durch die Rechtsordnung vorgegebenen Mittel (z.B. Klage vor dem Zivilgericht, Strafanzeige o.ä.) bedienen wird, wohl aber für den Täter von ›Unterweltlern … ein Abjagen der Beute zu befürchten ist‹«[164]. Von Teilen der Literatur wird hieran kritisiert, dass die vom BGH postulierte besondere Verwerflichkeit der Verstrickung von Unrecht mit weiterem Unrecht nicht den Qualifikationsgrund der Verdeckungsmodalität erfasse. Dieser bestehe vorrangig darin, den Schutz staatlicher Strafverfolgungsinteressen gegen straftatverdeckende Eingriffe zu schützen, und werde in Fällen, in denen es dem Täter nur um die Vermeidung außerstrafrechtlicher Folgen geht, nicht tangiert.[165] Die Bedeutung dieser Auseinandersetzung sollte indes nicht überschätzt werden, da der Täter in entsprechenden Konstellationen häufig die Voraussetzungen eines sonstigen niedrigen Beweggrundes erfüllt, mithin auch |38|bei Verneinung der Verdeckungsabsicht im Ergebnis aus § 211 StGB zu bestrafen ist.[166]
79Die Tötung und die andere Straftat müssen zueinander nicht im Verhältnis der Tatmehrheit stehen, vielmehr können beide Taten ineinander übergehen. Demnach ist das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht auch dann erfüllt, wenn sich der Täter in dem Moment, in dem er auf das Opfer einschlägt, dazu entschließt, dieses zu töten, um nicht wegen Körperverletzung bestraft zu werden.[167] Ferner ist auch eine Tatbegehung durch Unterlassen möglich, die sich typischerweise dadurch kennzeichnet, dass der Täter das Tatopfer bereits durch die zu verdeckende Straftat lebensbedrohlich (aber ohne Tötungsvorsatz) verletzt hat und sich nunmehr dazu entscheidet, keine ärztliche oder sonstige Hilfe herbeizurufen, um die Aufdeckung der ersten Tat zu verhindern.[168]
80Auch im Zusammenhang mit der Verdeckungsabsicht begegnet das Erfordernis der restriktiven Auslegung des Mordtatbestandes in besonderer Schärfe. So erschiene die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe insbesondere dann unangemessen, wenn das Tatopfer selbst Verantwortung für die zu verdeckende Vortat trägt, die Tötung eine Panikreaktion auf eine vorherige Fahrlässigkeitstat darstellt, oder das Tatopfer den Täter aufgrund der zu verdeckenden Vortat massiv erpresst hat.[169] Sachgerechte Ergebnisse dürften in diesem Zusammenhang insbesondere dadurch zu erzielen sein, dass eine Mordstrafbarkeit trotz festgestellter Verdeckungsmotive verneint wird, wenn im konkreten Fall ausnahmsweise nicht die Voraussetzungen eines niedrigen Beweggrundes erfüllt sind.[170]
81(3) Leitentscheidungen:BGHSt 41, 8, 9f.; Verdeckungsabsicht: Nachdem zwei Jugendliche gegenüber einem Bekannten wahrheitswidrig vorgegeben haben, diesem 5 kg Haschisch zu liefern, leistet der Bekannte eine Vorauszahlung von 5.000 € und fordert die Jugendlichen wiederholt dazu auf, das Rauschgift zu übergeben. Zwar gehen die Jugendlichen davon aus, dass der Bekannte sie nicht anzeigen wird, um sich nicht selbst einem Ermittlungsverfahren auszusetzen, sie befürchten aber, dass er sich an ihnen rächen könnte. Die Jugendlichen beschließen daher, den Bekannten zu töten, um diesem die 5.000 € nicht zurückzahlen zu müssen. Nachdem sie den Bekannten unter dem Vorwand, ihm das Haschisch übergeben zu wollen, an einen abseits gelegenen Ort gelockt haben, erschießen die Jugendlichen den arglosen Bekannten. – Durch die Ausnutzung |39|der Arg- und Wehrlosigkeit des Bekannten haben die Jugendlichen die Tötung heimtückisch begangen. Darüber hinaus bejahte der BGH das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Ein Handeln zum Zweck der Verdeckung einer Straftat setze nicht voraus, dass es dem Täter darum geht, sein vorangegangenes strafbares Tun gegenüber Strafverfolgungsbehörden zu verdecken. Da der Mord kein gegen Belange der Rechtspflege gerichtetes Delikt sei, könne die für die Verdeckungsmodalität erforderliche Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht auch dann vorliegen, wenn der Täter einen anderen zur Vermeidung einer außerstrafrechtlichen Folge seiner Tat tötet. Da es den Jugendlichen darum ging, sich die aus einer vorangegangenen Straftat erlangte Beute zu erhalten, hätten sie in Verdeckungsabsicht gehandelt.
82BGH NStZ 2011, 34; Verdeckungsabsicht: Zwei Freunde verbringen einen stark alkoholisierten Mann in einen Wald, wo sie ihm unter Anwendung von Gewalt sein gesamtes Bargeld abnehmen. Nachdem sich die Freunde vergewissert haben, dass der Mann sie nicht erkannt und das Kennzeichen ihres Fahrzeugs nicht gesehen hat, lassen sie ihn im Wald zurück. Hierbei sind die Freunde davon überzeugt, dass es dem Mann gelingen wird, das Waldstück aus eigener Kraft zu verlassen. Tatsächlich fällt dieser jedoch in einen Graben, wo er am nächsten Morgen gefunden und gerettet wird. Zur gleichen Zeit gelangen die Freunde zu der Einschätzung, dass der Mann doch schwerwiegend verletzt sein könnte und überlegen, nochmals in den Wald zu fahren, um nach ihm zu sehen. Sie entscheiden sich jedoch dagegen, da sie davon überzeugt sind, dass ohnehin niemand von dem Überfall erfahren wird. Beide halten es für möglich, dass der Mann noch am Leben ist, aber infolge seiner Verletzungen versterben könnte; dies nehmen sie billigend in Kauf. – Dadurch, dass sich die Freunde an dem Morgen dazu entschieden haben, nicht nach dem Mann zu sehen, obgleich sie dessen Tod nunmehr für möglich hielten und billigend in Kauf nahmen, haben sie sich wegen versuchten Totschlags in Mittäterschaft durch Unterlassen strafbar gemacht. Nicht erfüllt ist jedoch das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Zwar kann diese grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Täter hinsichtlich des Todeseintritts nur mit bedingtem Vorsatz handelt, Voraussetzung ist aber stets, dass die Verdeckungshandlung