133
Eine in allen Punkten befriedigende Lösung ist daher – soweit ersichtlich – bisher noch nicht gefunden worden. Unter Umständen kann man sich im Einzelfall damit helfen, dass sich der Lizenzgeber im Lizenzvertrag dem Lizenznehmer gegenüber verpflichtet, ihm den Schaden, der ihm durch die Patentverletzung entstanden ist, zu ersetzen, soweit er selbst vom Verletzer Befriedigung erlangen kann. In diesem Fall entstünde dem Lizenzgeber ein Schaden, weil der Lizenznehmer Ansprüche gegen ihn geltend machen kann. In diesem Fall liegt auch – entgegen der Annahme von Fischer277 – von vornherein ein Schaden dem Grunde nach vor, nur in dieser Höhe nach noch nicht endgültig beziffert. Eine solche Bezifferung ist jedoch gem. § 287 ZPO nicht zwingend, so dass es ausreicht, wenn dem Gericht die tatsächlichen Grundlagen für eine Schätzung des entstandenen Schadens unterbreitet werden.278 Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Lizenzgeber verpflichtet ist, gegen den Verletzer vorzugehen, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Da die Entscheidung hierüber jedoch häufig zu Zweifeln Anlass geben kann, ist häufig in Lizenzverträgen vorgesehen, dass es dem Lizenzgeber freisteht, darüber zu entscheiden, ob er im Wege der Klage vorgehen will. Dies ist auch sinnvoll, weil der Lizenzgeber im Zweifel ein erhebliches eigenes Interesse daran hat, gegen den Patentverletzer vorzugehen. Im Einzelfall kann im Übrigen auch ein Anspruch des einfachen Lizenznehmers aus unlauterem Wettbewerb gegeben sein.279
25.1.2.5.2 Schadensersatz bei Lizenzverträgen, denen kein Schutzrecht zugrunde liegt280
134
Besteht für den Lizenzgegenstand kein Schutzrecht, so können gegen einen Nachahmer nur ausnahmsweise Schadensersatzansprüche aufgrund unlauteren Wettbewerbs erhoben werden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Nachbau von Gegenständen, die nicht besonders geschützt sind, grundsätzlich zulässig ist. Dies erklärt sich daraus, dass die ganze technische Entwicklung auf dem Erbe der Vergangenheit beruht. Jede Maschine, jede Konstruktion verwendet Ergebnisse, die andere früher erarbeitet haben. Der Nachbau von nicht besonders geschützten Gegenständen ist daher nur dann unzulässig, wenn besondere Umstände die Handlung als unlauter erscheinen lassen.281
Besondere Umstände, aufgrund derer die Nachahmung unzulässig sein kann, können insbesondere sein: das Bestehen einer Verwechslungsgefahr mit dem ursprünglichen Erzeugnis, vor allem dann, wenn Täuschungsabsicht besteht, Ausnutzung der Verkehrsgeltung des nachgeahmten Erzeugnisses, Erschleichung von Unterlagen und Kenntnissen. Im Übrigen darf hierzu auf die Ausführungen über den sog. sklavischen Nachbau in der Literatur und auf die Rechtsprechung verwiesen werden.282
Steht fest, dass eine unlautere Handlung vorliegt, so ist zu prüfen, ob denjenigen, der die Handlung begangen hat, ein Verschulden trifft. Wenn auch die Frage zweifelhaft ist, ob für die Schadensersatzansprüche aufgrund von § 1 UWG ein Verschulden Voraussetzung ist, so wird man sie doch bejahen müssen, weil im deutschen Recht Schadensersatzansprüche grundsätzlich nur bei Verschulden gegeben sind.
Zur Erhebung der Klage ist der verletzte Wettbewerber berechtigt. Dies kann entweder nur der Lizenzgeber oder nur der Lizenznehmer, oder es können auch beide nebeneinander sein.
207 Siehe nur Benkard, PatG, Rn. 6, zu § 58 und Rn. 2 zu § 139, jeweils m.w.N.; von Falck, Mitt. 2005, 481ff. und Fn. 1f.; vgl. die Maßnahmen zur Verbesserung des Sachverständigenwesens im Patentverletzungsprozess: Kooperation zwischen der Patentgerichtsbarkeit und der RWTH Aachen, GRUR 2008, 774ff.; Schulte, PatG, § 6, Rn. 6ff.; Schönig, LG Mannheim: Sukzessionsschutz richtet sich nach dem Schutzland, GRUR-Prax 2015, 464; Ohly, Wirkung und Reichweite der Registervermutung im Patentrecht, GRUR 2016, 1120ff.; Grunwald, Die Reichweite der Registervermutung bei nicht beurkundeten Zwischenerwerben im Patentrecht, GRUR 2016, 1126ff.; EuGH, 4.2.2016, GRUR Int. 2016, 350ff. – Hassan = GRUR 2016, 372ff. = GRUR-Prax 2016, 79, zum Recht des Lizenznehmers auf Erhebung einer Verletzungsklage trotz fehlender Eintragung der Lizenz in das Gemeinschaftsmarkenregister; ders., 22.6.2016, Mitt. 2016, 560ff. – Verletzungsklage trotz fehlender Eintragung der Lizenz; Nieder, Die Verletzungsklage des ausschließlichen Lizenznehmers zum EPG, Mitt. 2017, 145ff.; Steininger, Verletzung in Deutschland gültiger Patente durch Handlungen im Ausland, Zugleich Besprechung von BGH „Abdichtsystem“, GRUR 2017, 875ff.; Lohmann, Zur Aktivlegitimation im Verletzungsprozess: die Finanzierungsfalle, Mitt. 2019, 64; Liddicoat/de Werra, When can exclusive licenses initiate patent infringement proceedings? Lessons for global IP licensing transactions from two recent UK cases, GRUR Int. 2019, 100ff. 208 Siehe nur Benkard wie vor. 209 § 139 Abs. 2 PatG; spektakulär war die Schadensersatzsumme von mehr als 900 Mio. Dollar, die Kodak an Polaroid wegen der Verletzung von 12 Patenten in den USA zahlen musste, Bodewig, GRUR Int. 1991, 170. Diese Summe bezog sich zur Hälfte auf entgangenen Gewinn bzw. fiktive Lizenzgebühren und zu 50 % auf Zinsverluste vor Erlass des Urteils. Abgelehnt wurden Ansprüche auf Ersatz der Anwaltsgebühren und auf Verdreifachung des Schadensersatzes; siehe auch Fn. 2 zu Rn. 5; das US-Patentgesetz, 35 U.S. C. § 287, sieht vor, dass derjenige, der in den USA ein durch ein US-Patent geschütztes Produkt in Verkehr bringt, möglichst das Produkt, also nicht nur dessen Verpackung mit der Patentnummer versehen muss; andernfalls kann der Patentinhaber im Verletzungsfall Anspruch auf Schadensersatz erst ab Klageeinreichung oder dem Zeitpunkt eines konkreten Hinweises des angeblichen Verletzers auf die Verletzung geltend machen. Bei einem entsprechenden Vermerk kann der Patentinhaber dagegen bereits Schadensersatz sechs Jahre vor der Klageeinreichung fordern. Münsterer, Fallstricke und andere Besonderheiten der US-Patentpraxis, Mitt. 2010, 322ff., 333 mit einem Hinweis auf die durchschnittlichen Kosten eines US-Patentverletzungsverfahrens von 2,5–4 Mio. US$ (in komplizierten Fällen auch deutlich höher); siehe zur Umsetzung der EU-Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG in deutsches Recht den Überblick v. 29.8.2008 im BMJ-Newsletter, www.bmj.de, der beim BMJ, [email protected], unentgeltlich abonniert werden kann; vgl. Levko, 2006 Patent and Trademark Damages Study, www.pwc.com, und Levko/Torres, Patent Litigation Trends In Damages Awards, Success Rates And Time-To-Trial, Les Nouvelles 2008, S. 158ff., als sehr instruktive Hilfe der PricewaterhouseCoopers für die Entscheidung, ob (z.B. wegen der Erfolgsquoten/Höhe des Schadensersatzes/Verfahrensdauer) und wenn, bei welchen US-Gerichten Patentverletzungs-/Nichtigkeitsklagen anhängig gemacht werden sollten. Reitboeck, Das rechtliche Umfeld für (und gegen) nicht operative Patentinhaber in den USA – Ein Überblick über wichtige Entwicklungen der letzten Jahre: GRUR Int. 2013, 419ff.; s. auch Walz, Schadensersatz und Einheitspatentsystem, GRUR Int. 2016, 513ff.; International Patent Enforcement, Les Nouvelles, December 2018, 281ff., eine Übersicht zu den Vollstreckungsmöglichkeiten bei Patentverletzungen in den wichtigsten Industriestaaten. 210 Benkard, PatG, Rn. 17, 58 zu § 139. 211 Vgl. nur den Überblick bei Benkard, PatG, Rn. 57ff. zu § 139 und Fn. 1f. 212 Vgl. z.B. Benkard, PatG, Rn. 61 zu § 139 mit einem Überblick bzgl. der Rechtsprechung des BGH. 213 § 139 Abs. 2 PatG; s. zur jüngsten Rechtsprechung des BGH Teplitzky, GRUR 2003, 272ff., 276 m.w.N.; Menninger/Nägele, Die Bewertung von Gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten für Zwecke der Schadensberechnung im Verletzungsfall, WPR 2007, 912ff.; zu Ansprüchen des Schutzinhabers gegen den Verletzer neben denen des Lizenznehmers BGH, 20.5.2008, GRUR 2008, 896ff. – Tintenpatrone = GRUR Int. 2008, 960ff. = WRP 2009, 996ff.; Tilmann, Neue Überlegungen im Patentrecht (Teil III), GRUR 2008, 312ff.; Kämper, Der Schadensersatzanspruch bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten, GRUR Int. 2008, 539ff.; vgl. die Übersicht von Bornkamm, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs